Online-Nachricht - Freitag, 29.05.2020

Verfahrensrecht | Keine unentgeltliche Zuwendung i. S. des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO durch Zahlung der laufenden Kosten des von den Ehegatten gemeinsam bewohnten Hauses (BFH)

Die Zahlung der laufenden Kosten des von Ehegatten gemeinsam bewohnten Hauses durch den Alleinverdiener-Ehegatten stellt auch dann keine unentgeltliche Zuwendung i. S. des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO an den anderen Ehegatten dar, wenn das Haus im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht. Ist der Alleinverdiener-Ehegatte zivilrechtlich verpflichtet, die Zins- und Tilgungsleistungen für das gemeinsam aufgenommene Darlehen vollständig zu begleichen, kommt es mangels Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu einer für eine Zuwendung erforderlichen Vermögensverlagerung (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gem. § 278 Abs. 1 AO darf die Vollstreckung nach der Aufteilung nur hinsichtlich der auf die einzelnen Schuldner entfallenden Beträge durchgeführt werden. Werden im Falle der Aufteilung einer Gesamtschuld gem. §§ 268 ff. AO einem Steuerschuldner von einer mit ihm zusammenveranlagten Person in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet, kann gem. § 278 Abs. 2 AO der Empfänger bis zum Ablauf des zehnten Kalenderjahres nach dem Zeitpunkt des Ergehens des Aufteilungsbescheids über den sich nach § 278 Abs. 1 AO ergebenden Wert hinaus bis zur Höhe des gemeinen Werts der Zuwendung für die Steuer in Anspruch genommen werden.

Sachverhalt: Die Klägerin bewohnt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern ein Einfamilienhaus, das ursprünglich im hälftigen Miteigentum beider Ehegatten stand. Sie erzielte - anders als ihr Ehemann - keine eigenen Einkünfte. Nach Übertragung seines Miteigentumsanteils auf die Klägerin übernahm diese auch die Grundschulden. Der Ehemann blieb aber weiterhin Schuldner der zu Grunde liegenden Darlehen und leistete die Zins- und Tilgungsraten.

Das FA teilte die sich aus einer Zusammenveranlagung der Eheleute ergebende rückständige Einkommensteuer für 2010 auf Antrag der Klägerin dahingehend auf, dass die gesamten Rückstände auf den Ehemann entfielen. Aufgrund der Zahlung der Darlehensraten und weiterer Hauskosten durch den Ehemann in den Jahren 2010 bis 2012 nahm es jedoch unentgeltliche Zuwendungen an die Klägerin an und erließ einen darauf gestützten Ergänzungsbescheid gemäß § 278 Abs. 2 AO.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage im Wesentlichen statt (; s. hierzu auch unsere Online-Nachricht v. 15.5.2017).

Das FA legte Revision ein und beantragte, das FG Urteil insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Das FG hat zwar zu Unrecht eine Zuwendung angenommen, der Klage aber im Ergebnis zu Recht im Wesentlichen stattgegeben, weil es die Unentgeltlichkeit der Zuwendung angenommen hat.

  • Tatsächlich liegen jedoch bereits keine Zuwendungen des Ehemannes an die Klägerin vor.

  • Der Begriff der Zuwendung in § 278 Abs. 2 AO entspricht dem der (freigebigen) Zuwendung in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, so dass die hierzu ergangene Rechtsprechung grundsätzlich anzuwenden ist. Eine Bereicherung des Empfängers ist danach gegeben, wenn dieser über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann (; ).

  • Eine Zuwendung erfolgt unentgeltlich, wenn sie ohne eine Gegenleistung oder ohne die marktübliche Gegenleistung erfolgt. Maßgebend ist die objektive Unentgeltlichkeit, die nicht durch subjektive, im Eheverhältnis liegende Motive für die Zuwendung in Frage gestellt werden kann.

  • Unter Beachtung dieser Grundsätze liegen keine Zuwendungen an die Klägerin vor.

  • Indem der alleinverdienende Ehemann der Klägerin Zinsen und Tilgung auf das gemeinsam aufgenommene Darlehen zahlte, erbrachte er keine Zuwendung an die Klägerin, weil er auf seine eigene Schuld - und nicht auf eine fremde Schuld - leistete. Dazu war er als Darlehensnehmer und Gesamtschuldner gem. § 421 Satz 1 BGB im Außenverhältnis gegenüber der Darlehensgeberin verpflichtet. Diese Zahlungen wirkten nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB zwar (auch) zugunsten der Klägerin, weil diese durch die Leistung ihres Ehemannes im Außenverhältnis von einer Verbindlichkeit befreit wurde. Eine Zuwendung lag darin allerdings nicht, weil dem Ehemann kein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin zustand, auf den er hätte verzichten können. Nur in einem solchen Verzicht auf den Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 BGB kann eine Zuwendung liegen.

  • Daran ändert der Umstand nichts, dass das gemeinsam bewohnte Haus seit 2007 im Alleineigentum der Klägerin steht. Denn es handelt sich weiterhin um gemeinschaftliche Zwecke der Eheleute, weil diese das Haus weiterhin gemeinsam mit ihren Kindern als Familienheim bewohnten.

  • Auch die Zahlung der übrigen laufenden Hauskosten durch den Ehemann stellt keine Zuwendung i. S. des § 278 Abs. 2 AO an die Klägerin dar. Zahlt der Alleinverdiener-Ehegatte die übrigen laufenden Unterhaltskosten für das im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehende Haus, so handelt es sich um Unterhaltsleistungen nach §§ 1360, 1360a BGB.

  • Allenfalls die Übertragung des Miteigentumsanteils des Ehemannes auf die Klägerin mit notariellem Vertrag vom könnte eine Zuwendung darstellen. Dieser Vorgang lag jedoch zeitlich vor dem streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum 2010, so dass § 278 Abs. 2 AO keine Anwendung finden kann.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB FAAAH-49657