Thüringer Landesfinanzdirektion - S 4500 A - 08 - A 3.14

Beurteilung von Erbbaurechtsvorgängen

und , Verfügung vom – S 4500 A – 08 – L 244 – (Karteikarte 1 zu § 1 GrEStG)

1. Erbbaurechte stehen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG den Grundstücken gleich. Die auf Grundstücke abgestellten Vorschriften des Grunderwerbsteuerrechts gelten daher für Erbbaurechte und Untererbbaurechte (nachstehend als Erbbaurecht bezeichnet) entsprechend. Der Grunderwerbsteuer unterliegen somit die folgenden Rechtsvorgänge:

1.1 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG

1.1.1 ein Vertrag, der den Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts begründet ( BStBl 1980 II S. 135 und 136, mit weiteren Nachweisen),

1.1.2 ein Vertrag, der den Anspruch auf Übertragung eines Erbbaurechts begründet ( BStBl 1980 II S. 136),

1.1.3 die Ausübung des Vorrechts auf Erneuerung des Erbbaurechts nach § 31 ErbbauVO und

1.1.4 eine Vereinbarung über die Verlängerung eines Erbbaurechts ( BStBl 1993 II S. 766).

1.2 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG

1.2.1 eine auf die Bestellung eines Erbbaurechts gerichtete Einigung, wenn kein Rechtsgeschäft im Sinne der vorstehenden Nr. 1.1.1 vorausgegangen ist,

1.2.2 eine auf die Übertragung eines Erbbaurechts gerichtete Einigung, wenn kein Rechtsgeschäft im Sinne der vorstehenden Nr. 1.1.2 vorausgegangen ist,

1.2.3 ein Rechtsgeschäft, durch das ein Erbbaurecht vor dem vereinbarten Zeitablauf aufgehoben oder auf ein Erbbaurecht verzichtet wird ( BStBl 1980 II S. 136),

1.2.4 der Heimfall eines Erbbaurechts nach § 32 ErbbauVO ( BStBl 1970 II S. 130).

Bei einem Heimfall eines Erbbaurechts ist § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ausnahmsweise dann anzuwenden, wenn der Heimfallanspruch auf die Nichterfüllung von Vertragspflichten zurückgeht, die in einem schuldrechtlichen Vertrag übernommen wurden und zivilrechtlich eine Hauptleistung darstellen ( BStBl 1983 II S. 683).

Nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt die Ausübung des Heimfallrechts in der Form, dass der Eigentümer des Grund und Bodens die Übertragung des Erbbaurechts auf einen von ihm bezeichneten Dritten verlangt. In diesem Fall liegt nur ein Erwerb durch den Dritten vor, der wie die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts zu behandeln ist; und

1.2.5 eine auf die Verlängerung eines Erbbaurechts gerichtete Einigung, wenn kein Rechtsgeschäft im Sinne der vorstehenden Nr. 1.1.4 vorausgegangen ist.

1.3 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG

1.3.1 der Übergang eines Erbbaurechts kraft Gesetzes und die Übertragung eines Erbbaurechts durch behördlichen Ausspruch,

1.3.2 die vorzeitige Löschung eines nicht dem Grundstückseigentümer selbst zustehenden Erbbaurechts im Erbbaugrundbuch, wenn kein Rechtsgeschäft im Sinne der vorstehenden Nr. 1.2.3 vorausgegangen ist ( BStBl 1980 II S. 136).

1.4 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG

das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren über ein Erbbaurecht.

1.5 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG

ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung eines Anspruchs auf Bestellung, Übertragung oder Verlängerung eines Erbbaurechts oder der Rechte aus einem Meistgebot begründet ( BStBl 1968 II S. 222).

1.6 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG

ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Angebot zum Abschluss eines Vertrages begründet, kraft dessen die Bestellung, Übertragung oder Verlängerung eines Erbbaurechts verlangt werden kann.

1.7 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG

die Abtretung eines in den Nrn. 1.5 und 1.6 bezeichneten Rechte, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte begründet.

2. Im Falle der Vereinbarung der Verlängerung eines Erbbaurechts entsteht die Grunderwerbsteuer mit dieser Vereinbarung. Die Besteuerung richtet sich nach der im Zeitpunkt der Verlängerung geltenden Rechtslage (vgl. Nr. 1.1.4 und das dort zitierte BFH-Urteil).

3. Überträgt der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht auf den Grundstückseigentümer zurück, weil er vertraglich eingegangene Verpflichtungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllen kann oder wird der Vertrag aus diesem Grund aufgehoben, kann ein Fall des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vorliegen ( BStBl 1983 II S. 683).

4. In den Fällen der vorstehenden Nrn. 1 und 2 ist die Grunderwerbsteuer – sofern eine Gegenleistungen vorhanden ist – vom Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG, § 9 GrEStG) zu berechnen. Zur Gegenleistung gehören

4.1 bei Bestellung, Übertragung, Erneuerung (vgl. Nr. 1) und Verlängerung (vgl. Nr. 1 und Nr. 2) von Erbbaurechten

der nach § 13 BewG kapitalisierte Wert der Erbbauzinsverpflichtung zuzüglich etwa vereinbarter Zuzahlungen oder sonstiger Leistungen.

Bei einer Übertragung des Erbbaurechts auf den Eigentümer des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks gehört der kapitalisierte Wert der Erbbauzinsverpflichtung jodoch nicht zur Gegenleistung (, BStBl 2008 II S. 486). Die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses bleibt zwar als Eigentümerreallast bestehen, sie stellt aber keine echte Belastung für den Grundstückseigentümer dar.

Eine Beschränkung des Jahreswerts der Erbbauzinsverpflichtung auf den 18,6-ten Teil des Werts des Grund und Bodens des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks (§ 16 BewG) kommt nicht in Betracht (§ 17 Abs. 3 Satz 2 BewG).

4.2 bei Aufhebung eines Erbbaurechts

die aus Anlass der Aufhebung ausbedungene Entschädigung und etwaige sonstige Leistungen. Hierzu rechnet insbesondere eine vom Grundstückseigentümer für die Übernahme eines vom Erbbauberechtigten errichteten oder erworbenen Bauwerks gezahlte Entschädigung (einschl. z. B. der Übernahme der auf dem Erbbaurecht lastenden Hypotheken). Der kapitalisierte Wert der erlöschenden Erbbauzinsverpflichtung gehört dagegen nicht zur Gegenleistung.

4.3 bei Heimfall eines Erbbaurechts

die dem Erbbauberechtigten zu gewährende Vergütung und etwaige sonstige Leistungen [z. B. auf dem Erbbaurecht lastende und auf den Eigentümer übergehende Hypotheken oder dgl. (wegen der erlöschenden Erbbauzinsverpflichtung siehe Nr. 4.2)].

Wird das Erbbaurecht jedoch auf einen vom Grundstückseigentümer bezeichneten Dritten übertragen, ist dieser Fall wie die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts zu behandeln (vgl. Nr. 1.2.4).

5. Wenn keine Gegenleistung vorhanden oder ermittelbar ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) sowie in den Fällen des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 GrEStG ist die Steuer aus dem Wert des Erbbaurechts im Sinne des § 138 Abs. 3 BewG zu berechnen.

Eine Gegenleistung ist z. B. nicht vorhanden bei Rechtsgeschäften im Sinne der Nr. 1.6 sowie in Fällen der Nr. 1.7, in denen in Nr. 1.6 bezeichnete Rechte abgetreten werden ( BStBl 1969 II S. 595 und , BStBl 1972 II S. 828).

6. Erwirbt ein Erbbauberechtigter oder ein Dritter das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück, unterliegt der mit dem Grundstückserwerb verbundene Erwerb des Erbbauzinsanspruchs nicht der Grunderwerbsteuer, da das Recht auf Erbbauzins – obwohl zivilrechtlich wesentlicher Bestandteil des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks – nicht zum Grundstück gerechnet wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG). Beim Erwerb eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks ist daher die Gegenleistung auf das Grundstück einerseits und den nicht der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerb des Erbbauzinsanspruchs andererseits aufzuteilen. Hierbei kann aus Vereinfachungsgründen der Wert der Gesamtgegenleistung um den Kapitalwert des Rechts auf Erbbauzins gekürzt werden.

Beispiel:

A erwirbt von B ein Grundstück zum Kaufpreis in Höhe von 250.000 Euro. Das Grundstück ist zugunsten des C mit einem Erbbaurecht belastet, das eine Restlaufzeit von 40 Jahren hat. Der von C jährlich zu entrichtende Erbbauzins beträgt (nach mehreren Anpassungen im Rahmen einer vereinbarten Wertsicherungsklausel) 5.000 Euro.

Die Bemessungsgrundlage für den Erwerb des Grundstücks durch A berechnet sich wie folgt:

Vom Gesamtkaufpreis in Höhe von 250.000 Euro ist der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i. V. m. § 15 Abs. 1 BewG ermittelte Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs in Höhe von 82.435 Euro (Jahreswert 5.000 Euro × Vervielfältiger 16,487) abzuziehen. Die Grunderwerbsteuer für die Übertragung des Grundstücks von B auf A beträgt demnach 3,5 % von 167.565 Euro (250.000 Euro abzüglich 82.435 Euro), also 5.864 Euro.

Die LFD bittet zu beachten, dass § 1 Abs. 7 GrEStG durch Art. 13 Nr. 1 Buchstabe b des Steueränderungsgesetzes 2001 vom (BGBl. 2001 I S. 3794) aufgehoben wurde. Nach § 23 Abs. 7 Satz 2 GrEStG ist § 1 Abs. 7 GrEStG letztmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die bis zum verwirklicht wurden. Aufgrund des (BStBl 2000 II S. 433) ist § 1 Abs. 7 GrEStG aber auch für diese Erwerbsvorgänge nur noch eingeschränkt anwendbar; auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Verfügung vom – S 4500 A – 08 – St 212 – (Karteikarte 1a zu § 1 GrEStG) weist die LFD hin.

Diese Verfügung tritt an die Stelle der Verfügung vom  – S 4500 A – 08 – L 244 (Karteikarte 1 zu § 1 GrEStG).

Der Bezugserlass vom erging im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder.

Thüringer Landesfinanzdirektion v. - S 4500 A - 08 - A 3.14

Fundstelle(n):
FAAAC-97258