Online-Nachricht - Mittwoch, 04.10.2023

Verfahrensrecht | Vorlage von E-Mail-Korrespondenz, insbesondere eines Gesamtjournals (FG)

Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO stehen der Finanzverwaltung nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Es besteht kein Anspruch der Finanzverwaltung auf Vorlage eines elektronischen Gesamtjournals, welches nach den Vorgaben der Finanzverwaltung Informationen zu jeder einzelnen empfangen bzw. versandten E-Mail des Steuerpflichtigen enthalten soll (; Revision anhängig, BFH-Az. XI R 15/23).

Hintergrund: Nach § 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AO kann die Finanzverwaltung im Rahmen einer Außenprüfung verlangen, dass ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen in einem maschinell verwertbaren Format zur Verfügung gestellt werden.

Sachverhalt: Das beklagte Finanzamt forderte von der Klägerin im Rahmen einer Außenprüfung die Vorlage von empfangenen und Wiedergaben von versandten Handelsbriefen nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO sowie sonstiger Unterlagen mit Bedeutung für die Besteuerung nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO und für den Fall, dass die angeforderten Unterlagen in elektronischer Form vorlägen, ein Gesamtjournal, in dem alle E-Mails erfasst sein sollten.

Gegen diese - aus Sicht der Klägerin zu weitreichende - Anforderung von vorzulegenden Unterlagen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Die Klage hatte teilweise Erfolg:

  • Die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen und eines (elektronischen) Datenträgers ist rechtmäßig, die Vorlage eines Gesamtjournals in dem angeforderten Umfang dagegen nicht.

  • Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO stehen der Finanzbehörde nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO wird wiederum grundsätzlich begrenzt durch die Reichweite der zugrundeliegenden Aufzeichnungspflicht.

  • Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang dieser Aufzeichnungspflicht, ist insofern also akzessorisch.

  • Vor diesem Hintergrund ist das Vorlageverlangen bzgl. der (vorhandenen) Handels- und Geschäftsbriefe sowie sonstiger Unterlagen mit Bedeutung für die Besteuerung rechtmäßig.

  • Maßgeblich ist insbesondere, dass sich das Vorlageverlangen u.a. auf solche Unterlagen (insbesondere E-Mails) beschränkt hat, die die Durchführung eines Handelsgeschäfts betreffen sowie zur Überprüfung der angewandten Verrechnungspreismethode von steuerlicher Relevant sind.

  • Das Vorlageverlangen des Beklagten bezüglich eines Gesamtjournals in dem begehrten Um-fang ist dagegen rechtswidrig, da ein solches Gesamtjournal nicht der Aufzeichnungs- bzw. Aufbewahrungspflicht unterliegt.

  • Das Verlangen der Finanzbehörde ist dahin zu verstehen, dass der Zugriff auf eine - ggf. noch zu erstellende - Datenbank gewünscht wird, die die seitens des Beklagten aufgeführten Informationen für jede einzelne E-Mail der gesamten E-Mail Korrespondenz der Klägerin und ihrer Mitarbeitenden enthält, unabhängig davon, ob für einzelne E-Mails eine Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO besteht. Insbesondere sollte das Gesamtjournal ein Zusatzfeld enthalten, in dem ein Vermerk darüber erfolgt, ob die Klägerin bezüglich dieser E-Mail bereits das ihr zukommende Erstqualifizierungsrecht ausgeübt hat, sodass letztlich alle E-Mails der Klägerin aufgelistet würden, ohne Rücksicht darauf, ob das Recht auf Erstqualifizierungsrecht ausgeübt worden ist oder ob diese E-Mails überhaupt von steuerlicher Relevanz sind.

  • Eine Verpflichtung zum Führen bzw. zur Aufbewahrung eines solchen Gesamtjournals kann weder § 200 AO noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung im Sinne der §§ 238 ff. HGB oder den §§ 140 ff. AO entnommen werden.

Hinweis:

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. XI R 15/23 anhängig.

Quelle: FG Hamburg, Newsletter 3/2023 (il)

Fundstelle(n):
WAAAJ-49748