Online-Nachricht - Dienstag, 15.08.2017

Verfahrensrecht | Einjährige Einspruchsfrist bei unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung (FG)

Weist die Rechtsbehelfsbelehrung entgegen dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hin, ist sie unrichtig im Sinne des § 356 Abs. 2 FGO und die Einspruchsfrist beträgt sodann ein Jahr (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Die Rechtsbehelfsfrist beginnt gemäß § 356 Abs. 1 AO nach Ergehen eines schriftlichen Verwaltungsakts nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden, ist die Einlegung des Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig (§ 356 Abs. 2 S. 1 AO).

Sachverhalt: Mit Bescheid vom hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Tochter der Klägerin ab März 2012 auf und forderte Kindergeld zurück. Die Familienkasse gab in dem von ihr verwendeten Kopfbogen eine E-Mail-Adresse an. Die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung lautet: „[...]Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären.“ Am wandte sich die Klägerin an die Behörde für Schule und Berufsbildung der Stadt und fügte Nachweise bei. Mit Schreiben vom übersandte die Behörde für Schule und Berufsbildung der Stadt der Familienkasse das Schreiben der Klägerin nebst Anlagen. Die Familienkasse legte das Schreiben der Klägerin als Einspruch gegen den Bescheid vom aus und teilte der Klägerin mit, dass der Einspruch nicht innerhalb der Einspruchsfrist eingegangen sei, weil der Bescheid vom am als bekanntgegeben gelte und die Einspruchsfrist demzufolge am ende.

Hierzu führte das FG Schleswig-Holstein weiter aus:

  • Der Bescheid vom gilt, was zwischen den Beteiligten unstrittig ist, der Klägerin als am bekanntgegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).

  • Indessen begann nicht die Einspruchsfrist von einem Monat mit dem Tage der Bekanntgabe des Bescheids (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO), sondern die Jahresfrist des § 356 Abs. 2 FGO, da die Klägerin über die Einlegung des Einspruchs mit der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung nicht den Anforderungen des § 356 Abs. 1 AO entsprechend belehrt worden ist. Die Rechtsbehelfsbelehrung gibt den Wortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO nicht zutreffend wieder und ist deshalb „unrichtig“ i. S. des § 356 Abs. 2 FGO.

  • Nach dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch zwingend schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung folgt vorliegend aus dem Umstand, dass die Familienkasse in der Rechtsmittelbelehrung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO insoweit unvollständig wiedergegeben hat, als dass auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung nicht hingewiesen worden ist.

  • Der Senat hält es in diesem Zusammenhang nicht für ausreichend, dass die Familienkasse in dem von ihr verwendeten Kopfbogen ihre E-Mail-Adresse angibt, weil die Rechtsbehelfsbelehrung insoweit in ihrer Aufzählung die Möglichkeit der elektronischen Einlegung des Einspruchs nicht erwähnt. Die Aufzählung in der Rechtsbehelfsbelehrung erscheint insoweit abschließend; jedenfalls ist sie in Bezug auf die Möglichkeit, einen Einspruch mittels E-Mail einzulegen, unklar.

Hinweis:

Abweichend von ist der Senat im vorliegenden Fall der Auffassung, dass der Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung des Einspruches auch dann nicht entbehrlich ist, soweit in der Erwähnung der Internetseite in der Fußzeile des Bescheides die konkludente Eröffnung des Zugangs im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO zu sehen ist. Im Hinblick auf diese abweichende Entscheidung sowie auf hat der Senat die Revision zugelassen.

Quelle: ; NWB Datenbank (Sc)

Fundstelle(n):
NWB MAAAG-53705