Online-Nachricht - Donnerstag, 02.04.2020

Verbraucherschutz | Wirksamkeit einer Tariferhöhung durch den Grundversorger (EuGH)

Der EuGH hat auf ein Vorabentscheidungsersuchen des LG Koblenz zur Frage geurteilt, ob die persönliche Information der Gaskunden über eine Tariferhöhung, mit der der Grundversorger lediglich den Anstieg seiner eigenen Bezugskosten abwälzt, eine Voraussetzung für die Gültigkeit der Erhöhung ist ( "Stadtwerke Neuwied").

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Stadtwerke Neuwied sind ein als privatrechtliche GmbH organisierter Erdgasversorger. Als Kommunalunternehmen, das Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zugunsten einer öffentlichen Körperschaft erbringt, unterliegen die Stadtwerke staatlicher Aufsicht. Ihr einziger Gesellschafter ist die Stadt Neuwied.

Die Stadtwerke haben einen ihrer Gaskunden (mit Grundversorgungsvertrag) vor dem Landgericht Koblenz auf Zahlung von Rückständen verklagt, die mit Tarifanpassungen zwischen 2005 und 2011 zusammenhängen. Diese Tarifanpassungen entsprachen dem Anstieg der Bezugskosten von Erdgas.

Der Kunde wurde nicht persönlich über diese Anpassungen informiert. Die Stadtwerke veröffentlichten ihre Preise und ihre allgemeinen Tarife sowie die Vertragsanpassungen jedoch auf ihrer Internetseite. Die Tariferhöhungen wurden zudem in der regionalen Presse veröffentlicht.

Der Kunde macht geltend, dass die Erhöhungen des Gaspreises unwirksam seien.

Das LG Koblenz hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH zur Auslegung der Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55 angerufen. Es möchte insbesondere wissen, ob die direkte Information des Kunden über die Tariferhöhung eine Voraussetzung für die Gültigkeit der Erhöhung ist.

Hierzu führen die Richter des EuGH weiter aus:

  • Die Gültigkeit einer Tariferhöhung, die der Umwälzung des Anstiegs der Bezugskosten von Gas entspricht, kann nicht von der persönlichen Information der Kunden abhängen, da der Versorger die Versorgungssicherheit seiner Kunden zu gewährleisten hat.

  • Andernfalls kann das vom Gasversorger getragene wirtschaftliche Risiko sowohl die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2003/55 verfolgten Ziels der Versorgungssicherheit in Frage stellen als auch die wirtschaftlichen Interessen dieses Versorgers unverhältnismäßig beeinträchtigen.

  • Da das Unterbleiben einer persönlichen Mitteilung der Tarifänderungen selbst in einer solchen Situation eine Beeinträchtigung des Verbraucherschutzes darstellt, ist allerdings zum einen erforderlich, dass die Kunden eines solchen Versorgers den Vertrag jederzeit kündigen können.

  • Zum anderen müssen dem Kunden angemessene Rechtsbehelfe offenstehen, damit er ggf. Schadensersatz für den Schaden verlangen kann, der dadurch entsteht, das er nicht die Möglichkeit gehabt hat, rechtzeitig zu einem günstigeren Versorger zu wechseln.

  • Das LG Koblenz wird diese Punkte im nachfolgenden Rechtsgang überprüfen müssen.

Hinweis:

Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB LAAAH-45718