BFH Urteil v. - VIII R 34/12 BStBl 2015 II S. 285

Umsatzsteuervorauszahlung IV. Quartal, keine Verlängerung des Zeitraums „kurze Zeit” i.S. des § 11 EStG

Leitsatz

1. Als „kurze Zeit” i.S. des § 11 EStG gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen (Bestätigung der Rechtsprechung)

2. Eine Verlängerung des Zehn-Tage-Zeitraums kommt auch im Hinblick auf die nach § 108 Abs. 3 AO hinausgeschobene Fälligkeit von Umsatzsteuervorauszahlungen nicht in Betracht.

Gesetze: EStG § 11UStG § 18AO § 108BGB § 193

Instanzenzug: (EFG 2012, 2113) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1 Die Beteiligten streiten darüber, ob eine am gezahlte Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 in Höhe von 3.357,69 € als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit für das Jahr 2009 zu berücksichtigen ist.

2 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute; der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig und erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seinen Gewinn ermittelt er durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Umsatzsteuerrechtlich ist der Voranmeldungszeitraum nach § 18 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) das Kalendervierteljahr. Die Umsatzsteuervoranmeldung für das 4. Quartal 2009 reichte der Kläger am (einem Montag) fristgerecht ein. Gleichzeitig leistete er die entsprechende Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von 3.357,69 €.

3 In der Einkommensteuererklärung 2009 berücksichtigte der Kläger die Umsatzsteuervorauszahlung von 3.357,69 € bei der Gewinnermittlung als Betriebsausgabe.

4 Mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 nicht als Betriebsausgabe an, weil sie erst im Jahr 2010 abgeflossen sei. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 2113 veröffentlichtem Urteil vom 3 K 468/11 als unbegründet ab.

5 Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 11 EStG. Sie machen geltend, die Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 sei als Betriebsausgabe für das Jahr 2009 zu berücksichtigen. Es handele sich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres 2009 abgeflossen und deshalb nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG im Jahr 2009 anzusetzen seien. Soweit das FA die Formulierung „kurze Zeit” in dieser Vorschrift auf einen Zeitraum von zehn Tagen begrenze, müsse berücksichtigt werden, dass der ein Sonntag gewesen sei und deshalb nach § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für Fristberechnungen der darauffolgende Werktag maßgeblich sei. Da die Zahlung der Umsatzsteuervorauszahlung unstreitig am erfolgt sei, lägen die Voraussetzungen der Zurechnung der Aufwendung zum Jahr 2009 vor.

6 Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des aufzuheben und die Einkommensteuer 2009 unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2009 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom so weit herabzusetzen, wie sie sich bei Berücksichtigung der Umsatzsteuervorauszahlung des Klägers für das 4. Quartal 2009 in Höhe von 3.357,69 € als Betriebsausgabe bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit ergibt.

7 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8 Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

9 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

10 Zu Recht hat das FG die vom Kläger am geleistete Umsatzsteuervorauszahlung von 3.357,69 € nicht als Betriebsausgabe des Jahres 2009 berücksichtigt.

11 1. Ausgaben sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

12 Nach § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 EStG gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres angefallen sind, zu dem sie wirtschaftlich gehören, als in diesem Kalenderjahr abgeflossen.

13 2. Im Streitfall ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen für den Veranlagungszeitraum 2009 hinsichtlich der vom Kläger am geleisteten Umsatzsteuervorauszahlung nicht erfüllt sind.

14 a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat folgt, sind Umsatzsteuervorauszahlungen regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, deren Wiederholung bei der Art der von dem Kläger erbrachten Leistungen von vornherein feststeht (vgl. , BFHE 218, 372, BStBl II 2008, 282, m.w.N.; Schmidt/Krüger, EStG, 33. Aufl., § 11 Rz 25; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 22 Rz 13; ebenso , BGHZ 98, 174).

15 Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung abzugeben (so im Streitjahr) bzw. auf elektronischem Weg zu übermitteln; die Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig (zur Notwendigkeit der Fälligkeit kurz vor oder nach Ende des Kalenderjahres vgl. , BFHE 178, 326, BStBl II 1996, 266; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rz B 88; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 11 Rz 61).

16 b) Im Streitfall ist die Umsatzsteuervorauszahlung zwar fristgerecht am Montag, den 11. Januar des dem Streitjahr folgenden Jahres geleistet worden. Sie ist indes nicht i.S. von § 11 EStG kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres abgeflossen; als „kurze Zeit” gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen (BFH-Urteil in BFHE 218, 372, BStBl II 2008, 282, m.w.N.; Schmidt/Krüger, a.a.O., § 11 Rz 26). Der Kläger hat die Umsatzsteuervorauszahlung unstreitig erst am , d.h. nach Ablauf des Zehn-Tage-Zeitraums, entrichtet.

17 aa) Entgegen der Auffassung der Kläger kommt eine Verlängerung des Zehn-Tage-Zeitraums nicht in Frage. Es entspricht der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass eine Erweiterung dieser Höchstgrenze unter Berufung auf besondere Verhältnisse des Einzelfalls nicht in Betracht kommt (vgl. , BFH/NV 2003, 169). In seinen bislang zu der hier zu entscheidenden Frage ergangenen Entscheidungen hat der BFH als „kurze Zeit” stets einen Zeitraum von „höchstens zehn Tagen” angesehen (BFH-Entscheidungen vom VI 152/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 11, Rechtsspruch 50; vom VI R 161/72, BFHE 112, 373, BStBl II 1974, 547; in BFH/NV 2003, 169); einige Entscheidungen weisen die Formulierung „in der Regel ein Zeitraum bis zu zehn Tagen” auf (, BFHE 145, 538, BStBl II 1986, 342; vom IV R 309/84, BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16); in anderen Entscheidungen ist der BFH stillschweigend von einem zehn Tage nicht überschreitenden Zeitraum ausgegangen (BFH-Urteile in BFHE 178, 326, BStBl II 1996, 266; vom IV R 72/94, BFH/NV 1996, 209; vom IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509; vom IV R 1/99, BFHE 190, 335, BStBl II 2000, 121).

18 bb) Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch unter dem Gesichtspunkt der Regelungen in § 108 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 193 BGB nicht geboten. Ist danach an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. Zwar gilt diese Vorschrift nach § 108 Abs. 1 AO auch im Steuerverfahrensrecht. Zutreffend verneint das FG indes die Anwendung der Normen auf Fälle der vom Zu- und Abflussprinzip abweichenden zeitlichen Zurechnung regelmäßig wiederkehrender Einnahmen oder Ausgaben in § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG. Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass eine Leistung „zu bewirken ist”. § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG regeln nämlich keine Zahlungspflicht, sondern knüpfen nur an eine tatsächlich in dem dort nicht näher bestimmten Zeitraum geleistete Zahlung an, um danach im Rahmen der Einkommensermittlung eine vom Grundsatz abweichende periodengerechte zeitliche Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben für die Gewinn- bzw. Überschusseinkünfte zu bestimmen.

19 Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG ist eine Umsatzsteuervorauszahlung am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig. Nach § 108 Abs. 3 AO verlängert sich die Zahlungsfrist bis zum folgenden Werktag, sofern deren Ende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Für den Zeitraum des § 11 EStG —darauf weist auch das FA zutreffend hin— hat diese Verlängerung indes keine Bedeutung. Denn § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG regeln keine Frist, sondern schaffen lediglich eine gesetzlich normierte Zufluss- bzw. Abflussfiktion.

20 3. Soweit die Kläger rügen, bei der Umsatzsteuer handele es sich um eine indirekte Steuer und vereinnahmte und abzuführende Umsatzsteuerbeträge seien im Ergebnis neutral und müssten bei der Einkommensbesteuerung außer Ansatz bleiben, andernfalls liege ein Verstoß gegen Art. 12 bzw. gegen Art. 14 des Grundgesetzes vor, ist die Revision unsubstantiiert. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung stellt die vom Überschussrechner gezahlte Umsatzsteuer (Vorsteuer/Zahllast) im Zeitpunkt der Verausgabung eine Betriebsausgabe dar, während die vereinnahmte bzw. verrechnete Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Vereinnahmung als Betriebseinnahme zu erfassen ist (vgl. Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 4 Rz 520 Stichwort Umsatzsteuer, m.w.N.; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 211; H 9b der Einkommensteuer-Hinweise 2012).

Fundstelle(n):
BStBl 2015 II Seite 285
BB 2015 S. 277 Nr. 6
BBK-Kurznachricht Nr. 5/2015 S. 211
BFH/NV 2015 S. 424 Nr. 3
BFH/PR 2015 S. 136 Nr. 4
BStBl II 2015 S. 285 Nr. 5
DB 2015 S. 6 Nr. 5
DB 2015 S. 713 Nr. 13
DStR 2015 S. 215 Nr. 5
DStRE 2015 S. 250 Nr. 4
DStZ 2015 S. 181 Nr. 6
EStB 2015 S. 84 Nr. 3
GStB 2015 S. 13 Nr. 4
HFR 2015 S. 764 Nr. 8
KSR direkt 2015 S. 5 Nr. 3
KÖSDI 2015 S. 19191 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2015 S. 312
StB 2015 S. 55 Nr. 3
StBW 2015 S. 161 Nr. 5
StBW 2015 S. 175 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2015 S. 153
Ubg 2015 S. 92 Nr. 2
YAAAE-83405