BGH Beschluss v. - VI ZB 75/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 574 Abs. 2; ZPO § 577 Abs. 1

Instanzenzug: LG Lüneburg, 9 S 74/08 vom AG Soltau, 4 C 60/08 vom

Gründe

I.

Das ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am zugegangen. Mit Schriftsatz vom , per Fax eingegangen beim Landgericht am selben Tage, hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt und beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren und die Frist zur Berufungsbegründung bis zum zu verlängern. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat er vorgetragen, ihn treffe kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist. Diese beruhe auf einem Fehler der Angestellten L. seines Prozessbevollmächtigten, das diesem nicht zuzurechnen sei. Einzuhaltende Fristen würden im Büro seines Prozessbevollmächtigten durch Eintragung in einen Papierkalender kontrolliert. Die mit der Fristennotierung und Fristenkontrolle beauftragte Mitarbeiterin L. habe es versäumt, die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist nebst den entsprechenden Vorfristen im Papierkalender zu notieren. Stattdessen habe sie die Fristen in den elektronischen Kalender eingetragen. Das Verschulden von Frau L. sei dem Prozessbevollmächtigten und dem Beklagten nicht zuzurechnen. Frau L. sei eine ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte, die seit im Büro des Prozessbevollmächtigten als Büroleiterin tätig gewesen sei. Sie sei durch zwei weitere Mitarbeiterinnen des Beklagten in die Organisation der Fristenkontrolle eingewiesen worden. Das Beschäftigungsverhältnis mit Frau L. sei am innerhalb der Probezeit gekündigt worden, nachdem Frau L. erklärt habe, dass sie sich der Arbeit und der Belastung im Büro des Prozessbevollmächtigten nicht gewachsen fühle. Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags bezieht sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwalts- und Notargehilfin N.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist erstrebt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

1.

Allerdings begegnet der angefochtene Beschluss Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschlüsse vom - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424 und vom - VI ZB 46/07 - VersR 2008, 1374; BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 56/01 -VersR 2003, 926; vom - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78 und vom - IX ZB 63/03 - NJW-RR 2005, 916). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.

2.

Entgegen der Annahme des Beklagten ist der Zulässigkeitsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht gegeben. Der Fall wirft nicht die klärungsbedürftige Frage auf, ob und - gegebenenfalls - unter welchen Voraussetzungen der Anwalt in den Fällen, in denen nach der Büroorganisation die Eintragung in den in Papierform geführten Fristenkalender maßgeblich ist, durch organisatorische Maßnahmen/Vorkehrungen sicherstellen muss, dass auch die zusätzlich im elektronischen Kalender eingetragenen Fristen überwacht werden. Diese Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil nach dem Vortrag des Beklagten im Büro seines Prozessbevollmächtigten lediglich der Fristenkalender in Papierform zur Fristenkontrolle geführt wird. Bei der zur Fristversäumnis führenden Eintragung in den elektronischen Fristenkalender handelte es sich um eine von der allgemeinen Büroorganisation abweichende eigenmächtige Handhabung durch die ehemalige Mitarbeiterin L.

3.

Bei dieser Sachlage erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht eine höchstrichterliche Entscheidung, weil der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang steht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt wurde (BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 18/92 - VersR 1993, 772, 773 und vom - II ZB 1/05 - VersR 2007, 1391). Um einen solchen Fall handelt es sich hier.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen (BGH, Beschlüsse vom - XII ZR 140/02 - BGHR ZPO § 233 - Fristenberechnung 5 m.w.N. und vom - IX ZA 14/07 - AnwBl 2008, 71). Ein Prozessbevollmächtigter darf aber mit der Notierung und Überwachung von Fristen Personal nur betrauen, soweit nicht besondere Gründe gegen deren Zuverlässigkeit sprechen.

b)

Den Beklagtenvertreter trifft an der Nichteinhaltung der Berufungsfrist ein eigenes Kontrollverschulden, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Beklagten zuzurechnen ist. Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht zu entnehmen, wodurch sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten von der Zuverlässigkeit der zum neu eingestellten Mitarbeiterin L. überzeugt hätte, bevor er ihr die Fristenkontrolle zur selbständigen Erledigung übertrug. Allein der Umstand, dass Frau L. die Prüfung zur Rechtsanwaltsfachangestellten mit der Note "gut" bestanden hatte, machte die anfängliche Kontrolle der Arbeit von Frau L. nicht entbehrlich. Daraus ergibt sich nicht schon mit hinreichender Sicherheit, dass Frau L. die ihr übertragenen Aufgaben zuverlässig erledigen würde. Auch dass Frau L. von ihren Kolleginnen in die Büroorganisation eingewiesen worden ist, gibt keinen Aufschluss darüber, dass sich der Beklagte von ihrer Zuverlässigkeit überzeugt hätte. Da der Beklagte weitere Maßnahmen, die in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten zur Prüfung der Zuverlässigkeit der neu eingestellten Kraft getroffen worden sind, nicht dargelegt hat und dies im Verfahren der Rechtsbeschwerde auch nicht mehr nachgeholt werden kann, kommt eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist nicht in Betracht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DAAAD-15971

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein