Online-Nachricht - Donnerstag, 20.04.2017

Umsatzsteuer | Leistungen einer selbständigen Betreuerin für einen gemeinnützigen Verein (FG)

Für die Anerkennung einer Steuerpflichtigen als Einrichtung mit sozialem Charakter nach § 75 Abs. 1 SGB XII genügt die Möglichkeit, selbst Verträge über Betreuungsleistungen mit Leistungsträgern abzuschließen zu können. Der Anerkennung steht nicht entgegen, dass der Leistende tatsächlich nicht selbst die Kosten mit den Sozialleistungsträgern abgerechnet hat, sondern als Subunternehmer der Abrechnenden tätig geworden ist (Fortführung der BFH-Rechtsprechung [Urteil vom - V R 13/14]: ; Revision anhängig).

Hintergrund: Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien Mitgliedstaaten "die eng mit der sozialen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altersheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden" von der Umsatzsteuer.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin ist Erzieherin und war seit dem auf Honorarbasis für einen gemeinnützigen Verein als selbständige Betreuerin tätig. Der zugrunde liegende Vertrag sah eine maximale wöchentliche Stundenzahl von 38 Stunden zu einem Honorar von 23 € pro Stunde vor. Hinsichtlich der Leistungsbeschreibung bezogen die Parteien den Vertrag zwischen dem Verein und dem Landkreis nach §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 2 SGB XII in den Honorarvertrag mit ein.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit suchte die Klägerin seelisch kranke Menschen in ihren Wohnungen auf und unterstützte diese u.a. bei der Erweiterung der psychosozialen und kommunikativen Kompetenzen. Die Betreuung erfolgte im Rahmen einer ambulanten Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII. Später schloss die Klägerin selbst Verträge mit verschiedenen Kostenträgern. Ende August 2011 kam eine Vergütungsvereinbarung nach §§ 76 Abs. 2 und 75 Abs. 2 SGB XII zwischen der Klägerin und dem Landkreis zustande. Das FA lehnte eine Steuerbefreiung der Umsätze der Klägerin ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Hierzu führten die Richter weiter aus:

  • Die Klägerin kann sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen. Die Umsätze sind ab dem Jahr 2009 als umsatzsteuerfrei zu behandeln.

  • Die von der Klägerin erbrachten Leistungen sind aufgrund der ambulanten Betreuung von seelisch kranken Menschen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden.

  • Auch ist die Klägerin eine Einrichtung mit sozialem Charakter, die nach innerstaatlichem Recht anerkannt ist.

  • Vor dem Hintergrund der vom EuGH aufgestellten Grundsätze genügt es für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter, dass ein Unternehmer die Möglichkeit hat, Verträge mit Leistungsträgern abzuschließen, infolgedessen diese die Kosten übernehmen bzw. die Kosten auch ohne tatsächlich Übernahme übernehmbar sind (vgl. u.a. ).

  • Entscheidend ist, dass es sich bei den Leistungen, die die Klägerin erbracht hat, um Leistungen handelt, für die die Kosten von Trägern der sozialen Sicherheit übernehmbar sind (vgl. , BFHE 251, 282) und sie somit als geeignete Betreuungskraft im Sinne von § 75 Abs. 2 SGB XII anzusehen ist.

  • Soweit die Leistungen über den Verein abgerechnet wurden, besteht wirtschaftlich lediglich eine über die Gesellschaft durchgeleitete Kostentragung ().

  • Danach muss berücksichtigt werden, dass die Klägerin Mitglied in einem „anerkannten“ Verein zur Erbringung von Betreuungsleistungen war, dessen Kosten von Sozialleistungsträgern getragen worden sind.

  • Bei der Entscheidung berücksichtigt der Senat, wie auch der BFH in dem genannten , dass nicht nur ein Pflegenotstand fortbesteht, sondern auch ein Mangel an Betreuungskräften in allen Bereichen herrscht.

Hinweis:

Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. V R 39/16 anhängig. Das Urteil ist in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Niedersachsen, Presseinformation vom (il)

Fundstelle(n):
NWB NAAAG-43156