BMF - IV B 6 - S 1320/16/10002: 007 BStBl 2016 I S. 806

Merkblatt zum verpflichtenden spontanen Informationsaustausch nach den Vereinbarungen zu Aktionspunkt 5 des Projektes „Base Erosion and Profit Shifting” (Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung) der OECD- und G20-Staaten (BEPS) und Ausblick im Hinblick auf die Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gelten für den verpflichtenden spontanen Informationsaustausch nach den Vereinbarungen zu Aktionspunkt 5 des Projektes „Base Erosion and Profit Shifting” der OECD- und G20-Staaten (BEPS) die nachfolgenden Grundsätze:


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Inhaltsübersicht

A.
Einführung
B.
Rechtsgrundlagen
C.
Sachlicher Anwendungsbereich
D.
Persönlicher Anwendungsbereich
E.
Zeitlicher Anwendungsbereich
F.
Staaten, mit denen ausgetauscht wird
G.
Anhörung
H.
Zeitpunkt der Übermittlung
I.
Verfahren der Übermittlung
J.
Ausblick

Anlagen [1]

  1. Formular für den spontanen Informationsaustausch zu „Rulings” nach BEPS Aktionspunkt 5

  2. OECD Publikation: „Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz, Aktionspunkt 5 – Abschlussbericht 2015”

  3. Liste der OECD- und G20-Staaten und rechtliche Grundlagen für den spontanen Informationsaustausch nach BEPS Aktionspunkt 5

A. Einführung

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat in enger Kooperation mit den G20-Staaten in 2015 zu dem steuerpolitischen Thema BEPS Berichte zu insgesamt 15 Aktionspunkten veröffentlicht. Einzelheiten dazu sind auf der Homepage des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) abrufbar: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2014-06-05-faq-beps.html. BEPS Aktionspunkt 5 (siehe Anlage 2 [2], insbesondere Kapitel 5) widmet sich dem Thema Transparenz im Steuerrecht und sieht unter anderem einen verpflichtenden spontanen Austausch von Informationen zu bestimmten grenzüberschreitenden Steuervorbescheiden und zu Vorabzusagen über Verrechnungspreise vor (sogenannte „Rulings”, Näheres unter C. Sachlicher Anwendungsbereich).

B. Rechtsgrundlagen

Für den spontanen Austausch der Informationen zu „Rulings” mit den OECD- und G20-Staaten [3] sind die im Verhältnis der beteiligten Staaten jeweils geltenden Regelungen anzuwenden. Dazu zählen die EU-Amtshilferichtlinie [4], die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sowie das Gesetz zu dem Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, mit dem das Übereinkommen vom und das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen vom in nationales Recht umgesetzt worden sind [5]. Innerhalb der Europäischen Union (EU) werden künftig zudem die derzeit noch nicht in nationales Recht umgesetzten gesonderten Regelungen für einen automatischen Informationsaustausch in Bezug auf bestimmte „Rulings” in der EU-Amtshilferichtlinie zu beachten sein (siehe hierzu Ausführungen unter J. Ausblick). Im Einzelnen wird auf die als Anlage 3 [6] beigefügte Tabelle zu den derzeit geltenden Rechtsgrundlagen verwiesen.

C. Sachlicher Anwendungsbereich

Der spontane Informationsaustausch betrifft im BEPS Aktionspunkt 5 definierte „Rulings”. Nach BEPS Aktionspunkt 5 sind „Rulings” „alle Empfehlungen, Auskünfte oder Zusicherungen einer Steuerbehörde gegenüber einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einer Gruppe von Steuerpflichtigen in Bezug auf dessen bzw. deren Steuersituation, auf die sich dieser Steuerpflichtige bzw. diese Gruppe von Steuerpflichtigen berufen kann.” Abgabenrechtlich handelt es sich bei den „Rulings” um:

  • verbindliche Auskünfte im Sinne des § 89 Absatz 2 AO,

  • verbindliche Zusagen gemäß § 204 AO oder

  • um die nachfolgend unter Nummer 2 genannten unilateralen Vorabzusagen über Verrechnungspreise als sonstige Verwaltungsakte.

In folgenden Fällen hat sich Deutschland nach BEPS Aktionspunkt 5 verpflichtet, Informationen über erteilte „Rulings”, die zu grenzüberschreitenden Gewinnverkürzungen oder Gewinnverlagerungen führen können, zu übermitteln (vgl. Anlage 2 [7] Abschlussbericht 2015 zu BEPS Aktionspunkt 5 Kapitel 5, II. B, C, D, E und F):

  1. „Rulings” zu Präferenzregimen (Vorzugsbesteuerung) im Sinne des OECD-Forums für schädlichen Steuerwettbewerb: In Deutschland fällt gegenwärtig nur die Tonnagebesteuerung (§ 5a EStG) in den Anwendungsbereich.

  2. Unilaterale Vorabzusagen über Verrechnungspreise (unilaterale Advance Pricing Agreements (APAs)) zwischen international verbundenen Unternehmen gemäß Artikel 9 OECD-Musterabkommen sowie sonstige unilaterale Zusagen zu Verrechnungspreisen; Deutschland erteilt regelmäßig weder unilaterale APAs noch sonstige unilaterale Zusagen zu Verrechnungspreisen. Zur weiteren Erläuterung vgl. das APA Merkblatt ( BStBl 2006 I S. 594).

  3. Unilaterale „Rulings”, die zu einer einseitigen Minderung des zu versteuernden Gewinns in Deutschland führen (vgl. Anlage 2 [8] Abschlussbericht 2015 zu BEPS Aktionspunkt 5 Beispiel in Kapitel 5, II, D. Nummer 115).

  4. „Rulings”, die sich auf das (Nicht-)Vorhandensein von Betriebsstätten bzw. die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten mit grenzüberschreitender Auswirkung beziehen.

  5. „Rulings”, die sich auf Gestaltungen beziehen, bei denen Zahlungen von in Deutschland ansässigen Durchleitungsgesellschaften direkt oder indirekt in einen anderen Staat weitergeleitet werden (vgl. Anlage 2 [9] Abschlussbericht 2015 zu BEPS Aktionspunkt 5 Beispiel in Kapitel 5, II, F. Nummer 119).

D. Persönlicher Anwendungsbereich

Auszutauschen sind grenzüberschreitende „Rulings” in Bezug auf Unternehmen von:

  • natürlichen Personen (Einzelunternehmen),

  • juristischen Personen und

  • Personengesellschaften.

E. Zeitlicher Anwendungsbereich

Im Hinblick auf die Frage, mit welchem Staat Informationen auszutauschen sind und bis wann dieser Austausch zu erfolgen hat, ist zwischen alten „Rulings” und neuen „Rulings” zu unterscheiden.

  1. Alte „Rulings”

    „Rulings”, die ab dem bis erteilt, geändert oder erneuert wurden und am noch gültig waren,

    sowie

    „Rulings”, die ab dem bis erteilt, geändert oder erneuert wurden, unabhängig von ihrer Gültigkeit.

    Ein am gültiges „Ruling” liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige am oder nach dem darauf berufen hat und die Finanzverwaltung an das „Ruling” rechtlich gebunden ist. Dementsprechend liegt ein am gültiges „Ruling” insbesondere dann nicht vor, wenn offenkundig ist, dass das „Ruling” am oder nach dem keine rechtliche Bindungswirkung hat, weil sich die rechtlichen und oder tatsächlichen Gegebenheiten, die dem „Ruling” zugrunde liegen, geändert haben.

  2. Neue „Rulings”

    „Rulings”, die ab dem erteilt, geändert oder erneuert werden, unabhängig von ihrer Gültigkeit.

F. Staaten, mit denen ausgetauscht wird

Erfüllt ein „Ruling” die Voraussetzungen unter C. bis E., prüft die für die Erteilung des „Rulings” zuständige Finanzbehörde, ob das „Ruling” eine grenzüberschreitende Wirkung hat. Ist dies der Fall, sind die Staaten zu bestimmen, die voraussichtlich von dem erteilten „Ruling” betroffen sind.

  1. Der Austausch erfolgt immer mit dem Staat, in dem die unmittelbare Muttergesellschaft ansässig ist, sowie mit dem Staat, in dem die oberste Muttergesellschaft (Konzernspitze) ansässig ist.

    Darüber hinaus erfolgt eine Übermittlung an weitere Staaten entsprechend der sachlichen Einordnung des „Rulings”.

  2. „Rulings” zu Präferenzregimen sind ergänzend zu Nummer 1 mit den Staaten auszutauschen, in denen verbundene Unternehmen ansässig sind, mit denen der Steuerpflichtige Transaktionen durchführt, für die das Präferenzregime gilt. Dies gilt dann, wenn eine mindestens 25 %ige Beteiligung eines verbundenen ausländischen Unternehmens an einem deutschen Unternehmen besteht oder umgekehrt. Entsprechendes gilt für Transaktionen unter Beteiligung von Betriebsstätten.

  3. Bei unilateralen APAs findet der Austausch ergänzend zu Nummer 1 mit dem Staat statt, in dem das verbundene Unternehmen, mit dem der Steuerpflichtige von dem „Ruling” erfasste Transaktionen durchführt, ansässig ist (keine Mindestbeteiligungsgrenze).

  4. Für Gewinnminderungen im Sinne von C. Nummer 3 gilt Nummer 3 entsprechend.

  5. „Rulings” zu dem (Nicht-)Vorhandensein von Betriebsstätten sind ergänzend zu Nummer 1 mit dem Staat auszutauschen, in dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet.

  6. Bei „Rulings”, die eine Durchleitungsgesellschaft betreffen, findet der Austausch ergänzend zu Nummer 1 mit dem Staat statt, in dem das verbundene Unternehmen ansässig ist, welches Zahlungen an die Durchleitungsgesellschaft leistet.

Bei alten „Rulings” im Sinne von E. Nummer 1 ist die Information nur mit den Staaten auszutauschen, die sich anhand der entsprechenden Steuerakten sowie ggf. aus der Sammlung der Konzernverzeichnisse beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ergibt. Eine Mitwirkung des Steuerpflichtigen ist insoweit nicht erforderlich.

Bei neuen „Rulings” im Sinne von E. Nummer 2 muss der Antragsteller vor Erteilung des „Rulings” mitteilen, wo das verbundene Unternehmen sowie die unmittelbare und die oberste Muttergesellschaft seinen bzw. ihren Sitz haben (§ 90 Absatz 2 AO).

Im Übrigen gilt das übliche Verfahren zur spontanen Auskunft (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen – Stand: vom , BStBl 2015 I S. 928 (Amtshilfe-Merkblatt)).

G. Anhörung

Gemäß § 117 Absatz 4 Satz 3 AO hat eine Anhörung des inländischen Beteiligten abweichend von § 91 Absatz 1 AO [10] stets zu erfolgen, es sei denn, es findet ein Informationsaustausch auf Grund des EU-Amtshilfegesetzes statt oder es liegt eine Ausnahme nach § 91 Absatz 2 oder 3 AO vor.

Vor der Erteilung einer Spontanauskunft zu alten „Rulings” im Sinne von E. Nummer 1 ist eine Anhörung durchzuführen. Einwendungen sind mit der Auskunft dem BZSt zu übersenden.

Bei der Erteilung neuer „Rulings” im Sinne von E. Nummer 2 ist der Antragsteller bereits im Rahmen des Antragsverfahrens auf die Übermittlung der Informationen gemäß BEPS Aktionspunkt 5 hinzuweisen und anzuhalten, die Informationen mitzuteilen, wo das verbundene Unternehmen seinen sowie die unmittelbare und die oberste Muttergesellschaft ihren Sitz haben.

H. Zeitpunkt der Übermittlung

Für die Übermittlung der Informationen an das Ausland ist die zuständige Behörde das BZSt. Die Informationen über neue „Rulings” im Sinne von E. Nummer 2 sind unverzüglich, nachdem die „Rulings” erteilt, geändert oder erneuert wurden, durch die zuständigen Landesfinanzbehörden an das BZSt zu übermitteln und von dort unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach Kenntnisnahme von dem „Ruling” durch das BZSt, an die betroffenen Staaten zu übermitteln.

Informationen über alte „Rulings” im Sinne von E. Nummer 1 sind durch die zuständigen Landesfinanzbehörden bis zum an das BZSt und von dort bis zum an die betroffenen Staaten zu übermitteln.

I. Verfahren der Übermittlung

Der spontane Informationsaustausch zu „Rulings” mit den OECD- und G20-Staaten beinhaltet ein zweistufiges Verfahren und erfolgt, wie unter B. beschrieben, nach den jeweils geltenden Regelungen mit den betroffenen Staaten sowie nach den geltenden Regelungen des Amtshilfe-Merkblatts [11] zum spontanen Informationsaustausch.

Konkret ist hierzu in einem ersten Schritt das Formular, welches diesem Merkblatt als Anlage 1 [12] beigefügt ist, durch die zuständige Landesfinanzbehörde auszufüllen und dem BZSt auf dem Dienstweg mit Übersendungsschreiben als Anlage zum EU-Standardformblatt SIF (Spontaneous Exchange of Information) auf elektronischem Weg zu übersenden. Das „Ruling” wird zunächst nicht übersandt. Die weitere Bearbeitung im BZSt erfolgt dann entsprechend der mit den betroffenen Staaten gültigen Rechtsgrundlagen für den Informationsaustausch und getroffenen Vereinbarungen.

Eingehende Spontanauskünfte über „Rulings” aus anderen Staaten werden entsprechend Tz. 1.5.2 Buchstabe d des Amtshilfe-Merkblatts an die zuständigen Landesfinanzbehörden auf elektronischem Weg weitergeleitet und von dort ausgewertet.

In einem zweiten Schritt kann von den OECD- und G20-Staaten, denen durch das BZSt Informationen über ein „Ruling” spontan übermittelt wurden, das „Ruling” selbst erbeten werden. Bei der Beantwortung derartiger Ersuchen und Übersendung der „Rulings” ist der Amtshilfeweg entsprechend Tz. 1.5.2 Buchstabe b des Amtshilfe-Merkblatts einzuhalten. Es ist darauf zu achten, dass bei „Rulings”, die mehrere Staaten betreffen, nur die Angaben, die sich auf den jeweiligen Staat beziehen, mitgeteilt werden.

J. Ausblick

Am wird der automatische Informationsaustausch über „Tax Rulings” mit den EU-Mitgliedstaaten entsprechend der Richtlinie 2011/16/EU, geändert durch die Richtlinie 2015/2376/EU [13] vom , beginnen. Bis Ende 2016 wird das EU-Amtshilfegesetz entsprechend angepasst. Die in diesem Merkblatt vorgesehenen Regelungen werden für den Austausch mit OECD- und G20-Staaten, die nicht zugleich EU-Mitgliedstaaten sind, auch über den hinaus fortgelten.

BMF v. - IV B 6 - S 1320/16/10002: 007


Fundstelle(n):
BStBl 2016 I Seite 806
IStR 2016 S. 982 Nr. 23
QAAAF-81880

1Hier nicht abgedruckt.

2Hier nicht abgedruckt.

3Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Indien, Indonesien, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Mexiko, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Russland, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Südafrika, Südkorea, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika und Volksrepublik China.

4Umgesetzt durch EU-Amtshilfegesetz vom , BGBl. 2013 I S. 1809.

5 BGBl. 2015 II S. 966 vom .

6Hier nicht abgedruckt.

7Hier nicht abgedruckt.

8Hier nicht abgedruckt.

9Hier nicht abgedruckt.

10Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen – Stand: vom , BStBl 2015 I S. 928, Tz. 3.1.2.

11Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen – Stand: vom , BStBl 2015 I S. 928, Tz. 1.5.2 Buchstabe c: „Für ausländische Finanzbehörden bestimmte Auskünfte ohne Ersuchen werden dem BZSt auf dem Dienstweg mit Übersendungsschreiben (EU-Standardformblatt SIF mit Anlage 5a oder 5b) vorgelegt. Die Dienstwegregelungen der Länder sind zu beachten, insbesondere die Ausnahmeregelungen, z. B. wenn der Betroffene nicht angehört wurde oder Einwendungen erhoben hat.”

12Hier nicht abgedruckt.

13ABl. L 332 vom , S. 1.