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infoCenter (Stand: Februar 2024)

Sanierungsgewinn

Reinald Gehrmann

I. Definition des Sanierungsgewinns

Als Sanierung bezeichnet man Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Dazu zählt regelmäßig ein Erlass betrieblicher Verbindlichkeiten durch die Gläubiger. Durch den Wegfall der Verbindlichkeiten tritt eine Erhöhung des Betriebsvermögens ein, die steuerlich regelmäßig als der Einkommen- oder Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegender Gewinn zu behandeln ist.

Da dem Unternehmen durch den Schulderlass keine liquiden Mittel zugeführt werden, gefährden jedoch auf den aus der Sanierung entstehenden Gewinn anfallende Steuern das Ziel der Sanierung.

Aus diesem Grund ließ das Gesetz bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1997 Sanierungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei.

Die Finanzverwaltung sah sich aber angesichts einer Vielzahl von durch den Wegfall der gesetzlichen Steuerbefreiung ausgelösten Problemfällen veranlasst, die Steuerbefreiung durch ein BMF-Schreiben faktisch wieder einzuführen.

Nachdem der 10. Senat des dem Großen Senat die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt hatte, ob dieses BMF-Schreiben gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, entschied der Große Senat mit Beschluss vom , dass die Steuerbegünstigungen des sog. Sanierungserlasses gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstießen, indem die Finanzverwaltung durch seine Regelungen eine strukturelle Gesetzeskorrektur vornehme und damit das sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachrechtlich normierte Legalitätsprinzip verletze.

Neue auf den sog. Sanierungserlass gestützte Anträge bearbeitete daraufhin die Finanzverwaltung vorübergehend nicht bzw. lehnte sie ab, sofern nicht individuelle Billigkeitsmaßnahmen, die auf besondere, außerhalb des Sanierungserlasses liegende Gründe des Einzelfalls, wie etwa auf persönliche Billigkeitsgründe gestützt wurden, geltend gemacht werden konnten.

Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken in Zusammenhang mit Rechteüberlassungen (BR-Drucks. 59/1/17 S. 10 ff.) hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit dem § 3a EStG sowie dem § 7b GewStG Regelungen geschaffen, die Sanierungsgewinne sowohl bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie bei der Gewerbesteuer steuerfrei stellen.

Die neuen Regelungen hat die EU-Kommission zwischenzeitlich auf Ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht geprüft und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die steuerliche Privilegierung von Sanierungsgewinnen als (seit mindestens 1934) "bestehende Beihilfe" einzuordnen sei, die aus diesem Grunde gar keiner Notifizierung bedürfe.

Die Neuregelungen sollten ursprünglich rückwirkend nur auf Sanierungsgewinne anwendbar sein, die nach dem enstanden waren. Durch das "JStG 2018" (Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften) sind nun die gesetzlichen Anwendungs- und Übergangsregelungen in Kraft getreten. Danach sind § 3a EStG und die Folgevorschriften auf Antrag auch in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden vor dem (Tag der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats zur Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses) erlassen wurden.

II. Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns

1. Entstehung eines Sanierungsgewinns

Der in einer Liquiditätskrise befindliche bilanzierende Schuldner hat - unabhängig davon, ob der Gläubiger eine Teilwertabschreibung auf die entsprechende Forderung vorgenommen hat - die Verbindlichkeit in voller Höhe auszuweisen. Nach einem Schulderlass ist die Verbindlichkeit auszubuchen. Der handelsrechtlich als Ertrag und steuerrechtlich als Betriebseinnahme zu behandelnde Buchgewinn war als Sanierungsgewinn bis zum Veranlagungszeitraum 1997 von der Einkommensteuer befreit, sofern diese Betriebsvermögensmehrung betrieblich veranlasst war.

Bei einem Schulderlass aus privaten Gründen ergibt sich steuerlich kein Gewinn. Es liegt vielmehr eine Einlage vor, die die durch den Erlass eingetretene Betriebsvermögenserhöhung in derselben Höhe ausgleicht.

Wird eine Kapitalgesellschaft durch einen gesellschaftsbedingten Schulderlass eines Gesellschafters begünstigt, ist in Höhe der Werthaltigkeit der erlassenen Forderung eine verdeckte Einlage gegeben, die ihren Gewinn mindert.

Ermittelt der Schuldner seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung, entsteht durch einen Schulderlass im laufenden Geschäftsverkehr kein Buchgewinn. Allerdings kann sich auch bei dieser Gewinnermittlungsart ein steuerlich relevanter Gewinn ergeben, wenn der Wegfall der Verbindlichkeit als Betriebseinnahme zu behandeln ist, wie etwa bei einem Erlass von Verbindlichkeiten, die mit der Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zusammenhängen.

2. Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 66 EStG a. F.

Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden, waren für Wirtschaftsjahre, die vor dem endeten, steuerfrei.

Die Steuerfreiheit war von den folgenden Voraussetzungen abhängig, die kumulativ erfüllt sein mussten:

a) Schulderlass

Grundsätzlich mussten alle Gläubiger einen Schulderlass aussprechen. Schulden werden erlassen durch

  • vertragliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner (Erlassvertrag) oder

  • das Anerkenntnis, dass eine Verbindlichkeit nicht besteht (negatives Schuldanerkenntnis).

Der Erlass durch mehrere oder gar nur einen Gläubiger genügte nur dann, wenn es sich dabei um den oder die Hauptgläubiger handelte. Forderungsverzichte eines Gesellschafters führen nur dann zur Entstehung steuerbegünstigter Sanierungsgewinne, wenn sie eigenbetrieblich - und nicht gesellschaftsvertraglich – veranlasst sind. Verzichteten also neben dem Gesellschafter keine weiteren Gläubiger auf Forderungen, konnte kein begünstigter Sanierungsgewinn angenommen werden.

Nicht begünstigt waren Sanierungsmaßnahmen, die keinen Schulderlass beinhalteten, mochten sie diesem auch vergleichbar sein, wie z.B. die Freistellung von einer Verpflichtung im Rahmen eines Leistungsaustauschs, das Zugeständnis einer nachträglichen Preiserhöhung zugunsten des Schuldners oder die Gewährung von Zuschüssen.

b) Sanierungsabsicht

Die Gläubiger mussten in der Absicht handeln, die Gesundung des Schuldner-Unternehmens herbeizuführen und dieses vor einem Zusammenbruch zu bewahren. Die Sanierungsabsicht war zu vermuten, wenn mehrere Gläubiger gemeinsam Schulden erließen. Sie entfiel, wenn der Gläubiger an einer Übernahme des Schuldner-Unternehmens interessiert war oder lediglich seine Restforderung sichern wollte.

c) Sanierungsbedürftigkeit

Das Unternehmen des Schuldners musste im Zeitpunkt des Schulderlasses sanierungsbedürftig sein. Dabei waren Ertragslage, Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, die Liquidität und ggf. die Höhe des Privatvermögens zu prüfen. Ein Unternehmen galt als sanierungsbedürftig, wenn es seine Zahlungen eingestellt hatte, indem innerhalb von 21 Tagen fällige Zahlungen nicht beglichen werden konnten.

Bei Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft lag Sanierungsbedürftigkeit nur dann vor, wenn der zur Erfüllung der Verbindlichkeiten erforderliche Finanzbedarf auch nicht aus dem Privatvermögen der voll haftenden Gesellschafter gedeckt werden konnte.

d) Sanierungseignung

Schließlich musste der Schulderlass geeignet erscheinen, das Unternehmen zu erhalten und seine Ertragsfähigkeit auf Dauer wiederherzustellen. Die Sanierungseignung war unter Darlegung aller wesentlichen Umstände, z. B. der allgemeinen Ertragsaussichten, regelmäßig anhand eines Sanierungsplans darzulegen. Wurde das Unternehmen nicht fortgeführt oder trotz der Sanierungsmaßnahmen eingestellt, konnte eine begünstigte Sanierung nur angenommen werden, wenn die Verbindlichkeiten aus betrieblichen Gründen erlassen wurden, etwa um die Vereinbarung eines Sozialplans zu ermöglichen. Nicht begünstigt waren Schulderlasse, die dem Unternehmensträger oder einem Beteiligten den schuldenfreien Übergang ins Privatleben oder den Aufbau einer neuen Existenzgrundlage ermöglichen sollten.

Neben der unternehmensbezogenen Sanierung war auch eine unternehmerbezogene Sanierung begünstigt, wenn der Unternehmer durch den Forderungserlass in die Lage versetzt wurde, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiter bestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein.

Ein steuerfreier Sanierungsgewinn minderte einen vorhandenen Verlustabzug nicht.

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