Online-Nachricht - Donnerstag, 23.02.2017

Kindergeld | Keine Anrechnung der Conterganrente (FG)

Ein Sozialhilfeträger hat für die stationäre Unterbringung und Betreuung eines contergangeschädigten Kindes Anspruch auf die Abzweigung von Kindergeld, auch wenn das Kind eine Rente nach dem Conterganstiftungsgesetz erhält (; rkr.)

Hintergrund: Nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG a.F. ist für ein Kind über sein 27. Lebensjahr hinaus Kindergeld zu gewähren, wenn es wegen einer vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Existenzminimums eines Erwachsenen und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Erreichen die Einkünfte und Bezüge des Kindes die Summe aus Grundbedarf und behinderungsbedingtem Mehrbedarf nicht, kann sich das Kind nicht selbst unterhalten.

Sachverhalt: Das betroffene Kind ist aufgrund einer Conterganschädigung seit seiner Geburt schwerbehindert. Die Mutter ist verstorben. Der Vater leistet einen Unterhaltsbeitrag von 54,96 EUR im Monat und erhielt das Kindergeld bis 2005 ausgezahlt. Weil das Kind ab Januar 2013 in einem Wohnheim stationär untergebracht und betreut wird, beantragte der für die monatlichen Kosten von ca. 5.000 EUR aufkommende Sozialhilfeträger, ihm das Kindergeld abzuzweigen. Die beklagte Familienkasse lehnte es ab, Kindergeld festzusetzen und an den Sozialhilfeträger abzuzweigen, weil das Kind aufgrund seiner ab Januar 2013 auf monatlich 6.812 EUR erhöhten Conterganrente in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.

Hierzu führten die Richter des FG Baden-Württemberg weiter aus:

  • Entgegen der Auffassung der Familienkasse sind bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kinds die Leistungen der Conterganstiftung, monatliche Leistungen sowie Sonderzahlungen, nicht zu berücksichtigen.

  • Zum einen ergibt sich dies aus § 18 ContStifG, wonach bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem II., III., V. und XII. SGB und dem BGB, Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht bleiben.

  • Zum anderen handelt es sich bei der Conterganrente sowie der Sonderzahlung um Schmerzensgeld mit der Folge, dass die Leistungen nicht zu berücksichtigen sind, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kinds bestimmt oder geeignet sind (vgl. , BStBl. II 2016, 648).

  • Schmerzensgeld hat eine Entschädigungs- und Ausgleichsfunktion über den erlittenen Vermögensschaden hinaus.

  • Auch die Conterganrente dient vorrangig dem Ausgleich des immateriellen Schadens und ist keine Leistung, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

Hinweis:

Das Urteil ist rechtskräftig. Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG Baden Württemberg veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB-Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter Februar 2017 (il)

Fundstelle(n):
NWB JAAAG-38449