Online-Nachricht - Mittwoch, 03.06.2009

Billigkeitsregelung | Erlass von Nachzahlungszinsen bei unrichtigen Endrechnungen (BFH)

Eine Billigkeitsregelung der Verwaltung, wonach Nachzahlungszinsen aus sachlichen Gründen zu erlassen sind, wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung, die eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG auslöst, in einem auf das Kalenderjahr der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich berichtigt hat, bindet die Gerichte nicht (; veröffentlicht am ).


Wird eine Steuer unrichtig angemeldet oder durch Bescheid festgesetzt oder treten nach der Festsetzung Tatsachen ein, die steuerrechtlich zurückwirken und daher die bereits getroffene Steuerfestsetzung nachträglich als unrichtig erscheinen lassen, so ist in der Regel nach näherer Maßgabe der §§ 173 und 175 AO die Steuerfestsetzung mit der Wirkung zu berichtigen, dass die "richtige" Steuer als von Anfang an festgesetzt gilt. Bei der Umsatzsteuer, die in aller Regel in einem durch monatliche Steuerfestsetzungen gekennzeichneten Dauerschuldverhältnis entsteht, hat sich der Gesetzgeber in § 17 UStG für eine hiervon abweichende steuerverfahrensrechtliche Behandlung entschieden: die unrichtige Steuerfestsetzung soll erst in dem Besteuerungszeitraum korrigiert werden, in dem sie festgestellt wird oder in dem die steuerlich rückwirkende Tatsache eintritt (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). Bis dahin schuldet der Unternehmer die Umsatzsteuer.

Hierzu führt das Gericht weiter aus: Eine aufgrund unzutreffenden Steuerausweises in einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 2 UStG entstandene nicht entrichtete Steuer ist zu verzinsen (§ 233a AO). Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg auf das NWB GAAAA-82558 (vgl. nunmehr Nr. 70.2.3 AEAO zu § 233a AO), wonach Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen "zu erlassen sind", wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung, die eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG auslöst, in einem auf das Kalenderjahr der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich berichtigt hat. Bei dieser "Billigkeitsmaßnahme" handelt es sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Derartige Verwaltungsvorschriften können unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) bei der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen von Bedeutung sein. Das gilt aber nur, wenn die getroffene Regelung Recht und Billigkeit entspricht. Dass ist hier nicht der Fall. Denn eine rückwirkende Berichtigung unzutreffend ausgewiesener Steuer, wie sie die o.g. Billigkeitsregelung im Ergebnis anordnet, widerspricht dem Regelungszweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit § 17 Abs. 1 UStG. Ein aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitender Anspruch gegenüber einer Behörde auf Fortführung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis besteht nicht.

Quelle: BFH online

Anmerkung der NWB Redaktion: Im Streitfall beruhte die Umsatzsteuernachzahlung auf dem Ausweis von Umsatzsteuer in einer Endrechnung, die in Abschlagsrechnungen bereits ausgewiesen war. Für diese Fälle sieht die Finanzverwaltung bezüglich der Zinserhebung eine Billigkeitsregelung vor (zuletzt in Nr. 70.2.3 des AEAO zu § 233a AO). Diese Regelung hatte das Finanzamt im Streitfall grundsätzlich angewandt, kam jedoch dabei nicht zu dem vollständigen Billigkeitserlass der Steuerzinsen. Nur diese Differenz ist Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Der Entscheidung des BFH ist indes zu entnehmen, dass der Senat die Billigkeitsregelung, welche die Finanzverwaltung gewährt, insgesamt nicht für gerechtfertigt hält. Dies sollte neben weiteren zutage getretenen Ungereimtheiten und Überbelastungen durch die Zinsregelung in § 233a AO (dazu gehört neben der überholten Höhe der Steuerzinsen die Diskrepanz zwischen der Besteuerung der Zinserträge und dem Abzugsverbot, soweit nicht absetzbare Steuern - neuerdings auch die Gewerbesteuer - betroffen sind) Anlass dafür sein, die gesetzliche Zinsregelung sachgerechter zu gestalten.

 

Fundstelle(n):
NWB YAAAF-45348