Reiserecht | Keine Ausgleichszahlung für Flugannullierung wegen Pilotenstreiks (BGH)
Die nach der Fluggastrechteverordnung vorgesehene pauschale Ausgleichsleistung i.H.v. 600 Euro/Fluggast ist von der Fluggesellschaft nicht zu zahlen, wenn die Annullierung des Fluges auf einem von der Vereinigung Cockpit angekündigten Pilotenstreiks beruht ( sowie X ZR 146/11).
Hintergrund: Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung entfällt die Verpflichtung zur Zahlung der o.g. pauschalen Ausgleichszahlung, wenn eine Annullierung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn das Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte.
Sachverhalt: Die Kläger verlangen Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung, weil ihre Flüge von Miami nach Deutschland von der beklagten Lufthansa AG wegen eines Streikaufrufs der Vereinigung Cockpit annulliert und umgebucht worden waren. Gegenstand der Klagen waren nicht die Unterstützungsleistungen (Mahlzeiten, Hotelunterbringung), die das Luftverkehrsunternehmen bei Annullierung eines Flugs anbieten muss, sondern die Beurteilung der Frage, ob die Lufthansa auch die pauschale Ausgleichsleistung in Höhe von 600 Euro je Fluggast zu zahlen hat, die die Fluggastrechteverordnung grundsätzlich vorsieht, wenn ein Interkontinentalflug annulliert wird.
Hierzu führten die Richter des BGH u.a. weiter aus: "Außergewöhnliche Umstände" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung können anzunehmen sein, wenn der Flugplan eines Luftverkehrsunternehmens infolge eines Streiks ganz oder zu wesentlichen Teilen nicht wie geplant durchgeführt werden kann. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Zweck der Vorschrift. Eine solche Auslegung steht in Einklang mit der bisherigen EuGH-Rechtsprechung. Maßgeblich ist, ob die Annullierung auf ungewöhnliche, außerhalb des Rahmens der normalen Betriebstätigkeit des Luftverkehrsunternehmens liegende und von ihm nicht zu beherrschende Gegebenheiten zurückgeht. Dabei spielt es bei einem Streik grundsätzlich keine Rolle, ob der Betrieb des Unternehmens durch eine Tarifauseinandersetzung zwischen Dritten oder eine Auseinandersetzung mit eigenen Mitarbeitern beeinträchtigt wird. Ein Streikaufruf einer Gewerkschaft wirkt "von außen" auf das Luftverkehrsunternehmen ein und ist nicht Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, die durch den Streik als Arbeitskampfmittel gerade gezielt beeinträchtigt oder gar lahm gelegt werden soll. Eine solche Situation ist in aller Regel von dem betroffenen Luftverkehrsunternehmen auch nicht beherrschbar, da die Entscheidung zu streiken, von der Arbeitnehmerseite im Rahmen der ihr zukommenden Tarifautonomie und damit außerhalb des Betriebs des ausführenden Luftverkehrsunternehmens getroffen wird.
Anmerkung: Der BGH hat im Verfahren X ZR 146/11 die Revision der Kläger zurückgewiesen, weil das LG Frankfurt bereits festgestellt hat, dass die Lufthansa mit einem Sonderflugplan geeignete und zumutbare Maßnahmen ergriffen hatte, um Annullierungen infolge des Streiks auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Die Vorinstanz hat somit rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Absage des Fluges der Kläger nicht zu vermeiden war. Im Verfahren X ZR 138/11 konnte der BGH dagegen nicht abschließend über die geltend gemachten Ausgleichsansprüche entscheiden, da vom LG Köln noch Feststellungen zu den von der Lufthansa ergriffenen Maßnahmen zu treffen sind.
Quelle: BGH, Pressemitteilung v.
Fundstelle(n):
NWB JAAAF-44488