Online-Nachricht - Dienstag, 19.11.2013

Gesellschaftsrecht | Zu den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft (BGH)

Der BGH hat in zwei Fällen entschieden, dass bei einer sog. mehrgliedrigen stillen Gesellschaft die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass ein stiller Gesellschafter von dem Geschäftsinhaber Ersatz von Vermögensschäden, die ihm im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs verlangen kann, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist ( und II ZR 383/12).

Hintergrund: Nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft ist es einem Gesellschafter grds. verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückabwicklung der Beteiligung und Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen (s. hierzu auch Haack, NWB HAAAE-16045).
Sachverhalt: Die Kläger haben sich neben einer Vielzahl anderer Anleger als atypisch stille Gesellschafter an der in beiden Verfahren verklagten Aktiengesellschaft beteiligt, die im Leasinggeschäft tätig ist. Sie begehren unter Berufung auf eine fehlerhafte Aufklärung im Zusammenhang mit ihren Beitrittserklärungen in erster Linie im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung ihrer Einlagen.
Hierzu führte der BGH weiter aus:

  • Zwischen der Aktiengesellschaft und allen stillen Gesellschaftern ist eine sog. mehrgliedrige stille Gesellschaft begründet worden, bei der nicht lediglich eine Vielzahl voneinander unabhängiger, bloß zweigliedriger stiller Gesellschaftsverhältnisse zwischen den jeweiligen Anlegern und der Aktiengesellschaft, sondern ein einheitliches Gesellschaftsverhältnis zwischen allen Beteiligten besteht.

  • Auf eine solche Gestaltung sind nach Invollzugsetzung der Gesellschaft wegen des schutzwürdigen Bestandsinteresses der Beteiligten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden.

  • Das schließt einen Schadensersatzanspruch eines fehlerhaft beigetretenen Anlegers jedoch nicht von vornherein aus.

  • Wegen der durch die tatsächliche Invollzugsetzung der fehlerhaften Gesellschaft bewirkten gesellschaftsrechtlichen Bindung kann zwar im Wege des Schadensersatzes nicht die Rückabwicklung der Beteiligung verlangt werden. Der fehlerhaft beigetretene Anleger kann aber die Gesellschaft unter Berufung auf den Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung mit der Folge beenden, dass ihm ein nach den gesellschaftsvertraglichen Regeln zu berechnender Anspruch auf ein Abfindungsguthaben zusteht.

  • Soweit dem geschädigten Anleger unter Berücksichtigung seines (etwaigen) Abfindungsguthabens ein Anspruch auf Ersatz eines weitergehenden Schadens verbleibt, ist er, um die gleichmäßige Befriedigung der Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht zu gefährden, an dessen Durchsetzung nur gehindert, wenn und soweit das Vermögen des Geschäftsinhabers zur Befriedigung der (hypothetischen) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der anderen stillen Gesellschafter nicht ausreicht.

Anmerkung: Da die Abweisung der Klagen auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen im Streitfall keinen Bestand haben konnte, hat der Bundesgerichtshof die Verfahren zur weiteren Aufklärung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.
Quelle: BGH, Pressemitteilung v.
 

Fundstelle(n):
NWB ZAAAF-10583