BGH Beschluss v. - XII ZB 135/10

Betreuung: Genehmigung einer Zwangsmedikation bei Unterbringung des Betreuten

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Genehmigung einer Zwangsmedikation bei der Unterbringung des Betroffenen gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB .

Gesetze: § 1906 Abs 1 Nr 2 BGB

Instanzenzug: LG Konstanz Az: 12 T 230/09 A Beschlussvorgehend AG Radolfzell Az: 1 XVII 72/94 Beschluss

Gründe

I.

1Der (1968 geborene) Betroffene leidet seit 1992 an einer hebephrenen Schizophrenie. Für ihn besteht seit dem eine Betreuung. Wegen der Erkrankung befand er sich bereits über fünfundzwanzigmal in stationärer Behandlung im Zentrum für Psychiatrie R. Zuletzt war er in der Zeit von Juli 2007 bis März 2009 (Beschlüsse des vom , vom , letzterer aufgehoben durch ) und vom bis zum (gemäß einstweiliger Anordnung des und ) untergebracht.

2Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens mit Beschluss vom die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung längstens bis zum genehmigt. Es hat weiter beschlossen, dass dem Betroffenen die Medikation auch durch Depotspritze gegen seinen Willen durch einen Arzt verabreicht werden darf. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde.

II.

31. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG zulässig. Das erstinstanzliche Verfahren auf Verlängerung der Unterbringung ist durch den Antrag der Betreuerin vom und somit nach dem eingeleitet worden (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG).

42. Die Rechtsbeschwerde ist teilweise begründet.

5a) Zu Recht hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen, soweit das Amtsgericht die Unterbringung des Betroffenen bis längstens genehmigt hat. Das Amtsgericht hat die Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB genehmigt, weil zum einen die Gefahr besteht, dass der Betroffene sich ohne die Unterbringung erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt und zum anderen eine Heilbehandlung ohne eine längerfristige Unterbringung des Betroffenen nicht durchgeführt werden und der Betroffene aufgrund seiner Erkrankung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen kann. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung den übereinstimmenden psychiatrischen Gutachten der Ärzte H. und Dr. R. vom und Dr. S. vom gefolgt.

6Die Begründung trägt die getroffene Entscheidung. Sie ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

7b) Zu Unrecht hat das Landgericht die Beschwerde jedoch insoweit zurückgewiesen, als im Beschluss des Amtsgerichts auch die Unterbringung des Betroffenen zum Zweck der Zwangsmedikation genehmigt worden ist. Denn die Feststellungen des Landgerichts tragen seine Begründung insoweit nicht.

8Die Zwangsmedikation stellt einen schweren Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen dar. Sie gestattet die Ausübung von Gewalt gegen den Betroffenen, z.B. seine Fixierung. Die Genehmigung ist deshalb nur zulässig, wenn die Zwangsmedikation erforderlich und angemessen ist. Ob dies der Fall ist, bedarf im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer besonders sorgfältigen Prüfung.

9Daran fehlt es hier. Ohne auf die Genehmigung der Zwangsmedikation einzugehen, hat das Landgericht lediglich im Rahmen der Begründung der Unterbringung Ausführungen zur fehlenden Bereitschaft des Betroffenen, die ihm verabreichten Medikamente einzunehmen, gemacht. Danach war der Betroffene in der Vergangenheit nicht bereit, die ihm bei der ambulanten Behandlung gegebenen Medikamente einzunehmen, und selbst unter stationären Bedingungen gelang es ihm mitunter, Medikamente nicht einzunehmen.

10Allein daraus, dass es dem Betroffenen mitunter gelungen ist, ihm stationär verabreichte Tabletten nicht zu schlucken, kann nicht geschlossen werden, dass er die Verabreichung von Medikamenten auch durch Spritzen regelmäßig verweigert. Umstände, aus denen sich eine solche Verweigerungshaltung des Betroffenen ergeben könnten, hat das Landgericht nicht festgestellt.

11Nur dann durfte jedoch eine Zwangsmedikation gestattet werden. Ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren wird, ist im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 3718 Nr. 51
NJW 2010 S. 6 Nr. 50
PAAAD-54669