Online-Nachricht - Freitag, 29.07.2016

Arbeitsrecht | Kündigung wegen Wiederverheiratung - Vorlage an den EuGH (BAG)

Der Zweite Senat des BAG hat entschieden, den EuGH um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zu ersuchen ( (A)) .

Sachverhalt und Verfahrensgang: Der katholische Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin, Trägerin mehrerer Krankenhäuser und institutionell mit der römisch-katholischen Kirche verbunden, seit dem Jahr 2000 als Chefarzt beschäftigt. Den Dienstvertrag schlossen die Parteien unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom . Nach deren Art. 5 Abs. 2 handelte es sich beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Die Weiterbeschäftigung war grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Loyalitätsverstoß von einem leitenden Mitarbeiter begangen wurde. Zu diesen zählen nach kirchlichem Recht auch Chefärzte. Der Kläger heiratete nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau im Jahr 2008 ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis. Hiergegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Bei evangelischen Chefärzten bleibe eine Wiederheirat ohne arbeitsrechtliche Folgen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das die Revision der Beklagten zurückweisende - hat das - aufgehoben und die Sache an das BAG zurückverwiesen. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Das BAG legt dem EuGH folgende Fragen vor:

  1. Ist Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) dahin auszulegen, dass die Kirche für eine Organisation wie die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits verbindlich bestimmen kann, bei einem an Arbeitnehmer in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten zwischen Arbeitnehmern zu unterscheiden, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören?

  2. Sofern die erste Frage verneint wird:

    a) Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 9 Abs. 2 AGG, wonach eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Konfessionszugehörigkeit der Arbeitnehmer entsprechend dem jeweiligen Selbstverständnis der Kirche gerechtfertigt ist, im vorliegenden Rechtsstreit unangewendet bleiben?

    b) Welche Anforderungen gelten gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der RL 2000/78/EG für ein an die Arbeitnehmer einer Kirche oder einer der dort genannten anderen Organisationen gerichtetes Verlangen nach einem loyalen und aufrichtigen Verhalten im Sinne des Ethos der Organisation?

Quelle: BAG, Pressemitteilung Nr. 39/16 v. (Sc)

Fundstelle(n):
NWB AAAAF-78797