BGH Urteil v. - XI ZR 27/10

Verjährungshemmung für den Anspruch einer Bank auf Rückzahlung eines Dispositionskredits: Verzugsbegründung durch Verbindung von Fälligstellung und Mahnung im Übergangsfall

Leitsatz

Der Gesetzeszweck von § 497 BGB in der Fassung vom gebietet keine Auslegung von § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung vom beziehungsweise § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend, dass Fälligstellung und Mahnung nicht verzugsbegründend verbunden werden können .

Gesetze: § 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 284 Abs 1 S 1 BGB vom , § 286 Abs 1 S 1 BGB vom , § 497 Abs 3 S 3 BGB vom , Art 229 § 6 Abs 1 S 1 BGBEG

Instanzenzug: LG Landshut Az: 12 S 1336/09 Urteilvorgehend AG Landshut Az: 2 C 2055/08

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Verjährung eines Anspruches auf Rückzahlung eines Dispositionskredits.

2Mit Verbraucherdarlehensvertrag vom räumte die Klägerin der Beklagten einen Dispositionskredit in Höhe von 4.100 € für ein bei ihr geführtes Girokonto ein. Die Beklagte nahm diesen Kredit ab dem über den vereinbarten Rahmen hinaus in Anspruch. Nachdem sie mehreren Aufforderungen der Klägerin zur Rückführung der Kontoüberziehung nicht nachgekommen war, sandte ihr die Klägerin unter dem ein Schreiben, dessen Zugang die Beklagte bestreitet. Darin wies die Klägerin auf die bestehende Überziehung des Kredits hin und kündigte das Girokonto zum . Die Klägerin übermittelte der Beklagten ferner am ein vor Jahresende 2002 zugegangenes Schreiben, in dem sie unter dem Betreff "Beendigung der Geschäftsverbindung und Mahnung" mitteilte, dass sie das Girokonto aufgelöst und die sich daraus ergebende Forderung einem Rechtsanwalt zum Einzug übergeben habe.

3Am erwirkte die Klägerin einen Mahnbescheid, der der Beklagten am zugestellt wurde. Nach Widerspruch der Beklagten begehrt die Klägerin den Ausgleich der im Schreiben vom bezifferten Forderung in unstreitiger Höhe von 4.431,99 € nebst Zinsen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

I.

4Das Berufungsgericht hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Die Klägerin habe gemäß § 607 Abs. 1 BGB aF Anspruch auf Rückzahlung des Dispositionskredits. Der Anspruch sei nicht verjährt. Das Vertragsverhältnis der Parteien sei durch das Schreiben der Klägerin vom , das der Beklagten, wie diese zugestanden habe, Ende des Jahres 2002 zugegangen sei, aus wichtigem Grund wirksam außerordentlich gekündigt worden, nachdem die Beklagte mehreren Aufforderungen zum Ausgleich ihres Kontos nicht nachgekommen sei. Die gemäß § 195 BGB dreijährige Verjährungsfrist für den Rückzahlungsanspruch der Klägerin habe mit Ablauf des zu laufen begonnen. Auf den am noch bestehenden Darlehensvertrag der Parteien sei ab diesem Zeitpunkt jedoch die Vorschrift des § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB aF mit der Folge anzuwenden, dass die Verjährung des Rückzahlungsanspruches vom Eintritt des Verzuges der Beklagten an gehemmt sei. Der Eintritt des Verzuges im Sinne von § 497 BGB aF sei nach § 286 BGB zu bestimmen, wonach der Schuldner durch eine nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgende Mahnung des Gläubigers in Verzug komme. Der Gläubiger könne jedoch die Mahnung mit seiner die Fälligkeit begründenden Handlung verbinden. Eine hiervon abweichende Handhabung des Verzuges im Sinne von § 497 BGB aF unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes sei nicht geboten, denn § 286 Abs. 1 BGB regele keine zwingende Reihenfolge von Fälligstellung und Mahnung; beide könnten vielmehr zusammenfallen. Der von § 497 BGB aF bezweckte Schuldnerschutz erfordere nur, dass der Darlehensnehmer Klarheit darüber erlange, dass er zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sei. Dies könne durch ein einziges Schreiben des Darlehensgebers, das die Kündigung des Darlehens und die Mahnung enthalte, erreicht werden. Diese Voraussetzungen erfülle das Schreiben vom , in dem die Klägerin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie den Darlehensvertrag kündige und gleichzeitig den Sollsaldo zur Zahlung anmahne.

II.

6Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg, so dass sie zurückzuweisen ist.

7Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 607 Abs. 1 BGB aF auf Rückzahlung des Dispositionskredits in der unstreitigen Höhe von 4.431,99 € nicht verjährt ist, weil die Verjährung gemäß § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB aF gehemmt ist, seitdem der Beklagten das Schreiben der Klägerin vom vor Ablauf des Jahres 2002 zugegangen ist.

81. Nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der vorbezeichnete Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin mit dem Zugang der außerordentlichen Kündigung vom noch vor dem gemäß §§ 609 Abs. 1, 626 Abs. 1 BGB aF analog entstanden und fällig geworden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 199 Rn. 4).

9Dies ist - wovon das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend ausgegangen ist - nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum geltenden Fassung zu beurteilen, denn bei dem Kreditverhältnis der Parteien handelt es sich um ein vor dem beendetes Dauerschuldverhältnis und der Rückzahlungsanspruch der Klägerin war vor dem zu erfüllen. Auf derartige Ansprüche ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ungeachtet der Überleitungsvorschrift in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB weiterhin das vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am geltende Recht anzuwenden (, WM 2007, 2124, Tz. 9).

102. Anders verhält es sich jedoch - wovon auch das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen ist - hinsichtlich der Frage der Verjährung des hier in Rede stehenden Rückzahlungsanspruches. Diese ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der ab dem geltenden Fassung zu beurteilen. Die Verjährungsfrist für den Rückzahlungsanspruch der Klägerin betrug folglich gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie hat, da die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB noch vor dem vorlagen, mit Ablauf dieses Tages begonnen und hätte ohne das Hinzutreten weiterer Umstände mit Ablauf des geendet.

113. Einen solchen Umstand hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision rechtsfehlerfrei darin gesehen, dass § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB aF auf den streitgegenständlichen Darlehensrückzahlungsanspruch anzuwenden ist und dessen Verjährung deshalb zumindest seit dem gehemmt war.

12a) Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien über die Einräumung des Dispositionskredits unterfällt dieser Vorschrift, denn die Beklagte ist Verbraucherin im Sinne von § 13 BGB.

13b) Anders als die Revision meint, ist die Beklagte durch die Mahnung, die nach der unangegriffenen tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts in dem Kündigungsschreiben der Klägerin vom enthalten ist, wirksam im Sinne von § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (jetzt: § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB), § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verzug gesetzt worden. Insbesondere gebietet der vom Gesetzgeber mit den Regelungen des Verbraucherdarlehensrechts verfolgte Schuldnerschutz keine Auslegung von § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB aF beziehungsweise § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend, dass Fälligstellung und Mahnung im Rahmen von § 497 BGB aF nicht verzugsbegründend verbunden werden können.

14aa) Es entspricht der heute ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass es zur Herbeiführung des Schuldnerverzuges einer Mahnung des Gläubigers bedarf, die zwar grundsätzlich erst nach Fälligkeit wirksam erfolgen kann, jedoch ausnahmsweise mit der die Fälligkeit begründenden Handlung des Gläubigers verbunden werden darf (RGZ 50, 255, 261; BGHZ 174, 77, Tz. 11; , WM 1970, 1141; vom - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012, 2014; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 286 Rn. 16; Erman/Hager, BGB, 12. Aufl., § 286 Rn. 34; PWW/Schmidt-Kessel, BGB, 5. Aufl., § 286 Rn. 11; Jauernig/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 286 Rn. 20; MünchKommBGB/Ernst, 5. Aufl., § 286 Rn. 52; Unberath in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 286 Rn. 24; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 284 Rn. 29; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB (2009), § 286 Rn. 43).

15bb) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes von § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB aF.

16Zweck dieser Vorschrift ist es, für den Bereich fälliger nichttitulierter Darlehensrückzahlungsansprüche sowie nichttitulierter Ansprüche auf Rückstände von Zinsen zu vermeiden, dass der Darlehensgeber allein zur Verhinderung der kurzen dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB die Titulierung betreibt, was die Schuldenlast des Darlehensnehmers noch weiter erhöhen würde (BT-Drucks. 14/6857 S. 66). Das hat mit der hier in Rede stehenden Frage des Verzugseintritts ersichtlich nichts zu tun.

17c) Anders als die Revision meint, ist das Berufungsgericht überdies auch zutreffend davon ausgegangen, dass sich aus dem Urteil des III. Zivilsenats des , BGHZ 174, 77 ff.) nichts anderes ergibt, soweit die streitige Rückzahlungsforderung aus einem Verbraucherdarlehensvertrag resultiert.

18aa) Nach dieser Entscheidung, die im Übrigen die oben (unter II. 3. a) aa)) angeführte ganz herrschende Meinung ausdrücklich gutheißt, vermag allein die erstmalige Zusendung einer Rechnung über eine Entgeltforderung im Sinne von § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB mit der einseitigen Bestimmung eines Zahlungszieles durch den Gläubiger den Schuldnerverzug eines Verbrauchers nicht zu begründen, wenn die Rechnung keinen Hinweis auf den Verzugseintritt oder ähnliche Zusätze enthält (BGHZ 174, 77, Tz. 11).

19bb) Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar, denn hier beruft sich die Klägerin nicht auf einen Verzug der Beklagten 30 Tage nach Fälligkeit und Rechnungszugang, sondern auf ihre im Schreiben vom nach der unangegriffenen tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts neben der Fälligstellung enthaltene Mahnung. Die Beklagte wurde damit durch eine Mahnung gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (jetzt § 286 Abs. 1 BGB) in Verzug gesetzt. Dies entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wonach durch die Neuregelung von § 286 BGB - anders als durch die in § 284 Abs. 3 Satz 1 BGB aF geregelte Ausnahme - auch für Geldforderungen wieder das Mahnungssystem gelten und dieses durch die 30-Tage-Regelung lediglich ergänzt werden soll. Der Verzug kann mithin nach der ab dem geltenden Rechtslage bei einer Geldforderung wieder durch Mahnung eintreten (BT-Drucks. 14/6040, S. 146).

204. Die Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches der Klägerin ist damit ab dem gehemmt. Durch die Zustellung des Mahnbescheides am ist die Verjährung zusätzlich gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden.

Wiechers                                       Joeres                                      Mayen

                       Ellenberger                               Matthias

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1994 Nr. 34
NJW 2010 S. 2940 Nr. 40
WM 2010 S. 1596 Nr. 34
ZIP 2010 S. 1635 Nr. 34
VAAAD-48148