BAG Urteil v. - 1 AZR 775/10

Arbeitskampf - Wechsel in OT-Mitgliedschaft vor Warnstreik - Schadensersatz

Leitsatz

Wechselt ein Unternehmen innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen wirksam von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft, kann die Gewerkschaft grundsätzlich nicht mehr zur Durchsetzung ausschließlich verbandsbezogener Tarifforderungen zu einem Warnstreik in diesem Unternehmen aufrufen, wenn sie über den Statuswechsel rechtzeitig vor Beginn der beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahme unterrichtet wurde.

Gesetze: Art 9 Abs 3 GG, § 3 TVG, § 823 Abs 1 BGB, § 26 BGB, § 31 BGB

Instanzenzug: Az: 33 Ca 14015/09 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 8 Sa 446/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Warnstreiks.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das Verpackungen und Packungsbeilagen für Pharma-Produkte herstellt. Sie beschäftigt rund 160 Arbeitnehmer, von denen etwa 120 in der Produktion tätig sind. Bis zum war sie Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband Druck und Medien Hessen e. V. (VDMH). In dessen Satzung ist Folgendes bestimmt:

3Die Klägerin wechselte mit Wirkung vom innerhalb des VDMH in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft), nachdem der Geschäftsführende Vorstand ihrem Antrag im Umlaufverfahren zugestimmt hatte. Zum wurde sie zudem Mitglied im Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen Mitte e.V. (VPU). Dies wurde ihr mit Schreiben des VPU vom bestätigt. Die Beklagte ist Tarifpartner beider Verbände.

4Mit Schreiben vom unterrichtete der VPU die Beklagte darüber, dass auf Antrag der Klägerin deren Mitgliedschaft im VDMH in eine solche ohne Tarifbindung umgewandelt worden und sie seit dem zudem tarifgebundenes Mitglied des VPU sei. Am fand ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Geschäftsführer des VPU sowie Vertretern der Beklagten statt. In dessen Verlauf wurde die Beklagte vom Geschäftsführer der Klägerin über den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft informiert. Der VDMH unterrichtete die Beklagte erst mit Schreiben vom über den zum vollzogenen Statuswechsel.

5Die Beklagte kündigte am zum den mit dem VDMH geschlossenen Entgelttarifvertrag. Im Anschluss daran kam es am zu ersten gemeinsamen Verhandlungen der Tarifvertragsparteien. Nachdem diese bis zum nicht zu einem Tarifabschluss geführt hatten, rief die Beklagte Ende Mai 2009 ihre Mitglieder in verschiedenen Betrieben zu Arbeitskampfmaßnahmen auf.

6Mit Schreiben vom teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe davon Kenntnis erlangt, dass die Klägerin seit dem OT-Mitglied im VDMH sowie seit dem ordentliches Mitglied im VPU sei. Eine Bestätigung durch den für sie zuständigen Tarifvertragspartner liege jedoch noch nicht vor. Die Klägerin sei daher an das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden.

Am wurden die Mitarbeiter der Klägerin in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr zu einem Warnstreik aufgerufen. In dem Streikaufruf heißt es unter der Überschrift „Lohn- und Gehaltsrunde 2009 Druckindustrie und Zeitungsverlage“:

8Diesem Streikaufruf sind alle in der Produktion an diesem Tag tätigen Arbeitnehmer der Klägerin gefolgt. Am einigten sich die Tarifvertragsparteien auf einen Tarifabschluss.

9Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz wegen des streikbedingten Produktionsausfalls und der damit verbundenen Kosten für die Fremdvergabe von Aufträgen. Sie hat geltend gemacht, der Warnstreik sei rechtswidrig gewesen. Wie der Beklagten bekannt gewesen sei, habe sie dem VDMH nur noch als nicht tarifgebundenes Mitglied angehört. Vielmehr sei sie in den VPU eingetreten und habe dort eine Mitgliedschaft mit Tarifbindung begründet, weil dieser Verband sachnäher sei und ihre Wettbewerber dort gleichfalls organisiert seien. Der durch den rechtswidrigen Streik bedingte Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei schuldhaft erfolgt, weil der Beklagten die maßgeblichen Umstände, die zu dessen Rechtswidrigkeit führten, bekannt gewesen seien. Infolge des Streiks sei ihr ein Schaden in Höhe von 34.510,88 Euro entstanden.

Die Klägerin hat beantragt,

11Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Information über den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft sei unzureichend gewesen. Belastbare schriftliche Nachweise seien ihr nicht vorgelegt worden. Überdies verletze das von der Klägerin betriebene „Verbandshopping“ den Grundsatz der Kampfparität. Unabhängig davon sei der Streik als sog. Partizipationsstreik zulässig. Aufgrund der von der Klägerin verwendeten arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln seien auch nach dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft und dem Beitritt zum VPU für einen erheblichen Teil der Belegschaft die Tarifverträge für die Druckindustrie anwendbar geblieben. Der Warnstreik sei jedenfalls als Unterstützungsstreik zulässig gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihr Zahlungsbegehren weiter.

Gründe

13Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch den Warnstreik vom entstanden ist. Diese Arbeitskampfmaßnahme war rechtswidrig. Die Klägerin war bei Streikbeginn nicht mehr Mitglied mit Tarifbindung im VDMH. Hierüber war die Beklagte zuvor von der Klägerin hinreichend unterrichtet worden. Bei der als Warnstreik angekündigten und durchgeführten Arbeitskampfmaßnahme handelt es sich weder um einen Partizipationsstreik gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber noch um einen Unterstützungsstreik.

14I. Die Klägerin ist mit Wirkung vom innerhalb des VDMH rechtswirksam von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt.

151. Die Begründung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung innerhalb eines Arbeitgeberverbandes ist grundsätzlich möglich.

16a) Die Tarifgebundenheit ist auf Arbeitgeberseite die Eigenschaft eines Unternehmens und nicht etwa eine Frage der Tarifzuständigkeit des Verbands selbst. Nicht jedes vereinsrechtliche Mitglied einer tarifvertragschließenden Koalition ist notwendig tarifgebunden iSd. § 3 Abs. 1 TVG ( - Rn. 27 mwN, BAGE 130, 264). Die Satzung des Verbandes kann selbst definieren, auf welche Weise eine Mitgliedschaft iSd. § 3 Abs. 1 TVG begründet und beendet werden kann. Wegen der an die Tarifgebundenheit anknüpfenden Rechtswirkungen gegenüber Dritten ist es jedoch erforderlich, dass die Verbandsmitgliedschaft mit Tarifbindung iSv. § 3 Abs. 1 TVG von einer solchen ohne Tarifbindung eindeutig abgrenzbar ist. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert im Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen und deren normative Wirkung für hiervon betroffene Dritte grundsätzlich den Gleichlauf von Verantwortung und Betroffenheit bzgl. der tariflichen Vereinbarungen. Dies legitimiert die Unterwerfung der Mitglieder der Tarifvertragsparteien unter die Normen des Tarifvertrags und ist Grundlage der Angemessenheitsvermutung der in Tarifverträgen ausgehandelten Mindestarbeitsbedingungen ( - Rn. 28, aaO; - 4 AZR 419/07 - Rn. 65, BAGE 127, 27).

17b) Notwendige Voraussetzung einer wirksamen OT-Mitgliedschaft ist, dass die Verbandssatzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung nicht lediglich die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Sie muss darüber hinaus für Tarifangelegenheiten eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vorsehen. Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen ist unzulässig. Diese dürfen daher nicht in Tarifkommissionen entsandt werden, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten und nicht in Aufsichtsorganen mitwirken, die Streikfonds verwalten. Zudem sind sie von Abstimmungen auszuschließen, in denen die tarifpolitischen Ziele festgelegt oder Ergebnisse von Tarifverhandlungen angenommen werden. OT-Mitgliedern stehen allerdings die allgemeinen Mitwirkungsrechte eines „gewöhnlichen“ Vereinsmitglieds zu, die keinen originären Bezug zur Tarifpolitik des Verbands haben. Die Beteiligung an der Erörterung tarifpolitischer Fragen mit beratender Stimme ist ebenfalls unbedenklich. Dem Verband ist es nicht verwehrt, sich durch Dritte, die an die tarifpolitischen Entscheidungen nicht gebunden sind, beraten zu lassen ( - Rn. 29, BAGE 130, 264; - 4 AZR 419/07 - Rn. 38 f. mwN, BAGE 127, 27).

182. Die Satzung des VDMH entspricht diesen Anforderungen.

19a) In § 3 Abs. 1 der Satzung wird zwischen der Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung unterschieden. Nach § 5 Abs. 7 Unterabs. 4 der Satzung ist das Recht, in der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben, für Mitglieder ohne Tarifbindung ausgeschlossen, soweit es im Zusammenhang mit sozialpolitischen Angelegenheiten sowie Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten wahrgenommen werden soll. Zudem können Mitglieder ohne Tarifbindung keine Funktionen im Verband übernehmen, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen. Nach § 11 Abs. 2 der Satzung steht in der Mitgliederversammlung in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten das Stimmrecht nur Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Mitglieder ohne Tarifbindung können nur beratend mitwirken. Auch sind in der Mitgliederversammlung in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten nur Mitglieder mit Tarifbindung antragsberechtigt. Die nach § 15 Abs. 3 der Satzung vom Gesamtvorstand zu benennenden Delegierten des Verbandes im Hauptvorstand des Bundesverbandes Druck und Medien e.V. müssen Mitglieder mit Tarifbindung sein. Gem. § 16 Abs. 2 der Satzung müssen mindestens die Hälfte der drei stimmberechtigten Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands, darunter der Vorsitzende, einem Unternehmen angehören, das tarifgebundenes Mitglied ist. Wird in dem Verband ein Ausschuss für Angelegenheiten der Tarifpolitik und des Arbeitskampfes gebildet, können diesem gem. § 20 Abs. 1 der Satzung als Mitglieder nur Personen aus Unternehmen mit Tarifbindung angehören.

20b) Durch diese Regelungen ist ausreichend sichergestellt, dass lediglich die tarifgebundenen Mitglieder des Verbands Einfluss auf die Tarifpolitik nehmen können. Dem steht nicht entgegen, dass die Satzung des VDMH nicht ausdrücklich für den Fall des Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft den Verlust von Funktionen vorsieht, die im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen. Darauf kommt es nicht an, weil die Satzung in diesem Sinne auszulegen ist. Den aufgeführten Regelungen ist zu entnehmen, dass die tarifpolitische Willensbildung nur den Mitgliedern mit Tarifbindung vorbehalten ist. Das hat zur Folge, dass mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft auch der automatische Verlust eines vorher wahrgenommenen Amts verbunden ist, in dem Angelegenheiten der Tarif- oder Arbeitskampfpolitik wahrgenommen worden sind (so auch für die vergleichbare Satzung des VDMB  - Rn. 43 mwN, BAGE 127, 27).

21c) Soweit nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung zum Ausgleich wirtschaftlicher Schäden bei Arbeitskämpfen nach Maßgabe von Richtlinien, die von der Mitgliederversammlung beschlossen werden, eine Gefahrengemeinschaft der Mitglieder gebildet wird, steht dies der Annahme einer wirksamen OT-Mitgliedschaft nicht entgegen.

22aa) Allerdings muss eine Verbandssatzung, die eine OT-Mitgliedschaft vorsieht, ausschließen, dass Mitglieder ohne Tarifbindung in Aufsichtsorganen mitwirken, die einen Streikfonds verwalten und damit über Geldmittel verfügen, die im Arbeitskampf um einen Tarifvertrag eingesetzt werden können und sollen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Unterstützung des Arbeitskampfes durch Beiträge oder sonstige Mittel, die auch von OT-Mitgliedern aufgebracht werden. Das ist tarifrechtlich unbedenklich, soweit die finanzielle Förderung nicht mit einer Entscheidung über die Verwendung dieser Mittel für konkrete Arbeitskampfmaßnahmen einhergeht (vgl.  - Rn. 38 f. mwN, BAGE 130, 264; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden, vgl.  - AP GG Art. 9 Nr. 146 = EzA GG Art. 9 Nr. 102).

23bb) Nach der Satzung des VDMH haben dessen OT-Mitglieder keinen Einfluss auf die Verwendung der Mittel der Gefahrengemeinschaft des VDMH. Hierfür sind nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung von der Mitgliederversammlung Richtlinien zu beschließen. Da ein solcher Beschluss eine Tarif- und Arbeitskampfangelegenheit betrifft, steht nach § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung hierbei das Stimmrecht nur Mitgliedern mit Tarifbindung zu. Eine rechtliche Einflussnahme ist damit ausgeschlossen. Dass die tarifgebundenen Mitglieder durch die Beiträge der OT-Mitglieder mittelbar im Arbeitskampf unterstützt werden können, ist unerheblich ( - Rn. 35, BAGE 127, 27).

24cc) Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den Inhalt der von der Mitgliederversammlung beschlossenen Arbeitskampfrichtlinien nicht aufgeklärt, so dass unklar sei, ob diese zwischen Mitgliedern mit Tarifbindung und OT-Mitgliedern trennen, ist schon unzulässig.

25(1) Zwar konnte die Beklagte als Revisionsbeklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Verfahrensrügen („Gegenrügen“) erheben. Diese dienen dazu, ungünstige Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die nach dessen Rechtsauffassung für den Revisionsbeklagten keine Bedeutung hatten, ihm aber unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zum Nachteil gereichen können, zu beseitigen (vgl.  - zu III 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 278 = EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 123). Wird eine Verletzung der dem Landesarbeitsgericht obliegenden Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) gerügt, reicht es allerdings nicht aus, pauschal auf die Verletzung der Aufklärungspflicht hinzuweisen. Es muss vielmehr im Einzelnen vorgetragen werden, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht aufgrund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen, und welche weiteren erheblichen Tatsachen die rügeführende Partei dann in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung möglicherweise für das Urteil kausal war ( - Rn. 55, DB 2012, 1690; - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

26(2) Diesen Anforderungen wird die Gegenrüge der Beklagten nicht gerecht. Sie hat schon die mögliche Entscheidungserheblichkeit der bei dem VDMH bestehenden Arbeitskampfrichtlinien nicht dargetan. Dazu hätte die Beklagte zumindest Anhaltspunkte dafür benennen müssen, dass sich aus diesem Regelwerk eine unzulässige Einflussnahme der OT-Mitglieder auf die Arbeitskampfmaßnahmen des Verbands ergibt.

273. Der Wechsel der Klägerin in eine OT-Mitgliedschaft ist fristgerecht erfolgt. Aufgrund ihrer Satzungsautonomie steht den Verbänden das Recht zu, die Fristen für den Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine ohne Tarifbindung frei zu bestimmen. Dazu gehört auch die Freiheit, die Fristen für einen Austritt aus dem Verband und die für einen Statuswechsel innerhalb des Verbands unterschiedlich zu bemessen ( - Rn. 46, BAGE 127, 27). Nach § 3 Abs. 3 der Satzung ist der Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung jederzeit mit sofortiger Wirkung möglich. Demzufolge ist der zum vollzogene Statuswechsel in eine OT-Mitgliedschaft termingerecht vollzogen worden.

284. Über den Statuswechsel innerhalb des VDMH hat das zuständige Organ entschieden. Die Entscheidung hierüber hatte nach § 3 Abs. 3 der Satzung der Geschäftsführende Vorstand zu treffen. Dieser ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 der Satzung Vorstand iSd. § 26 BGB. Nach § 28 iVm. § 32 Abs. 2 BGB kann der Vorstand ohne Versammlung der Mitglieder wirksam Beschlüsse mit schriftlicher Zustimmung aller Mitglieder fassen (Schöpflin in Bamberger/Roth BGB 3. Aufl. § 28 Rn. 5; MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 28 Rn. 3). Gegen die im Umlaufverfahren beschlossene Statusänderung bestehen deshalb keine satzungsrechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat dies auch nicht gerügt oder geltend gemacht, der Beschluss des Geschäftsführenden Vorstands sei nicht einstimmig erfolgt.

295. Ihren Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH hat die Klägerin vor dem Kampfaufruf der Beklagten hinreichend offengelegt.

30a) Ein kurzzeitiger Statuswechsel innerhalb eines Arbeitgeberverbands von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen beeinträchtigt ungeachtet der vereinsrechtlichen Zulässigkeit die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie. So kann eine Gewerkschaft bei Aufnahme der Tarifverhandlungen darauf vertrauen, dass diejenigen Arbeitgeber, die bei Verhandlungsbeginn Mitglied des an den Tarifverhandlungen beteiligten Arbeitgeberverbands sind, an den auszuhandelnden Tarifvertrag gebunden sein werden ( - Rn. 65, BAGE 127, 27). Hieran orientieren sich ua. gewerkschaftliche Tarifforderungen und etwaige Arbeitskampfvorbereitungen. Der Gewerkschaft muss deshalb bei einem Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine solche ohne Tarifbindung innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen die Möglichkeit eröffnet werden, zu überprüfen, ob sich hierdurch die Verhandlungssituation und die Rahmenbedingungen für den geplanten Tarifabschluss wesentlich geändert haben. Andernfalls ist der erfolgte Statuswechsel tarifrechtlich wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB unwirksam ( - Rn. 26 f. mwN, BAGE 132, 10). Zur Vermeidung dieser Rechtsfolge hat der Arbeitgeberverband oder der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft rechtzeitig über die erfolgte Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung in Kenntnis zu setzen ( - Rn. 29 - 31, aaO; - 4 AZR 419/07 - Rn. 64 ff., aaO). Zwar mag eine Gewerkschaft - insbesondere wenn es während laufender Tarifverhandlungen zu einer Häufung von sog. Blitzwechseln kommt - gezwungen sein, ihre Kampftaktik zu ändern. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird sie hierdurch jedoch nicht dauerhaft kampfunfähig, sondern kann von den wechselnden Arbeitgebern den Abschluss von Firmentarifverträgen verlangen. Soweit sie hieran gehindert ist, weil der Arbeitgeber nicht nur in eine OT-Mitgliedschaft in seinem bisherigen Verband gewechselt ist, sondern zusätzlich einem anderen tarifzuständigen Verband beigetreten ist, mit dem die kampfführende Gewerkschaft durch Tarifverträge verbunden ist, ist diese Beschränkung Folge der aus diesem Tarifvertragsabschluss resultierenden Friedenspflicht, die mit dem Statuswechsel innerhalb eines anderen Verbands in keinem Zusammenhang steht.

31b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte durch den Wechsel der Klägerin von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH nicht in ihrer Tarifautonomie beeinträchtigt worden.

32aa) Hierbei kann offenbleiben, ob der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft - wie die Klägerin meint - bereits vor Aufnahme oder erst während laufender Tarifverhandlungen erfolgt ist. Zwar ist die Klägerin seit dem Mitglied ohne Tarifbindung im VDMH und die ersten gemeinsamen Tarifverhandlungen haben nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erst danach, nämlich am begonnen. Ob sich der Beginn von Tarifverhandlungen nach der Aufnahme gemeinsamer Gespräche oder eher funktional bereits nach dem Zeitpunkt der erstmaligen Übermittlung von Tarifforderungen bestimmt, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte war durch das Schreiben des VPU - einem anderen Tarifpartner der Beklagten - vom und durch die Klägerin selbst in dem am stattgefundenen Gespräch zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Geschäftsführer des VPU einerseits und dem Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst, Industrie und dem Bezirkssekretär der Beklagten andererseits über den erfolgten Statuswechsel zu einem Zeitpunkt informiert worden, in dem die Tarifvertragsverhandlungen noch andauerten.

33bb) Diese Unterrichtung war vor dem Kampfaufruf am erfolgt. Sie war entgegen der Auffassung der Beklagten ausreichend und hinreichend konkret.

34(1) Deren Einwand aus der Revisionsbeantwortung, es sei offengeblieben, wer die Beklagte auf den Statuswechsel hingewiesen habe, ist unzutreffend. Die Klägerin hat im zweiten Rechtszug von der Beklagten nicht bestritten und damit mit der Rechtsfolge des § 138 Abs. 3 ZPO dargelegt, dass die Unterrichtung durch den Geschäftsführer der Klägerin erfolgt sei. Die Information ist keineswegs „vage“ gehalten, wie die Beklagte meint, sondern hinreichend klar durch das vertretungsberechtigte Organ der Klägerin erfolgt.

35(2) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten war die Klägerin nicht verpflichtet, einen schriftlichen Nachweis über den Statuswechsel durch VDMH zu führen. Ein solcher Beleg gehört nach der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts zum sog. Blitzwechsel in eine OT-Mitgliedschaft nicht zu dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen und ist auch nicht aus arbeitskampfrechtlichen Gründen geboten. Die Unterrichtung über den Statuswechsel unterliegt keinen besonderen formalen Anforderungen. Entscheidend ist, dass der maßgebliche Sachverhalt der Gewerkschaft hinreichend klar mitgeteilt wird. Dem Transparenzerfordernis ist jedenfalls genügt, wenn der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft über den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft mündlich unterrichtet und begründete Zweifel an der Richtigkeit der Information nicht bestehen. Solche hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

36II. Aufgrund des wirksamen Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft innerhalb des VDMH vor dem Warnstreik vom war dieser rechtswidrig.

371. Wechselt ein Unternehmen innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft, kann die Gewerkschaft nach einem ihr rechtzeitig mitgeteilten Statuswechsel grundsätzlich nicht mehr zur Durchsetzung ihrer verbandsbezogenen Tarifforderungen zu einem Warnstreik in diesem Unternehmen aufrufen. Da dieses nicht an den angestrebten Tarifabschluss gebunden ist, ist ein solcher Streik rechtswidrig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gewerkschaft der Statuswechsel des Verbandsmitglieds nicht bekannt war. In diesem Fall ist der satzungsrechtlich zwar zulässige Wechsel wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB tarifrechtlich unwirksam und arbeitskampfrechtlich unbeachtlich ( - Rn. 26 f. mwN, BAGE 132, 10). Wegen der fortbestehenden Tarifbindung kann die Gewerkschaft im Zusammenhang mit den laufenden Tarifverhandlungen gegen dieses Mitglied zur Durchsetzung verbandsbezogener Tarifforderungen rechtmäßig Arbeitskampfmaßnahmen ergreifen.

382. Die Beklagte hat am bei der Klägerin zu einem Warnstreik zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung von fünf Prozent für die Beschäftigten der Druckindustrie aufgerufen. Damit hat sie hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Arbeitskampfmaßnahme gegen die Klägerin als Mitglied des VDMH gerichtet hat, um der geforderten Tariferhöhung auf Verbandsebene Nachdruck zu verleihen.

39a) Nach der Senatsrechtsprechung haben die Arbeitskampfparteien vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme dem jeweiligen Gegner den Kampfbeschluss bekanntzugeben ( - BAGE 81, 213; - 1 AZR 269/96 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 146 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 126). Die von einer Arbeitskampfmaßnahme des Gegenspielers betroffene Seite muss wissen, woran sie ist (Däubler/Wolter Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 16 Rn. 9) und was von ihr verlangt wird, damit sie ihr eigenes Verhalten darauf einrichten und von ihren arbeitskampfrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten Gebrauch machen kann ( - zu II 1 der Gründe, aaO). An Form und Inhalt der Unterrichtung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen (ErfK/Dieterich 12. Aufl. Art. 9 GG Rn. 139). Für einen wirksamen Streikaufruf, dem ein entsprechender Streikbeschluss der zuständigen Gewerkschaft zugrunde liegt, genügt deshalb ein von der Gewerkschaft im zu bestreikenden Betrieb verteiltes Flugblatt, aus dem sich die Arbeitskampfmaßnahme und der Zeitraum des Streiks ergeben ( - zu I 2 c der Gründe, aaO).

40b) Hiernach hat die Beklagte die Beschäftigten der Klägerin für den zu einem verbandsbezogenen Warnstreik aufgerufen. Sie hat in diesem Aufruf durch ihren Bundesvorstand die Kampfmaßnahme gegenständlich (Warnstreik zur Durchsetzung einer Lohn- und Gehaltserhöhung in der Druckindustrie) und zeitlich ( von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr) bestimmt und die Klägerin als Gegnerin dieses Warnstreiks bezeichnet. Dem Streikaufruf ist damit hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Warnstreik im Rahmen der Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag erfolgt und sich gegen die Klägerin als Mitglied des VDMH richtet. Ein anderes Kampfziel und Kampfmittel kann dem Aufruf nicht entnommen werden. Hierfür fehlt es an Anhaltspunkten.

41c) Dieses Verständnis des Streikaufrufs entsprach auch dem der Beklagten. Dies machen ihre außerprozessualen und schriftsätzlichen Äußerungen im vorliegenden Verfahren deutlich. Die Beklagte hat vor dem Streikaufruf in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom erklärt, dass ihrer Auffassung nach die Klägerin auch nach dem Statuswechsel an das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden sei. Des Weiteren hat sie noch in der Klageerwiderung ausgeführt, auch nach dem vorgenommenen Statuswechsel habe für die Klägerin noch Tarifbindung an die Tarifverträge der Druckindustrie mit der Folge bestanden, dass auch noch rechtmäßig zu Streiks habe aufgerufen werden können. In der Berufungsbeantwortung hat die Beklagte dies bekräftigt und dargelegt, das Arbeitsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass der Streikaufruf der Beklagten der Durchsetzung des Verbandstarifvertrags für die Druckindustrie gegolten habe. Sie habe zu diesem Zeitpunkt mangels ausreichender Transparenz des erfolgten Wechsels weiterhin von einer „Tarifmitgliedschaft“ der Klägerin im Arbeitgeberverband Druckindustrie ausgehen können.

423. Entgegen der Annahme der Beklagten war der Warnstreik auch kein rechtmäßiger Partizipationsstreik.

43a) Der Partizipationsstreik richtet sich gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber, der zwar keinem Arbeitgeberverband angehört, gleichwohl aber kein an der Verbandsauseinandersetzung unbeteiligter Dritter ist. Merkmal und Wirksamkeitsvoraussetzung eines Partizipationsstreiks ist, dass der Außenseiter nicht lediglich faktisch am Ergebnis eines Verbandsarbeitskampfes mehr oder weniger wahrscheinlich teilhat, sondern die Übernahme des umkämpften Verbandstarifvertrags rechtlich gesichert ist. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn ein mit dem Außenseiter vereinbarter Firmentarifvertrag auf näher bezeichnete Verbandstarifverträge dynamisch verweist. Entscheidend für die Einbeziehung des Außenseiters in den Verbandsarbeitskampf ist, dass ein solcher Arbeitgeber durch die Vereinbarung der dynamischen Übernahme des Verbandstarifvertrags auf ein eigenständiges Aushandeln der Arbeitsbedingungen verzichtet hat und stattdessen an der Tarifgestaltung durch den Arbeitgeberverband partizipieren will. Seine Einbeziehung in einen Verbandsarbeitskampf geht schon deswegen nicht mit einer Beeinträchtigung seiner negativen wie positiven Koalitionsfreiheit einher, da dem Außenseiter die Möglichkeit verbleibt, sich durch Kündigung des Firmentarifvertrags und Aushandeln eigenständiger Arbeitsbedingungen mit der Gewerkschaft aus der Bindung an das verbandstarifliche Geschehen zu lösen ( - zu B II 2 a der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136).

44b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können Außenseiter und Verband auch dann ein Kampfbündnis bilden, wenn der Außenseiter die Geltung der Verbandstarifverträge generell in den Arbeitsverträgen vereinbart hat ( - zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 84, 212) oder die Übernahme der Verhandlungsergebnisse des Verbands einer Tarifpraxis des Außenseiters entspricht ( - zu B II 2 b der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136). Auch in diesen Fällen ist der Außenseiter nicht unbeteiligter Dritter eines Verbandsarbeitskampfes, sondern partizipiert - wie bei einer dynamischen Bezugnahme in einem Firmentarifvertrag - am Ergebnis der Tarifverhandlungen umfassend und unmittelbar. Daher kann eine Gewerkschaft davon ausgehen, dass die Einbeziehung des Außenseiters nicht von vornherein ungeeignet ist, Druck auf die Arbeitgeberseite zur Durchsetzung des Verbandstarifvertrags zu erzeugen ( - aaO).

45c) Anders als in dem vom Senat am (- 1 AZR 142/02 - BAGE 105, 5) entschiedenen Fall war vorliegend die generelle Übernahme des umkämpften Entgelttarifvertrags der Druckindustrie durch die Klägerin nicht gesichert. Dieser Tarifvertrag galt bei der Klägerin bis Ende März 2009 kraft tarifgebundener Mitgliedschaft in VDMH und nicht aufgrund eines Firmentarifvertrags mit dynamischer Bezugnahme auf die Verbandstarifverträge der Druckindustrie. Nach ihrem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft und der Begründung einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung im VPU gab es keine objektiven Anhaltspunkte mehr für eine rechtlich gesicherte Übernahme der Entgelttarifverträge der Druckindustrie durch die Klägerin. Die Beklagte musste vielmehr davon ausgehen, dass nunmehr bei dieser die mit dem VPU abgeschlossenen Tarifverträge maßgeblich sein würden.

46d) Nichts anderes folgt aus der vertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie bei nur einem Teil der Arbeitnehmer. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin enthalten die Arbeitsverträge von nur 48 ihrer insgesamt 160 (gewerblich) Beschäftigen eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie. Unabhängig davon, ob der Beklagten dieser Umstand im Zeitpunkt des Streikaufrufs überhaupt bekannt war, folgt hieraus keine generelle Geltung des umkämpften Tarifvertrags im Unternehmen der Klägerin, zumal jene seit Oktober 2008 ohnehin anderslautende Bezugnahmeklauseln vereinbart hat.

474. Der Streikaufruf der Beklagten kann auch nicht als Aufruf zum Abschluss eines Firmentarifvertrags behandelt werden. Dem steht bereits entgegen, dass dies nach dem eindeutigen Streikaufruf nicht das Ziel des Warnstreiks war. Dieser diente vielmehr der Durchsetzung verbandsbezogener Tarifforderungen der Beklagten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Beklagte vor dem Warnstreik über den erfolgten Statuswechsel beim VDMH und die neu begründete Mitgliedschaft mit Tarifbindung im VPU unterrichtet hatte und in Bezug auf den dort geltenden und mit der Beklagten vereinbarten Entgelttarifvertrag eine relative Friedenspflicht galt. Ein auf den Abschluss eines neuen Entgeltfirmentarifvertrags gerichteter Streik hätte hiergegen verstoßen und wäre deshalb rechtswidrig gewesen (dazu  - zu B I 2 a und 4 der Gründe, BAGE 104, 155).

485. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht den Warnstreik vom als Unterstützungsstreik angesehen und einer rechtlichen Beurteilung unterzogen. Diese Annahme wird schon durch den Streikaufruf nicht gedeckt. Der Warnstreik sollte ersichtlich nicht zur Unterstützung des Hauptstreiks in der Druckindustrie geführt werden, sondern war nach dem Streikaufruf ein Teil dessen.

49III. Die Beklagte hat durch den rechtswidrigen Streik bei der Klägerin eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung iSd. § 823 Abs. 1 BGB begangen.

501. Der Warnstreik vom stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin iSd. § 823 Abs. 1 BGB dar (vgl.  - zu B der Gründe, BAGE 104, 155). Den darauf gerichteten Streikaufruf hat der Bundesvorstand der Beklagten verantwortet. Dessen Handeln ist ihr nach § 31 BGB zuzurechnen.

512. Die Beklagte hat den bei der Klägerin eingetretenen Schaden schuldhaft herbeigeführt.

52a) Verschulden iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre Streikziele sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über deren Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist (vgl.  - zu B II 1 der Gründe, BAGE 104, 155).

53b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist jedenfalls von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Zum Zeitpunkt des Streikaufrufs war der Beklagten die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur OT-Mitgliedschaft bekannt. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat insbesondere im Urteil vom (- 4 AZR 419/07 - BAGE 127, 27) ausgeführt, dass dem Transparenzerfordernis bei einem Statuswechsel während laufender Tarifverhandlungen genügt ist, wenn der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband die Gewerkschaft hierüber unterrichtet. Es bestand damit zum Zeitpunkt des Streikaufrufs eine hinreichend gesicherte Rechtslage zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen des Blitzwechsels in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen. Die Beklagte konnte auch erkennen, dass die Erfüllung des darauf bezogenen Transparenzgebots keinen besonderen Formvorschriften unterliegt. Ihr Verhalten erklärt sich vielmehr aus einer grundsätzlichen Ablehnung der Zulässigkeit eines solchen Statuswechsels. Diese Rechtsposition konnte sie nach den gegenteiligen Grundsatzurteilen des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr ernsthaft vertreten. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass es ihr nach der Information über den Wechsel der Klägerin in eine OT-Mitgliedschaft aus Zeitgründen unmöglich war, von der Durchführung der beabsichtigen Kampfmaßnahme abzusehen. Es fehlt daher an tragfähigen Gründen, die es ihr erlaubt hätten, die Arbeitnehmer der Klägerin zum Warnstreik aufzurufen.

3. Die Sache ist allerdings nicht zur Entscheidung reif. Die Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen in der Klageerwiderung im Einzelnen bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist deshalb insoweit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 1664 Nr. 26
BB 2012 S. 2816 Nr. 45
DB 2012 S. 2640 Nr. 46
DB 2012 S. 6 Nr. 44
DStR 2012 S. 1616 Nr. 32
XAAAE-20661