BAG Urteil v. - 9 AZR 504/10

Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifvertrag - statische oder dynamische Verweisung - Wahrung tariflicher Ausschlussfristen - Urlaubsabgeltung im bestehenden Arbeitsverhältnis

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 7 Abs 3 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 1 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 251 BGB

Instanzenzug: ArbG Gießen Az: 1 Ca 287/09 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 13 Sa 1991/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über tarifliches Urlaubsgeld, den Umfang des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2008 sowie über die Höhe des Zuschlags für am Ostersonntag 2009 geleistete Arbeit.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes. Sie bewacht vor allem Kasernen und sonstige Objekte der amerikanischen Streitkräfte. Die Klägerin ist bei ihr aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom als Sicherheitsmitarbeiterin im Wachdienst beschäftigt und in einem Objekt in G eingesetzt. Im Arbeitsvertrag heißt es ua.:

Der mit Wirkung zum für den Bereich des Landes Hessen für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom (MTV 2003) regelte ua.:

4Am trat der bis zum für allgemeinverbindlich erklärte Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom in Kraft (EntgeltTV 2007). Dieser Tarifvertrag enthielt im Vergleich zum Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom höhere Stundensätze und regelte in § 7 Nr. 1 ua., dass sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits drei Monate nach Fälligkeit erlöschen, sofern sie nicht vorher unter Angabe der Gründe schriftlich geltend gemacht worden sind. Nach § 8 Abschn. II Nr. 1 des ebenfalls am in Kraft getretenen Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom (MTV 2007) beträgt der Grundurlaub nicht mehr 35, sondern nur noch 32 Kalendertage. Zusätzliche Urlaubstage werden gemäß § 8 Abschn. II Nr. 2 MTV 2007 erst nach einer im Vergleich zur Regelung in § 11 Abschn. II Nr. 2 MTV 2003 längeren Betriebszugehörigkeit gewährt. Die Zahlung von Urlaubsgeld ist im MTV 2007 nicht vorgesehen. Nach § 7 Nr. 4 MTV 2007 beträgt der Zuschlag für Arbeit am Ostersonntag nur noch 25 %. Die Ausschlussfristenregelung in § 13 MTV 2007 entspricht der in § 7 EntgeltTV 2007. Gemäß § 14 Nr. 2 MTV 2007 traten mit dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrags der MTV 2003 sowie eventuelle Anhänge oder Protokollnotizen außer Kraft. Nach der Protokollnotiz 1 zum MTV 2007 waren sich die Tarifvertragsparteien ua. einig, dass § 11 Abschn. II und § 15 MTV 2003 bis zum weitergelten und § 8 Abschn. II MTV 2007 bis zum keine Anwendung findet.

5Die Beklagte gewährte der Klägerin im Jahr 2008 36 Kalendertage Urlaub. Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin erfolglos die Gewährung von drei weiteren Urlaubstagen am 22., 26. und am . Für die von der Klägerin am Ostersonntag 2009 zwischen 0:00 und 6:00 Uhr geleistete Arbeit zahlte die Beklagte einen Zuschlag von 25 %.

6Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Arbeitsvertrag nenne ausdrücklich das von der Beklagten zu zahlende Urlaubsgeld sowie die Anzahl der zu gewährenden Urlaubstage, sodass ihr das beanspruchte Urlaubsgeld und die verlangte Entschädigung für drei nicht gewährte Urlaubstage zustünden. Der Arbeitsvertrag verweise statisch auf den MTV 2003, sodass der Zeitzuschlag für die von ihr am Ostersonntag 2009 geleistete Arbeit nicht 25 %, sondern 100 % betrage. Jedenfalls seien die Verweisungsklauseln im Arbeitsvertrag unklar und intransparent und benachteiligten sie unangemessen. Im Übrigen folgten ihre Ansprüche auch aus einer betrieblichen Übung. Die tariflichen Ausschlussfristen erfassten nur gegenseitige Ansprüche und hätten ihren Anspruch auf Urlaubsgeld und ihren weitergehenden Urlaubsanspruch nicht berührt, weil diese Ansprüche nicht von einer Gegenleistung abhängig gewesen seien, sondern nur das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt hätten.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, im Arbeitsvertrag sei die jeweils aktuelle Fassung der Tarifverträge in Bezug genommen worden. Dies zeige die Hervorhebung ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. Die auf die Urlaubstage und das Urlaubsgeld bezogenen Angaben seien deklaratorischer Natur und gäben nur den bei Vertragsschluss aktuellen tariflichen Status quo wieder. Den von ihr beanspruchten Zuschlag iHv. 100 % für die Arbeit am Ostersonntag 2009 habe die Klägerin falsch berechnet. Im Übrigen stehe dieser nach § 7 Nr. 4 MTV 2007 nur noch der gezahlte Sonntagszuschlag iHv. 25 % zu.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der im Tenor des Berufungsurteils zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Gründe

10Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

11I. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte hätte ihr für das Jahr 2008 nicht nur 36, sondern 39 Kalendertage Urlaub gewähren müssen, und sie für die nicht gewährten drei Urlaubstage eine Entschädigung iHv. 298,99 Euro brutto verlangt, fehlt für diesen Zahlungsanspruch eine Anspruchsgrundlage, sodass dahinstehen kann, wie viele Urlaubstage der Klägerin im Jahr 2008 zustanden.

121. § 7 Abs. 4 BUrlG erlaubt eine Abgeltung nicht gewährten Urlaubs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. § 11 Abschn. I Nr. 6 MTV 2003 regelte - insoweit wortgleich mit § 8 Abschn. I Nr. 6 MTV 2007 - nichts anderes. Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um ( - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Der Arbeitgeber schuldet nach § 251 BGB nur dann Schadensersatz in Geld, wenn die Gewährung von Ersatzurlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmöglich geworden ist (st. Rspr., vgl.  - Rn. 24, 40 mwN, aaO). Das Landesarbeitsgericht hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht festgestellt. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass das Arbeitsverhältnis beendet sei.

132. Zudem wäre ein im Jahr 2008 entstandener und bis zum nicht erfüllter Urlaubsanspruch mit Ablauf des Urlaubsjahres nach § 11 Abschn. I Nr. 8 Satz 3 und Nr. 14 MTV 2003 iVm. § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Die Klägerin hat keinen Grund für die Übertragung des Urlaubs auf das Kalenderjahr 2009 dargelegt.

14II. Der Klägerin steht auch das beanspruchte Urlaubsgeld iHv. 292,50 Euro brutto nicht zu. Die Klage ist insoweit nicht schlüssig.

151. Soweit die Klägerin Urlaubsgeld für die nach ihrem eigenen Vortrag im Jahr 2008 gewährten 36 Urlaubstage begehrt, stehen diesem Anspruch bereits die tariflichen Ausschlussfristen entgegen.

16a) Das Urlaubsgeld wurde von den tariflichen Ausschlussfristen erfasst. Dies galt sowohl für die Ausschlussfrist des § 21 Nr. 1 MTV 2003 als auch für die Ausschlussfrist des § 7 Nr. 1 EntgeltTV 2007. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Anwendungsbereich dieser Regelungen nicht auf synallagmatische Ansprüche begrenzt. Die tariflichen Ausschlussfristen sollen gleichermaßen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten. Allein zur sprachlichen Vereinfachung und Verkürzung und im Interesse der Übersichtlichkeit haben die Tarifvertragsparteien die Begriffe „gegenseitig“ und „Gegenpartei“ verwandt. Gegenseitig ist nach dem allgemeinen Sprachverständnis nur ein anderes Wort für „wechselseitig, beiderseitig“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort „gegenseitig“). Der juristische Sprachgebrauch unterscheidet sich hiervon zwar insoweit, als unter „gegenseitigen Ansprüchen“ üblicherweise Ansprüche verstanden werden, die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Eine solche Beschränkung der Klauseln auf synallagmatische Ansprüche ist aber ersichtlich von den Tarifvertragsparteien nicht gemeint. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese den Arbeitsvertragsparteien des Wach- und Sicherheitsgewerbes jeweils die Prüfung des Vorliegens von synallagmatischen Pflichten zumuten wollten. Ein anderes Verständnis wäre auch nicht mit dem Zweck von Ausschlussfristen vereinbar, im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit streitige Ansprüche möglichst zeitnah zu klären (vgl.  - zu I 2 f bb (1) der Gründe, AP BGB § 157 Nr. 28).

17b) Selbst bei Zugrundelegung einer dreimonatigen Verfallfrist ist nicht erkennbar, dass die Klägerin etwaige Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld rechtzeitig schriftlich geltend gemacht hat.

18aa) Zum schlüssigen Vortrag der Begründetheit einer Klageforderung, die tariflichen Ausschlussfristen unterliegt, gehört die Darlegung der fristgerechten Geltendmachung. Unterbleibt dieser Vortrag, ist die Klage unschlüssig ( - Rn. 23 mwN, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 191 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 190). Die Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen durch rechtzeitige Geltendmachung ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Fortbestand des behaupteten Anspruchs ( - aaO). Nicht erforderlich ist es, dass sich der Prozessgegner auf die Verfallfristen beruft (Schaub/Treber ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 209 Rn. 67).

19bb) Die Klägerin hat nicht dargelegt, wann sie im Jahr 2008 Urlaub hatte und damit ihre Urlaubsgeldansprüche fällig wurden. Das Urlaubsgeld nach § 15 MTV 2003 ist eine urlaubsakzessorische Sonderzahlung (vgl. zur Abgrenzung:  - Rn. 23 f., AP BUrlG § 11 Nr. 69; - 9 AZR 477/07 - Rn. 15 ff. mwN, DB 2009, 2051). Dies folgt insbesondere aus § 15 Nr. 3 MTV 2003, wonach das Urlaubsgeld für den beantragten Urlaubszeitraum auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Urlaubsantritt auszuzahlen ist. Aus der Formulierung „Urlaubsgeld für den beantragten Urlaubszeitraum“ folgt, dass es sich nicht um eine jährliche Sonderzahlung, sondern um einen Anspruch handelt, der von der konkreten Inanspruchnahme von Urlaub für einen bestimmten Zeitraum abhängig sein soll. Es kommt hinzu, dass die Klägerin keine Angaben dazu gemacht hat, zu welchem Zeitpunkt der Beklagten vor der Zustellung der Klage am eine schriftliche Geltendmachung des Urlaubsgelds zugegangen ist.

202. Soweit die Klägerin für drei weitere nicht gewährte Urlaubstage Urlaubsgeld beansprucht, würde im Übrigen ein etwa entstandener Urlaubsgeldanspruch aufgrund seiner Akzessorietät das Schicksal des Urlaubsanspruchs teilen. Mangels eines Grundes für die Übertragung des Urlaubs wäre auch der Urlaubsgeldanspruch am verfallen. Darüber hinaus stünde einem Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld selbst bei einem Fortbestand des Urlaubsanspruchs aufgrund der Akzessorietät des Urlaubsgeldanspruchs die fehlende Fälligkeit entgegen, solange die Klägerin den Urlaub nicht verlangt bzw. die Beklagte den Urlaub nicht gewährt hat.

21III. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Zuschlags iHv. 74,67 Euro brutto für ihre Arbeitsleistung am Ostersonntag 2009. Darüber, dass die Beklagte den Zuschlag auf der Grundlage des § 7 Nr. 4 MTV 2007 ordnungsgemäß berechnet und ausbezahlt hat, besteht kein Streit. Ein Anspruch der Klägerin auf einen höheren Zuschlag folgt nicht aus § 10 Nr. 6 MTV 2003. Diese Tarifnorm fand im Jahr 2009 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

221. Die Parteien haben arbeitsvertraglich die Geltung der jeweils gültigen Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Land Hessen vereinbart. Der Zuschlag für die am Ostersonntag 2009 geleistete Arbeit richtete sich deshalb nach § 7 Nr. 4 MTV 2007.

23a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei der Regelung in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags um eine umfassende zeitdynamische Verweisungsklausel auf alle im Bereich des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Hessen jeweils geltenden Tarifverträge handelt.

24aa) Nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den arbeitsvertraglichen Abreden um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Als solche unterliegt ihre Auslegung durch das Berufungsgericht einer vollen revisionsrechtlichen Überprüfung (st. Rspr., vgl.  - Rn. 18, DB 2011, 2783). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. für die st. Rspr.:  - Rn. 45, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden, nicht rechtskundigen Vertragspartners. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten ( - Rn. 24, EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3; - 3 AZR 777/08 - Rn. 21, AP BGB § 307 Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48; - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 91 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51).

25bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt die Auslegung der Verweisungsklausel des § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags, dass es sich entgegen der Ansicht der Revision um eine (konstitutive) zeitdynamische Bezugnahme handelt.

26(1) Der Wortlaut des § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags enthält keine Anhaltspunkte für eine statische Verweisung in dem Sinne, dass ein bestimmter Tarifvertrag in einer bestimmten Fassung gelten soll. Entgegen der Auffassung der Revision reicht zur Annahme einer statischen Verweisung nicht das Fehlen des Zusatzes „in seiner jeweiligen Fassung“ aus. In § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags wird kein bestimmter Tarifvertrag konkret nach Datum und Gegenstand eindeutig bezeichnet. Dies wäre jedoch typisch für eine statische Verweisung (vgl.  - Rn. 22 mwN, AP BGB § 133 Nr. 54 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 36). Der Wortlaut des Vertrags enthält auch sonst keine Anhaltspunkte für eine statische Verweisung. Das in Bezug genommene Tarifwerk wird nur allgemein als abgeschlossener Tarifvertrag bezeichnet. Allein aus dem Umstand, dass der Arbeitsvertrag von „dem … Tarifvertrag“ spricht, lässt sich nicht der Wille entnehmen, ausschließlich dem bei Vertragsabschluss aktuellen Tarifvertrag Geltung zu verschaffen ( - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 100, 339).

27(2) Eine konstitutive dynamische Verweisung ergibt sich aus der Zusammenschau von § 1 Satz 1 und Satz 2 des Arbeitsvertrags. In § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags wird zunächst die Mitgliedschaft der Beklagten im Bundesverband deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. hervorgehoben. Anschließend regelt Satz 2, dass der Arbeitsvertrag dem von diesem Arbeitgeberverband abgeschlossenen Tarifvertrag unterliegt. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers wird daraus deutlich, dass die Bezugnahme bezweckt, das Arbeitsverhältnis unabhängig von einer Tarifbindung des Arbeitnehmers nach den für den für die tarifgebundene Beklagte verbindlichen tariflichen Regelungen abzuwickeln. Die Klausel dient damit dem Interesse der Beklagten an einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen. Dazu gehört auch, zukünftige tarifliche Entwicklungen in den Arbeitsverhältnissen nicht tarifgebundener Arbeitnehmer nachzuvollziehen. Diesen typischen Zweck einer einzelvertraglichen Inbezugnahme erfüllt nur eine dynamische Verweisung. Eine statische Verweisung würde das Ziel einheitlicher Arbeitsbedingungen dagegen verfehlen. Die Beklagte müsste bei jeder Tarifänderung versuchen, die mit nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsverträge zu ändern.

28(3) Die Einbeziehung der weiteren Klauseln des Vertragstexts in eine Gesamtschau führt entgegen der Auffassung der Revision aus der Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr muss ein verständiger Arbeitnehmer diese - soweit sie keine vom Tarifvertrag abweichenden Regelungen enthalten - als informatorische Wiedergabe des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aktuellen Tarifstands verstehen. Die allgemeine Bezugnahme ist den nachfolgenden einzelnen Regelungen des Vertragsinhalts vorangestellt und enthält keinerlei Einschränkung dahingehend, dass die Bezugnahme nur dann gelten soll, wenn im Arbeitsvertrag nichts anderes geregelt ist. Zudem verweisen auch die nachfolgenden Vertragsregelungen in Bezug auf Vergütung (§ 4), Urlaub (§ 4.1), Urlaubsgeld (§ 4.2), Jahressonderzahlung (§ 4.3), vermögenswirksame Leistungen (§ 6) und Entgeltfortzahlung (§ 8) selbst nochmals ohne Angabe einer bestimmten Fassung auf den Tarifvertrag. Den dabei verwandten verschiedenen Begriffen, wie „Bestimmungen des gültigen Landestarifvertrags“, „gemäß Tarifvertrag“ und „gemäß den Vorgaben des gültigen Manteltarifvertrags“, kommt keine eigenständige Bedeutung zu.

29(4) Die Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags bestätigt aus der Sicht eines verständigen durchschnittlichen Arbeitnehmers die Dynamik der globalen Bezugnahme. Danach sind auf übertarifliche Verdienstbestandteile tariflich festgelegte Entgelterhöhungen - unabhängig von deren Grund und Art - ganz oder teilweise anrechenbar, sofern tarifvertraglich keine andere Vereinbarung besteht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass diese Regelung nur Sinn macht, wenn auf den Arbeitsvertrag auch spätere Tarifänderungen einwirken sollen.

30(5) Der Annahme einer zeitdynamischen konstitutiven Bezugnahme steht nicht entgegen, dass bei Abschluss des Arbeitsvertrags am sowohl der MTV 2003 als auch der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom bereits kraft Allgemeinverbindlichkeit gemäß § 5 Abs. 4 TVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fanden. Insoweit gilt dasselbe, was bei einer Verweisung auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge bei beiderseitiger Tarifgebundenheit iSd. § 4 Abs. 1 TVG gelten würde. In beiden Fällen finden die tariflichen Arbeitsbedingungen im Umfang der Inbezugnahme auf doppelter Grundlage Anwendung. Was von beiden Vertragsteilen zum Gegenstand ihrer korrespondierenden unbedingten rechtsgeschäftlichen Erklärungen gemacht worden ist, kann nicht deshalb unwirksam werden, weil die gleiche Rechtsfolge (zufällig) auch durch eine unmittelbar zu beachtende Normenordnung statuiert wird (vgl.  - Rn. 31 mwN, BAGE 116, 366).

31cc) Angesichts dieses eindeutigen Auslegungsergebnisses anhand der allgemeinen Auslegungskriterien ist für einen Rückgriff auf die von der Rechtsprechung unter Berücksichtigung von § 305c Abs. 2 BGB entwickelte Zweifelsfallregelung kein Raum, nach der regelmäßig von einer zeitdynamischen Verweisung auf Tarifverträge auszugehen ist (vgl.  - Rn. 22, BAGE 116, 185; unabhängig von § 305c BGB bereits:  - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 67, 330). Für eine Anwendbarkeit des § 305c Abs. 2 BGB bedarf es „erheblicher Zweifel“ an der richtigen Auslegung (st. Rspr., vgl.  - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 53). Da solche Zweifel nicht bestehen, kann offenbleiben, ob die Unklarheitenregel auf arbeitsvertragliche Klauseln, die auf ein Tarifwerk Bezug nehmen, überhaupt anwendbar wäre oder die Anwendung daran scheiterte, dass die Frage der Günstigkeit für den Arbeitnehmer nicht abstrakt und unabhängig von der jeweiligen Fallkonstellation beantwortet werden kann (vgl.  - Rn. 27, BAGE 128, 73).

32b) Mit dem durch Auslegung ermittelten Inhalt hält die Bezugnahmeklausel auch einer Inhaltskontrolle anhand des § 307 BGB stand. Dieser Kontrolle sind auch formularmäßig verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen zu unterziehen, die auf einen Tarifvertrag Bezug nehmen (vgl. dazu  - Rn. 52 mwN, BAGE 122, 33). Insbesondere wird die Inbezugnahme den Anforderungen des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gerecht. Arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf andere Regelwerke entsprechen einer im Arbeitsrecht gebräuchlichen Regelungstechnik. Die Dynamisierung dient wegen des Zukunftsbezugs des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis den Interessen beider Seiten. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung einbezogenen Regelungen sind hinreichend bestimmbar (vgl.  - Rn. 78, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21; - 5 AZR 630/06 - Rn. 28 f., BAGE 122, 12). Die Klausel im Arbeitsvertrag der Parteien legt nicht nur fest, von welchen Tarifvertragsparteien die in Bezug genommenen Tarifverträge abgeschlossen sein müssen, sondern darüber hinaus auch, für welchen räumlichen Geltungsbereich die Tarifverträge vereinbart sein müssen.

33c) Der Geltung des § 7 MTV 2007 steht letztlich auch nicht entgegen, dass durch ihn der Zuschlag für die Arbeit am Ostersonntag im Vergleich zur Regelung in § 10 MTV 2003 herabgesetzt wurde. Zwar sind die Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich vor schlechterdings nicht voraussehbaren oder billigerweise nicht zu erwartenden Klauseln zu schützen (vgl.  - zu B II 1 c der Gründe, BAGE 100, 339; - 6 AZR 114/00 - zu C der Gründe, BAGE 98, 175). Diese Grenze ist freilich nicht schon dann erreicht, wenn Tarifverträge Leistungen zulasten der Arbeitnehmer verringern. Die Verminderung eines Zuschlags im Rahmen von Tarifverhandlungen ist vorhersehbar und von Arbeitnehmern, die eine dynamische Bezugnahme arbeitsvertraglich vereinbart haben, billigerweise hinzunehmen.

342. Die Zuschlagsregelung des § 10 MTV 2003 wirkte für das Arbeitsverhältnis der Parteien im April 2009 auch nicht gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach. Die Allgemeinverbindlichkeit des MTV 2003 endete mit der Ablösung des MTV 2003 durch den MTV 2007, auch wenn Letzterer nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Nach § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags mit dessen Ablauf. Damit ist jede Beendigung des Tarifvertrags gemeint, gleich wodurch sie eintritt ( - Rn. 19, BAGE 120, 84). Die Tarifvertragsparteien vereinbarten in § 14 Nr. 2 MTV 2007 ausdrücklich, dass der MTV 2003 außer Kraft tritt und schufen in der Protokollnotiz lediglich für einzelne Bestimmungen Übergangsregelungen. Allerdings gilt für nicht an den neuen Tarifvertrag gebundene Arbeitsvertragsparteien der allgemeinverbindliche Tarifvertrag unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 TVG weiter ( - zu A 2 der Gründe, BAGE 69, 119). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die zwischen den Parteien vereinbarte dynamische Bezugnahmeklausel stellt eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG mit der Folge dar, dass eine Nachwirkung des § 10 MTV 2003 ausgeschlossen ist (vgl.  - Rn. 21 ff., BAGE 116, 366).

353. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Zuschlags für die Arbeit am Ostersonntag 2009 aus betrieblicher Übung. Wenn die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe von 2003 bis 2007 Leistungen nach dem MTV 2003 erbracht, so durfte die Klägerin dieses Verhalten der Beklagten nicht dahingehend verstehen, die Leistungen würden auch zukünftig unverändert erbracht (vgl.  - Rn. 23 mwN, NZA 2007, 1293). Die Beklagte hat im fraglichen Zeitraum nur ihre sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel und der Allgemeinverbindlicherklärung folgenden Pflichten erfüllt.

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 2112 Nr. 34
BB 2013 S. 1974 Nr. 33
DB 2012 S. 2287 Nr. 40
BAAAE-14787