Online-Nachricht - Donnerstag, 07.07.2011

Arbeitsrecht | Betriebsratsstellungnahme zur Massenentlassung in Insolvenz ersetzbar (BAG)

Im Insolvenzfall ersetzt ein zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat zustande gekommener Interessenausgleich die an die Agentur für Arbeit gerichtete Stellungnahme des Betriebsrats, wenn in dem Interessenausgleich die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind ().

Sachverhalt: Die Klägerin war seit Februar 2006 in Leipzig in einem von 47 Modefachgeschäften der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Am wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse unter der Aufsicht eines Sachwalters angeordnet. Zur wirtschaftlichen Sanierung plante die Beklagte ua. die Schließung von 24 Filialen. Am lud der Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Gesamtbetriebsrats in Abstimmung mit der Beklagten die Betriebsratsvorsitzenden der Filialen und ihre Stellvertreter zu einer Betriebsräteversammlung am nach Hamm ein. Als Tagesordnungspunkte waren ua. Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen vorgesehen. Außerdem wurde im Einladungsschreiben die Übergabe der Anhörungen zu den Kündigungen durch die Beklagte angekündigt. Am kam zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Beklagten mit Zustimmung des Sachwalters ein Interessenausgleich zustande, in dem ua. die Schließung der Filiale Leipzig vorgesehen war und in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden sollte, namentlich bezeichnet waren. Da der Betriebsratsvorsitzende der Filiale Leipzig nicht zur Betriebsräteversammlung in Hamm erschienen war, händigte dort die Beklagte seiner Stellvertreterin das Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin aus. Ihrer Massenentlassungsanzeige vom fügte die Beklagte den mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommenen Interessenausgleich bei und kündigte nach Eingang des Bescheids der Agentur für Arbeit das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit einem Schreiben vom ordentlich zum . Die Klägerin hat gemeint, die Kündigung sei unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Beklagte hätte das Anhörungsschreiben dem Betriebsratsvorsitzenden übergeben müssen. Die Massenentlassung habe die Beklagte der Agentur für Arbeit nicht ordnungsgemäß angezeigt, weil sie ihrer Anzeige keine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der Filiale Leipzig beigefügt habe. Die Kündigungsschutzklage der Klägerin hatte wie in den Vorinstanzen auch vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Dazu führt das BAG weiter aus: Der Vorsitzende des Betriebsrats der Filiale Leipzig war am mangels Teilnahme an der Betriebsräteversammlung in Hamm tatsächlich verhindert, das Anhörungsschreiben zur Kündigung entgegenzunehmen. Deshalb war seine Stellvertreterin nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zur Entgegennahme berechtigt, und das Anhörungsschreiben ist dem Betriebsrat der Filiale Leipzig am zugegangen. Die Beklagte hat die Kündigung vom damit erst nach Ablauf der Frist von einer Woche erklärt, innerhalb der ein Betriebsrat dem Arbeitgeber Bedenken gegen eine beabsichtigte ordentliche Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG mitteilen kann. Eine Stellungnahme des örtlichen Betriebsrats der Filiale Leipzig musste die Beklagte ihrer Massenentlassungsanzeige nicht beifügen. Für ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung gelten nach § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO grundsätzlich die gleichen Vorschriften wie für ein Regelinsolvenzverfahren. Maßgebend ist, dass der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Abschluss des betriebsübergreifenden Interessenausgleichs zuständig war und in diesem die Arbeitnehmer namentlich bezeichnet waren, denen gekündigt werden sollte. Damit hat der mit dem Gesamtbetriebsrat zustande gekommene Interessenausgleich gemäß § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt.

Quelle: BAG, Pressemitteilung 57/11

 

Fundstelle(n):
NWB GAAAF-17425