BSG Urteil v. - B 6 KA 5/08 R

Leitsatz

1. Durch Regelungen der Honorarverteilung dürfen Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz nicht daran gehindert werden, ihr Honorar innerhalb von fünf Jahren bis zum Durchschnittsumsatz ihrer Fachgruppe zu steigern.

2. Auch unterdurchschnittliche Praxen (außerhalb der "Aufbauphase") dürfen für einen begrenzten Zeitraum von jeglicher Wachstumsmöglichkeit ausgeschlossen werden, sofern sie in der innerhalb des Fünf-JahresZeitraums verbleibenden Zeit die realistische Möglichkeit haben, den Durchschnittsumsatz zu erreichen.

3. Die gebotene Prüfung, ob ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums möglich ist, macht es erforderlich, auch die Honorarverteilungsregelungen mit in den Blick zu nehmen, die für nachfolgende, prozessual nicht streitbefangene, jedoch innerhalb dieses Zeitraums liegende Folgequartale Geltung beanspruchen.

Gesetze: SGB V F: § 85 Abs 4 S 1; SGB V F: § 85 Abs 4 S 2; SGB V F: § 85 Abs 4 S 3; SGB V F: § 85 Abs 4 S 1; SGB V F: § 85 Abs 4 S 2; SGB V F: § 85 Abs 4 S 3; GG Art 3 Abs 1; GG Art 12 Abs 1

Instanzenzug: SG Kiel, S 16 KA 91/05 vom LSG Schleswig, L 4 KA 5/07 vom

Gründe

I

Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars für die Quartale III/2003 bis II/2004.

Die Klägerin ist seit 1992 als Anästhesistin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen; sie erbringt nahezu ausschließlich Leistungen auf Überweisung für Patienten einer Praxis für Kiefer- und Gesichtschirurgie. Mit Honorarbescheiden vom (für das Quartal III/2003), vom (Quartal IV/2003), vom (Quartal I/2004) und vom (Quartal II/2004) setzte die beklagte Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Honoraransprüche der Klägerin fest. Dabei wandte sie die Honorarbegrenzungen in Gestalt individueller Punktzahlvolumina (IPZ) an, die in § 12 ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) in der ab geltenden Fassung geregelt waren.

Diese im Zusammenhang mit der Aufhebung der Bestimmungen zum Praxisbudget im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) eingeführten Regelungen sahen die Bildung von IPZ für die meisten Arztgruppen einschließlich der Gruppe der Anästhesisten und für den ganz überwiegenden Teil der Leistungen vor. Für die Bildung der IPZ in den sogenannten Startquartalen (den Quartalen III/2003 bis II/2004) wurde auf das - um 3 % reduzierte - praxisindividuelle Honorar aus dem Jahr 2002 zurückgegriffen. Bei Praxen, die in den Jahren 2001 und 2002 keinen Statuswechsel vollzogen hatten, wurden auch die Quartale des Jahres 2001 berücksichtigt; in diesen Fällen wurde von dem Honorar des entsprechenden "Bestquartals" ausgegangen. Für Leistungen innerhalb der IPZ wurde ein Punktwert von 4,5 Cent angestrebt; darüber hinausgehende Mehrleistungen wurden mit 0,05 Cent vergütet. Für die Weiterentwicklung der Vergütung nach Ablauf der Startquartale (sogenannte Folgequartale ab III/2004) traf § 12.4.3 HVM gesonderte Regelungen, nach denen sich ein Honorarwachstum im Wesentlichen nach dem Maß der Überschreitung oder Unterschreitung der IPZ und nach dem Abrechnungsverhalten der übrigen Ärzte der Fachgruppe richtete. Die erreichbare Zugewinnmenge im Vergleich zum entsprechenden Quartal des Vorjahres wurde zudem auf 10 % der durchschnittlichen Punktzahlanforderung je Arzt innerhalb der Fachgruppe begrenzt.

Auf der Grundlage dieser HVM-Regelungen umfassten die IPZ der Klägerin Punktzahlvolumina von weniger als einem Drittel des Fachgruppendurchschnitts. Die Klägerin erhob gegen die jeweiligen Honorarbescheide, gegen die Mitteilungen der Punktzahlvolumina für die Quartale III/2003 und IV/2003 sowie gegen die Ablehnung ihres Härtefallantrags durch Bescheid vom erfolglos Widerspruch (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom ) und Klage (Urteil des Sozialgerichts vom ). Auch ihre Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

Im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ist ausgeführt, die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, bei der - grundsätzlich zulässigen - Bildung von Individualbudgets die Gruppe der Anästhesisten auszunehmen; dies folge bereits aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom (DÄ 2003, A-218). Geklärt sei, dass Individualbudgets auch Leistungen umfassen dürften, die zu einem maßgeblichen Teil auf Überweisung erbracht würden. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, etwa gegenüber Radiologen, berufen. Ebenso wenig ergebe sich ein Anspruch darauf, von der Budgetierung ausgenommen zu werden, unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei der Praxis der Klägerin um eine kleine Praxis mit unterdurchschnittlichem Honorarvolumen handele. Zwar müsse der HVM generell Wachstumsraten in einer Größenordnung zulassen, die es einer Praxis mit unterdurchschnittlichem Umsatz noch gestatte, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit - innerhalb von fünf Jahren - zu erreichen. Die hier maßgebenden Regelungen über die Bildung eines IPZ ermöglichten für die Startquartale kein effektives Wachstum in diesem Sinne. Gleichwohl sei der HVM der Beklagten rechtmäßig, da es dieser im Rahmen des ihr zustehenden Gestaltungsspielraums nicht verwehrt sei, bei der erstmaligen Einführung von IPZ zunächst Startquartale ohne Wachstumsmöglichkeit zu bilden, auf deren Grundlage sich die Weiterentwicklung der IPZ vollziehe. Dass in den Startquartalen keine effektive Steigerung des IPZ möglich gewesen sei, sei bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der für die Folgequartale geltenden Regelungen zu berücksichtigen; diese seien jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens.

Nicht zu beanstanden sei auch die Ablehnung des Härtefallantrags. Weder seien die Punktzahlanforderungen der Klägerin gerade in den Bemessungsquartalen besonders gering noch sei eine Erhöhung der IPZ aus Sicherstellungsgründen geboten gewesen. Entscheidend sei, dass die Klägerin zur Begründung ihres Härtefallantrags einen Anstieg der Anästhesien auf das Doppelte geltend gemacht habe und ein solcher Anstieg bei weitem nicht eingetreten sei. Aus diesem Grund könnten auch keine hohen Anforderungen an die Begründung des ablehnenden Bescheides gestellt werden (Urteil vom ).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere des Gebots der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom könne keine Berechtigung oder gar Verpflichtung hergeleitet werden, auch für die Fachgruppe der Anästhesisten Individualbudgets einzuführen. Speziell für diese Fachgruppe seien Honorarverteilungsregelungen zur effektiven Begrenzung des Leistungsumfangs auf Arztgruppenebene ungeeignet, da der Umfang der zu erbringenden Anästhesien ausschließlich von der Leistungsanforderung durch die Operateure abhängig sei, mit denen die Anästhesisten langfristig vertraglich verbunden seien. Diese Verknüpfung bedinge, dass die konkrete Leistungsmenge der einzelnen Anästhesisten typischerweise erheblichen Schwankungen unterliege, insbesondere im Falle des Hinzukommens oder des Wegfalls eines zuweisenden Operateurs. Die Rechtmäßigkeit der HVM-Regelungen dürfe unter diesen Umständen nicht auf der Basis einer unzutreffenden Prämisse - gleich bleibende Punktzahlanforderungen bei etablierten Ärzten - geprüft werden.

Das LSG habe sich nicht mit den Besonderheiten der Fachgruppe der Anästhesisten auseinander gesetzt. So verkenne es, dass eine Kompensation der Individualbudgetierung durch höhere Punktwerte linear nur auf Arztgruppenebene eintrete. Der einzelne Anästhesist erhalte faktisch eine Pauschalvergütung unabhängig von Leistungssteigerungen und -minderungen. Die HVM-Regelungen erfüllten bezogen auf die Anästhesisten nicht die förderungswürdigen Ziele, die eine Abweichung vom Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung rechtfertigten. Insbesondere könnten die überwiegend nicht schmerztherapeutisch, sondern im Bereich der Betreuung ambulanter Operationen tätigen Anästhesisten ihre Leistungsmenge gerade nicht effektiv steuern.

Das LSG hätte den Streitgegenstand zudem nicht eng fassen dürfen, sondern eine Gesamtschau der Wirkungsweise und Auswirkungen der Honorarbegrenzungsregelungen vornehmen müssen. Eine Beschränkung auf die streitbefangenen Startquartale führe zu Wertungswidersprüchen, weil die Beklagte in den Folgequartalen sehr hohe Wachstumsraten für unterdurchschnittliche Praxen zubilligen müsse, um den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG) Rechnung zu tragen; damit würden ihr erhebliche Gestaltungsspielräume genommen. Unabhängig davon sei der Ausschluss jeglichen Wachstums in den vier Startquartalen rechtswidrig, da "effektives" Wachstum bedinge, dass eine Praxis kontinuierlich wachsen könne. Der im HVM vorgesehenen "Weiterentwicklung" im Anschluss an die Startphase stehe entgegen, dass gerade kleine Praxen es sich wirtschaftlich nicht leisten könnten, über einen längeren Zeitraum gering vergütete Mehrleistungen zu erbringen. In Anbetracht der Sachkosten führe jede über das IPZ hinausgehende Operation zu einem Honorarverlust in Höhe von rund 80 Euro.

Die Verweigerung der Härtefallanpassung durch die Beklagte beruhe auf einem Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sowie gegen die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X. Aus der Urteilsbegründung gehe nicht hervor, welchen Prüfungsmaßstab das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Es habe sich an Stelle einer einzelfallbezogenen Ermessensprüfung mit der Prüfung begnügt, ob durch die verweigerte Härtefallanpassung Sicherstellungsprobleme entstünden.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Kiel vom aufzuheben, die Honorarbescheide vom , vom , vom und vom sowie den ihren Härtefallantrag ablehnenden Bescheid vom - jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom - abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Rechtsprechung des BSG, wonach Praxen die Möglichkeit haben müssten, in gewissem Umfang ihre Fallzahlen steigern zu können, könne nicht auf Honorarbegrenzungsmodelle übertragen werden, bei denen - wie vorliegend - nicht isoliert an der Fallzahl angesetzt, sondern umfassend der Honoraranspruch der einzelnen Praxis durch ein Individualbudget begrenzt werde. Dass der Umfang der zu erbringenden Anästhesien nicht durch die Fachgruppe gesteuert werden könne, könne sich zwar mittelbar im Rahmen der Honorarverteilung auswirken, müsse aber bei der Honorarverteilung nicht berücksichtigt werden; ob und in welcher Form sich Anästhesisten gegenüber Operateuren vertraglich verpflichteten, stelle ihre Entscheidung dar. Es sei erforderlich gewesen, bei der Erstfestlegung der Volumina für bereits etablierte Praxen kein Wachstum zuzulassen, da andernfalls der vorgesehene Zielpunktwert kaum noch zu kalkulieren gewesen wäre. Der HVM hindere keine Praxis daran, zu wachsen und dadurch Honorarsteigerungen zu erlangen. Die Regelung sei bewusst so ausgestaltet worden, dass keine Praxis im Vorhinein sicher sein könne, ob sie am Wachstum teilnehme; dadurch bestehe kein planbarer Ansatz für eine Leistungsmengensteigerung. Gerade kleine Praxen hätten aber ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten, weil sie leichter von den Wachstumsmöglichkeiten profitieren könnten.

II

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das LSG hat die für die angefochtenen Bescheide maßgeblichen Regelungen des HVM der Beklagten zu Unrecht als rechtmäßig angesehen. Diese Vorschriften berücksichtigen nicht in erforderlichem Umfang die Belange unterdurchschnittlich abrechnender Praxen.

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin, dass die Beklagte in ihrem HVM Honorarbegrenzungsregelungen in Form von Individualbudgets normiert und in deren Regelungsbereich auch die Fachgruppe der Anästhesisten einbezogen hat.

Rechtsgrundlage für Regelungen über Honorarbegrenzungen durch sog individuelle Leistungsbudgets ist § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V (in der bis zum bzw in der ab geltenden Fassung). Danach haben die KÄVen die Gesamtvergütung nach Maßgabe des HVM an die Vertragsärzte zu verteilen; bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen. Bei der Ausgestaltung des HVM haben die KÄVen einen Gestaltungsspielraum (stRspr des Senats, vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 50 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 17); diese Gestaltungsfreiheit geht typischerweise mit Rechtssetzungsakten einher und wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die jeweilige Gestaltung in Anbetracht des Zwecks der konkreten Ermächtigung unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 aaO mwN). Der HVM muss jedoch mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars (vgl BVerfGE 33, 171, 184 = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 15 R; BSGE 81, 213, 217 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152) sowie den aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten (s ua BSGE 75, 187, 191 f = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 9; zuletzt = SozR 4-2500 § 85 Nr 36 RdNr 10).

In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat auch sog Individualbudgets für rechtmäßig erklärt, die nach Abrechnungsergebnissen der jeweiligen Arztpraxis aus vergangenen Zeiträumen bemessen wurden und deren gesamtes Leistungsvolumen umfassen (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 10 ff; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 9, 11; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 53, 55; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 21, 25; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 S 145). Die KÄVen sind berechtigt, die Individualbudgets oder individuelle Bemessungsgrenzen so auszugestalten, dass die Restvergütungsquote auf Null sinkt (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 12; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 S 145).

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Beklagte bereits aufgrund des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom (DÄ 2003, A-218), durch den die Praxisbudgets mit Ablauf des außer Kraft gesetzt wurden, verpflichtet fühlen musste, auch die - bislang den Praxisbudgets unterworfene - Fachgruppe der Anästhesisten in die Honorarbegrenzungsregelungen einzubeziehen. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist es jedenfalls zulässig, derartige Individualbudgets auch für solche Fachgruppen einzuführen, die vorwiegend oder ausschließlich auf Überweisung tätig werden (vgl zB BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, jeweils RdNr 50 - Laborärzte; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 164 - Laborärzte), ebenso für Leistungen, die überweisungsgebunden und einer Mengenausweitung grundsätzlich nicht zugänglich sind (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 18; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 50; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, jeweils RdNr 15 und RdNr 30; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409).

Zwar ist einziger und damit zugleich wesentlicher Leistungsbereich der Fachgruppe der Anästhesisten - mit Ausnahme vorwiegend schmerztherapeutisch tätiger Ärzte, zu denen die Klägerin aber nicht gehört - die anästhesistische Begleitung ambulanter Operationen (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 21). Damit besteht naturgemäß eine starke Abhängigkeit der Anästhesisten von den zuweisenden Operateuren. Der Senat hat jedoch bereits entschieden, dass die Berechtigung zur Einführung von Honorarbegrenzungsregelungen ungeachtet des Umstandes besteht, dass die Menge der von einer Arztgruppe erbrachten Leistungen vorwiegend vom Überweisungsverhalten der anderen Vertragsärzte abhängig ist (BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, jeweils RdNr 50). Die Zuordnung zu einem Honorarkontingent wird nicht einmal ohne Weiteres dadurch rechtswidrig, dass die Leistungsmengen erkennbar durch andere Ärzte und deren Überweisungsaufträge ausgeweitet werden (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 50). Nichts anderes trägt aber die Klägerin vor, wenn sie geltend macht, von einem Mengenzuwachs infolge des Eintritts eines weiteren Behandlers in der zuweisenden Praxis betroffen zu sein.

Speziell für die Fachgruppe der Anästhesisten hat der Senat zudem bereits mit Urteil vom (B 6 KA 43/06 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 28) klargestellt, dass sich weder den gesetzlichen Vorschriften noch den Bestimmungen des EBM-Ä entnehmen lässt, dass die vertragsärztlichen Leistungen der Fachärzte für Anästhesiologie vollständig von Mengen steuernden Regelungen der Honorarverteilung, wie sie die Zuordnung zu fachgruppen- oder leistungsbezogenen Kontingenten darstellt, freigestellt werden müssten.

Hieran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung bezogen auf ein Individualbudget fest. Die von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte - insbesondere die geltend gemachten Schwankungen der Leistungsmenge in Abhängigkeit von den zuweisen Operateuren - gebieten keine abweichende Entscheidung. Abgesehen davon, dass die Anästhesisten den Umfang der Leistungsmenge durch entsprechende vertragliche Gestaltungen mit Operateuren sehr wohl (mit)steuern können, kann davon ausgegangen werden, dass sich auftretende Schwankungen im Laufe eines längeren Betrachtungszeitraums - wie hier von bis zu zwei Jahren - mehr oder weniger ausgleichen.

So lässt die Umsatzstatistik der Klägerin über die gesamte Dauer ihrer Tätigkeit stark schwankende Fallzahlen in Form eines quartalsweisen Auf und Ab erkennen; zudem ergeben die unterschiedlichen Fallzahlen ein vergleichsweise willkürliches Muster. Die Umsatzstatistik belegt auch keineswegs die Behauptung der Klägerin, ihre Fallzahlen durch das Hinzutreten eines weiteren Zuweisers drastisch gesteigert zu haben, denn die zum eingetretene "Verdoppelung" der Zahl der zuweisenden Operateure hat sich nicht entsprechend in den Fallzahlen niedergeschlagen. So ist es lediglich im Quartal IV/2003 zu einem gravierenden Anstieg der Fallzahlen gekommen, während sich die - weiterhin schwankenden - Fallzahlen in den übrigen streitbefangenen Quartalen weitgehend auf einem Niveau bewegen, das die Klägerin bereits in früheren Quartalen erreicht hatte.

2. Die für die Beurteilung des Rechtsstreits maßgeblichen Regelungen des HVM der Beklagten entsprechen jedoch nicht den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung der Belange unterdurchschnittlich abrechnender Praxen entwickelt worden sind. Zu dieser Gruppe gehört auch die Praxis der Klägerin, da die ihr in den strittigen Quartalen zugewiesenen Punktzahlen weniger als ein Drittel des Fachgruppendurchschnitts betrugen.

a) In der Rechtsprechung des Senats ist wiederholt klargestellt worden, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (BSGE 83, 52, 58 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 ff; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18 ff; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 53; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 21; , RdNr 10 - juris; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16, sowie das weitere Urteil vom , B 6 KA 10/06 R = MedR 2007, 560 = USK 2007-26; Beschluss vom , B 6 KA 45/07 B, RdNr 8; zuletzt Beschluss vom , B 6 KA 64/07 B, RdNr 9 - juris; vgl auch BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6, RdNr 16, 19; BSGE 89, 173, 182 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 378). Dem Vertragsarzt muss die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19).

Auch wenn es sich bei Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatzniveau typischerweise insbesondere um solche handeln wird, die neu gegründet worden sind (vgl ua BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19), ist deren Erwähnung in der Senatsrechtsprechung lediglich beispielhaft zu verstehen; nichts anderes gilt für den Begriff der "im Aufbau" befindenden Praxen (vgl ua BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16). Die grundsätzliche Verpflichtung zur Gewährleistung einer gewissen Wachstumsmöglichkeit beschränkt sich nicht allein auf diese, sondern erfasst alle Praxen, deren Umsatz den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe unterschreitet. Bereits in seinem grundlegenden Urteil vom (B 6 KA 71/97 R, BSGE 83, 52, 60 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 209) hat der Senat klargestellt, dass der Umstand einer dauerhaften Festschreibung einer ungünstigen Erlössituation als Folge unterdurchschnittlicher Umsätze für alle kleinen Praxen - nicht nur für neu gegründete - berücksichtigt werden und ein HVM so ausgestaltet werden muss, dass auch solche Vertrags(zahn)ärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl, die nicht mehr als Praxisneugründer angesehen werden können, nicht gehindert werden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen (in diesem Sinne ua auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16, sowie das weitere Urteil vom , B 6 KA 10/06 R = MedR 2007, 560 = USK 2007-26; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18: "aber nicht nur"; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 21: "jeder Arzt"; zuletzt , RdNr 9 - juris; vgl auch Clemens in Wenzel [Hrsg], Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Aufl 2009, Kap 11 RdNr 268).

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Senat seine Rechtsprechung damit begründet hat, das über lange Jahre hinweg relativ konstante Umsatzniveau einer etablierten Praxis stelle einen zuverlässigen Indikator des von dem Vertrags(zahn)arzt gewünschten oder erreichbaren Ausmaßes seiner Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung dar (BSGE 83, 52, 57 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f), denn diese typisierende Betrachtung stellt darauf ab, dass das erreichte Umsatzniveau das Ergebnis einer bewussten Entscheidung des Praxisinhabers ist. Ist dies hingegen nicht der Fall, ist auch Inhabern bislang unterdurchschnittlicher Praxen die Möglichkeit zu eröffnen, ein anderes, höheres Umsatzniveau anzustreben und zu erreichen.

Ob sich die Wachstumsmöglichkeit allein auf eine Erhöhung der Zahl der von den Vertragsärzten behandelten Fälle bzw Patienten beziehen muss (so die bisherige Rechtsprechung des Senats, vgl BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 207 f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 53; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; Beschluss vom , B 6 KA 45/07 B, RdNr 8), oder ob eine Steigerungsmöglichkeit auch in der Form gewährt werden kann oder muss, dass anstelle eines Fallzahlzuwachses (oder zumindest gleichberechtigt daneben) auch Fallwertsteigerungen zu berücksichtigen sind, die etwa auf einer Veränderung in der Morbidität des behandelten Patientenstamms oder einer Veränderung der Behandlungsausrichtung beruhen (siehe hierzu auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2003, § 85 RdNr 254f; vgl ferner Clemens, aaO, RdNr 268), kann offenbleiben, denn die Klägerin hat in den strittigen Quartalen sowohl ihre Fallzahl wie auch ihren Umsatz gesteigert.

Die danach allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen einzuräumende Möglichkeit, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen (BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16), bedeutet jedoch nicht, dass diese Praxen von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont werden müssten (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5 RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18). Derartiges ist allein den neu gegründeten Praxen einzuräumen, solange diese sich noch in der Aufbauphase befinden (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18); diese Praxen sind für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen (BSG, aaO, RdNr 19).

Im Hinblick auf die mit der Einführung individueller Leistungsbudgets verfolgten Ziele der Punktwertstabilisierung und der Gewährleistung von Kalkulationssicherheit ist es vielmehr auch unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zumutbar, dass ihr pro Jahr zulässiges Honorarwachstum beschränkt wird. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass diese Begrenzung nicht zu eng ist (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18). Daher sind Wachstumsraten in einer Größenordnung zuzulassen, die es noch gestattet, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit zu erreichen (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18). Absehbar in diesem Sinne ist ein Zeitraum von fünf Jahren (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16, sowie das weitere Urteil vom , B 6 KA 10/06 R = MedR 2007, 560 = USK 2007-26).

Im Gegensatz zur sog "Aufbauphase" bei neu gegründeten Praxen ist dieser Fünf-Jahres-Zeitraum nicht in dem Sinne statisch, dass er ab einem fixen Zeitpunkt - dem der Praxisneugründung oder -übernahme - beginnt und durch Zeitablauf endet. Ebenso wenig erschöpft sich die Verpflichtung in der Gewährung einer einmaligen Wachstumsmöglichkeit, die nach Ablauf des Zeitraums nicht mehr eingeräumt werden muss; vielmehr besteht sie solange fort, bis die Praxis den Durchschnittsumsatz erreicht hat. Dementsprechend sind Zeitraum und Wachstumsmöglichkeit dynamisch auf die jeweilige, zur gerichtlichen Überprüfung anstehende Honorarbegrenzungsregelung zu beziehen. Alle für die betroffene Praxis maßgeblichen HVM-Regelungen, insbesondere Honorarbegrenzungsregelungen, müssen so viel Spielraum zulassen, dass der Durchschnittsumsatz innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden kann.

Schon daraus folgt, dass bei der rechtlichen Prüfung auch die HVM-Regelungen mit in den Blick zu nehmen sind, die für nachfolgende, prozessual nicht streitbefangene, jedoch innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums liegende Folgequartale Geltung beanspruchen. Denn nur auf diesem Wege kann - sofern nicht bereits die im streitbefangenen Zeitraum maßgeblichen Regelungen das erforderliche Wachstum ermöglichen - festgestellt werden, ob die Vorgaben der Senatsrechtsprechung eingehalten werden. Sollte die Prüfung ergeben, dass auch die nachfolgend maßgeblichen Regelungen es unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen nicht ermöglichen, den Durchschnittsumsatz innerhalb des maßgeblichen Zeitraums zu erreichen, begründet dies zugleich die Rechtswidrigkeit der für den streitbefangenen Zeitraum geltenden Regelung.

Die Einbeziehung der für den nachfolgenden Zeitraum maßgeblichen HVM-Regelungen in die Prüfung ist erst recht dann unabdingbar, wenn der HVM - wie hier - Bestimmungen der Art enthält, die ein Wachstum für einen begrenzten Zeitraum völlig ausschließen. Zwar ist es rechtlich nicht geboten, unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen außerhalb der Aufbauphase eine Wachstumsmöglichkeit zu jeder Zeit - dh in jedem einzelnen Abschnitt (bzw Abrechnungszeitraum) innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums - einzuräumen; lediglich Neugründer müssen die Gelegenheit erhalten, ihren Umsatz sofort zu steigern (siehe oben). Auch wenn der Senat ausgeführt hat, dass der HVM es dem einzelnen Vertragsarzt mit unterdurchschnittlichem Umsatz nicht nur überhaupt, sondern auch "in effektiver Weise" ermöglichen muss, den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu erreichen (BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 20; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; zuletzt , RdNr 9 - juris), erfordert eine "effektive" Möglichkeit keine kontinuierliche Steigerungsmöglichkeit, sondern ist auf das Ergebnis - das Erreichen des Durchschnittsumsatzes - ausgerichtet. Somit sind - für Praxen außerhalb der Aufbauphase - auch HVM-Regelungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, die ein Honorarwachstum innerhalb eines gewissen Zeitraums vollständig unterbinden.

Dies gilt für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen wie die der Klägerin jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie jedenfalls in der nach Ablauf des Moratoriums verbleibenden restlichen Zeit noch die "effektive", dh realistische, Möglichkeit haben, den Durchschnittsumsatz zu erreichen. Mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht im Einklang stehen daher nicht allein Regelungen, die den für ein Wachstum verbleibenden Zeitraum derart einschränken, dass nicht erreichbare Steigerungsraten erforderlich wären, um zum Durchschnitt aufzuschließen, sondern bereits solche, die für die Folgezeit Wachstumsbeschränkungen normieren, welche ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums realistischer Weise nicht erwarten lassen.

b) Letzteres ist vorliegend der Fall. Die für die Zeit nach Beendigung der "Startphase" geltenden Regelungen in § 12.4.3 des HVM der Beklagten ermöglichen es unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen nicht, in den verbleibenden vier Jahren den Durchschnittsumsatz zu erreichen. Theoretisch ist zwar im jeweiligen Folgequartal eine Erhöhung des IPZ um bis zu 10 % der durchschnittlichen Punktzahlanforderung je Arzt der Arztgruppe möglich, doch hängt dies von weiteren Faktoren ab. Der einzelne Arzt hat nur begrenzten Einfluss darauf, ob und in welchem Umfang er von dieser Wachstumsmöglichkeit profitiert, da das Ausmaß der Möglichkeit der "Weiterentwicklung" nicht primär vom eigenen Abrechnungsverhalten abhängig ist, sondern sich maßgeblich nach dem der übrigen Ärzte der Fachgruppe richtet. Die im Falle einer Überschreitung des individuellen Gesamtvolumens bestehende Möglichkeit einer sockelwirksamen Anhebung hängt, wie dies der HVM in § 12.4.3 Buchst a Satz 3 selbst formuliert, "jedoch von den Überschreitungen aller Praxen sowie von den für Zuwächse der Volumina zur Verfügung stehenden Punktzahlmenge" ab.

Bereits die für ein Wachstum aller Praxen einer Arztgruppe pro Jahr insgesamt zur Verfügung stehende Punktzahlmenge ist gemäß § 12.4.3 Buchst a.a.2 Satz 3 HVM auf zwei Prozent der "Summe der individuellen Gesamtvolumen" (dh des Gesamtpunktzahlvolumens) in der Arztgruppe beschränkt; sie wird zusätzlich dadurch verringert, dass sie ggf durch eine von allen Praxen der Arztgruppe zu zahlende "Wachstumsumlage" zu finanzieren ist. Hinzu kommt, dass gemäß § 12.4.3 Buchst a.a.3 HVM die zur Verteilung anstehende "Zugewinnmenge" nach einem bestimmten Modus verteilt wird. Danach erhält zunächst die Praxis mit der höchsten prozentualen Überschreitung ein Prozent Zuwachs ihres individuellen Gesamtvolumens zugesprochen. Im Folgeschritt wird die Zugewinnmenge um die zugesprochene Punktzahl vermindert sowie die rechnerische prozentuale Überschreitung der begünstigten Praxis um einen Prozentpunkt reduziert. Danach wiederholt sich das Verfahren bei derjenigen Praxis, die nun die höchste prozentuale Überschreitung aufweist; dies kann weiterhin die erstgenannte Praxis sein. Dieses Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis die vorgesehene "Zugewinnmenge" aufgebraucht ist. Innerhalb des Verfahrens wird eine Praxis dann nicht mehr berücksichtigt, wenn sie einen absoluten Punktzahlzuwachs von 10 % der durchschnittlichen Punktzahlanforderung erreicht hat.

Für unter dem (Punktzahl-)Durchschnitt der Fachgruppe liegende Praxen wie die der Klägerin ist angesichts dieser Vorgaben ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes ausgeschlossen. Schon rein rechnerisch besteht angesichts einer auf zwei Prozent des Gesamtpunktzahlvolumens beschränkten "Zugewinnmenge" bei gleichmäßigem Verhalten aller Praxen auch nur eine Zuwachsmöglichkeit in entsprechender Höhe; Aussicht auf einen zehnprozentigen Zuwachs hätte ein Fünftel aller Praxen dann, wenn alle übrigen Praxen ihren Umsatz überhaupt nicht gesteigert hätten. Das eine wie das andere ist jedoch unrealistisch.

Unterdurchschnittlich abrechnende Praxen hätten im Übrigen nur dann eine reale Chance auf Gewährung einer signifikanten Punktzahlerhöhung, wenn entweder etablierte, zumindest durchschnittlich abrechnende Praxen ihre Leistungsmenge nicht ebenfalls signifikant steigerten, oder dann, wenn zum einen ihr Umsatz nicht allzu weit vom durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe entfernt ist und sie zum anderen weit überdurchschnittliche Umsatzzuwächse aufweisen. Nach der Rechtsprechung des Senats muss eine Wachstumsmöglichkeit jedoch allen unterdurchschnittlichen Praxen offenstehen. Ausweislich der Umsatzstatistik betrug das Honorar der Klägerin in den strittigen Quartalen nicht einmal ein Drittel des Fachgruppendurchschnitts. Hinzu kommt, dass ihre Praxis - fachgruppen-typisch - kein konstantes Wachstum aufweist, sondern sowohl die Fallzahl als auch der Umsatz stärkeren Schwankungen unterliegen.

Die von der Beklagten hervorgehobene "Bevorzugung" unterdurchschnittlich abrechnender Praxen - bei gleicher betragsmäßiger Überschreitung erwerben sie eine höhere Prozentualität und damit auch eine günstigere Position im Verteilungsverfahren als größere Praxen - ergibt sich eher zufällig durch rechnerische Effekte und stellt keine systematische Besserstellung dieser Praxen dar. Selbst wenn dies der Fall wäre, fehlte es dieser Regelung an der erforderlichen Effektivität. Denn wie die Beklagte in ihrem Berechnungsbeispiel (in "Nordlicht" - Offizielles Mitteilungsblatt der KÄV Schleswig-Holstein, Heft 3/2003 S 19) selbst veranschaulicht, hat eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis nur dann Aussicht auf einen Zuwachs, wenn sie zugleich besonders hohe Zuwachsraten aufweist. Hinzu kommt, dass auch die der Praxis prozentual zugeteilte Zugewinnmenge an das bisherige IPZ anknüpft, mit der Folge, dass eine größere Praxis eine betragsmäßig höhere Zugewinnmenge erhält als eine kleinere Praxis (so auch - juris, dort RdNr 34 = GesR 2008, 359, 360) und hierdurch die zur Verfügung stehende "Zugewinnmenge" stärker reduziert.

Somit hätte es einer Sonderregelung für unterdurchschnittliche Praxen im HVM der Beklagten bedurft, welche deren Belange und die Vorgaben des Senats angemessen berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen Regelungen über die Bemessungsgrundlage für solche Vertrags(zahn)ärzte, die wegen unterdurchschnittlicher Fallzahlen bzw -umsätze im Bemessungszeitraum das durchschnittliche Punktzahlvolumen ihrer Fachgruppe (noch) nicht erreicht haben, im HVM selbst normiert werden (BSGE 83, 52, 60 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 209; ebenso BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 23). Der HVM der Beklagten enthält zwar in § 12.4 Abs 4 bestimmte Sonderregelungen, jedoch erfassen diese nur veränderte oder neue Praxisstrukturen, Neugründungen oder Praxisübernahmen. Hingegen fehlen - abgesehen von einer Definition der "unterdurchschnittlichen Praxis" - jegliche spezifischen Regelungen für die Fallgruppe der unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen; für diese gilt somit die allgemeine Regelung.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirkt sich dieser Umstand auch auf die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Honorarbescheide aus, da die Rechtmäßigkeit der ihnen zugrunde liegenden, für die Startquartale geltenden HVM-Regelungen aus den oben (unter 2.a) dargestellten Gründen nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern vielmehr ein Junktim zwischen der Zulässigkeit einer Einbeziehung unterdurchschnittlicher Praxen in das während der Startphase geltende Moratorium und ausreichenden Wachstumsmöglichkeiten in der Folgezeit besteht. Wie dargelegt, muss schon bei Inkrafttreten einer - Wachstumsmöglichkeiten zeitlich begrenzt ausschließenden - HVM-Regelung feststehen und somit normativ geregelt sein, dass und wie unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen in der Folgezeit ermöglicht wird, den Durchschnitt zu erreichen.

c) Es steht der Beklagten im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit bei der von ihr vorzunehmenden Neuregelung allerdings frei, wie sie die Belange unterdurchschnittlich abrechnender Praxen angemessen berücksichtigt. So könnte sie das Moratorium für diese Praxen außer Kraft setzen und ihnen durchgehend ausreichende Wachstumsmöglichkeiten gewähren. Rechtlich nicht zu beanstanden wäre es aber auch, wenn sie zwar die Wachstumsmöglichkeiten auch dieser Praxen zeitlich begrenzt aussetzte, ihnen jedoch in der - im Hinblick auf die erfolgte Verkürzung des für ein Wachstum zur Verfügung stehenden Zeitraums besonders bedeutsamen - Folgezeit ausreichende Weiterentwicklungsmöglichkeiten einräumte, die es ihnen realistischer Weise ermöglichten, innerhalb der verbleibenden vier Folgejahre zum Durchschnitt der Fachgruppe aufzuschließen.

3. Demgegenüber hat es die Beklagte im Ergebnis zu Recht abgelehnt, das Honorar der Klägerin im Wege einer Härtefallentscheidung zu erhöhen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der HVM eine mehr oder weniger allgemein gehaltene Härteklausel enthalten (BSGE 83, 52, 61 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 196; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 53; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 21, 29; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 38). Enthält er keine oder nur eine zu eng gefasste, so ist eine generelle Härteklausel auf Grund gesetzeskonformer Auslegung stillschweigend als im HVM enthalten anzunehmen (vgl BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, jeweils RdNr 38 mwN; zur Unbeachtlichkeit des Fehlens einer ausdrücklichen allgemeinen Härteklausel s auch = USK 2004-146 S 1062 f; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 30).

Vorliegend fehlt es jedoch bereits an Ansatzpunkten für die Annahme eines Härtefalles. Nach der Rechtsprechung des Senats können hierzu überraschende Änderungen in der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region oder eine Änderung in der Behandlungsausrichtung der Praxis im Vergleich zum Bemessungszeitraum gehören (BSGE 83, 52, 61 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 196; zu weiteren Konstellationen siehe Clemens, aaO, RdNr 271). Derartiges ist jedoch nicht erkennbar. Selbst wenn man auch den von der Klägerin vorgetragenen Umstand des Hinzutretens eines weiteren Operateurs in der zuweisenden Praxis dem Grunde nach als Härtegesichtspunkt berücksichtigen würde, fehlte es an tatsächlichen Auswirkungen, da es - wie bereits oben ausgeführt - nicht zu einer gravierenden Veränderung der Fallzahlen gekommen ist.

Die Entscheidung der Beklagten über den Hilfsantrag leidet auch nicht unter einem Begründungsmangel. Bei der Prüfung dieser Ermessensentscheidung sind die Gerichte nicht darauf beschränkt, nur die Gründe in der Form zu würdigen, wie sie gemäß § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X in der schriftlichen Begründung der Bescheide ihren Niederschlag gefunden haben (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 33). Wenn die bei Erlass der Bescheide von der Behörde tatsächlich angestellten Erwägungen lediglich unvollständig oder unklar in ihrer Begründung wiedergegeben wurden, können sie auch noch im Laufe des anschließenden Gerichtsverfahrens in den Tatsacheninstanzen präzisiert oder ergänzt werden (BSG, aaO). Im Übrigen lässt sich jedenfalls der Widerspruchsbegründung entnehmen, dass die ablehnende Entscheidung (auch) darauf beruht, dass es überhaupt nicht zu einer gravierenden Fallzahlsteigerung gekommen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, soweit sie unterlegen ist.

Fundstelle(n):
ZAAAD-28027