BGH Urteil v. - I ZR 170/05

Leitsatz

[1] a) Eine Nachahmung i.S. des § 4 Nr. 9 lit. a UWG setzt voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt ist und es sich nicht um eine selbständige Zweitentwicklung handelt.

b) Einen Unternehmer, der unabhängig von einem fremden Erzeugnis ein eigenes Produkt entwickelt hat, trifft keine generelle Pflicht zur Wahrung eines Abstands zu einem identischen oder ähnlichen Erzeugnis, das ein Mitbewerber bereits auf den Markt gebracht hat.

Gesetze: UWG § 3; UWG § 4 Nr. 9 lit. a

Instanzenzug: LG Köln, 33 O 180/04 vom OLG Köln, 6 U 221/04 vom

Tatbestand

Die Klägerin produziert und vertreibt Büromöbel. Zu ihrer Produktpalette zählt das Möbelprogramm "ICON", das sie im Juni 2003 der Tagespresse vorstellte. Den dazugehörigen Schreibtisch vertreibt die Klägerin seit Herbst 2003 in folgender Aufmachung:

Für das Möbelprogramm "ICON" erhielt die Klägerin im März 2004 einen Preis des Design-Zentrums Nordrhein-Westfalen.

Die Beklagte ist ebenfalls eine Herstellerin von Büromöbeln. Sie vertreibt seit Mitte Februar 2004 den in den folgenden Abbildungen dargestellten Schreibtisch:

Die Klägerin behauptet, bei einem Besuch ihres Ausstellungsraums am habe der Geschäftsführer der Beklagten den Schreibtisch der Modellreihe "ICON" gesehen. Sie ist der Meinung, der von der Beklagten vertriebene Schreibtisch in den vorstehend aufgeführten Gestaltungen sei eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Nachahmung ihres Produkts.

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, ohne Einwilligung der Klägerin hergestellte Schreibtische, bestehend aus einer rechteckigen Tischplatte, vier rechteckigen Füßen, zwei Querträgern, die unterhalb und entlang der schmalen Kante der Tischplatte verlaufen und je zwei Füße miteinander verbinden, wie nachstehend wiedergegeben, anzukündigen, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen:

(es folgen die vorstehenden Abbildungen des Schreibtisches der Beklagten);

2. der Klägerin Auskunft zu erteilen über die seit dem gemäß Ziffer 1 begangenen Handlungen und zwar im Einzelnen über

a) Namen und Adressen der gewerblichen Abnehmer,

b) Menge der hergestellten und ausgelieferten Exemplare,

c) Verkaufsmenge, Verkaufszeiten und Verkaufspreise,

d) erzielten Umsatz,

e) erzielten Gewinn,

f) Namen und Anschriften von Angebotsempfängern,

g) Zahl und Inhalt von Angebotsschreiben,

h) Art und Umfang der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Bundesländern und Werbeträgern;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter Ziffer I 1 bezeichneten und seit dem begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte hat behauptet, Schreibtische mit den Gestaltungsmerkmalen der Produkte der Parteien seien schon seit langem erhältlich. Das von ihr vertriebene Modell beruhe auf einer eigenen Entwicklung.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

In der Berufungsinstanz hat die Klägerin den Klageantrag zu I 1 um die Merkmale ergänzt, die nach ihrer Ansicht die wettbewerbliche Eigenart ihres Schreibtischmodells ausmachen.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG Köln OLG-Rep 2006, 319 = MD 2005, 1393).

Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG, § 1 UWG a.F. sowie Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der von der Klägerin produzierte Schreibtisch verfüge zwar über wettbewerbliche Eigenart. Die gestalterischen Besonderheiten, die das Erscheinungsbild des Schreibtisches prägten, seien die Anordnung der Tischfüße und die Art der Anbringung der Tischplatte. Die Stellung der Tischbeine zeichne sich dadurch aus, dass die Längsseite der rechteckigen Metallfüße parallel zur Längsseite der Schreibtischplatte verlaufe. Der Querbalken, der die Tischbeine verbinde, sei waagerecht angeordnet, wodurch die klare Linienführung des Tisches nochmals verstärkt werde. Die Tischplatte sei an nach innen versetzten und dadurch versteckten Abstandhaltern montiert, wodurch der Eindruck einer "schwebenden" Tischplatte entstehe.

Der Schreibtisch der Beklagten sei aber trotz der nahezu identischen Gestaltung keine Nachahmung des Modells der Klägerin. Die Beklagte habe die angegriffene Ausführung unabhängig von dem Produkt der Klägerin eigenständig entwickelt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte ihr Modell zu einem Zeitpunkt entworfen habe, als die Klägerin ihr Schreibtischmodell noch nicht auf den Markt gebracht habe. Die Beklagte habe auch nicht auf andere Weise vor der Entwicklung des von ihr vertriebenen Schreibtisches Kenntnis von dem Produkt der Klägerin erlangt.

Das Verhalten der Beklagten sei auch nicht i.S. von § 3 UWG unlauter, weil sie mit dem Vertrieb ihres Schreibtischmodells erst Monate nach dem Markterfolg der Klägerin begonnen habe. Da es an einer Nachahmung fehle, müssten zusätzliche Unlauterkeitsmerkmale vorliegen. Diese könnten nicht in einer in § 4 Nr. 9 UWG aufgeführten Herkunftstäuschung oder Rufausbeutung liegen. Zusätzliche Umstände, die eine Unlauterkeit begründen könnten, seien im Streitfall nicht gegeben. Der Entwurf des Schreibtisches der Beklagten sei vollständig fertiggestellt gewesen, bevor sie Kenntnis von dem Modell der Klägerin erlangt habe. Eine generelle Pflicht zur Wahrung eines Abstands von dem Produkt der Klägerin treffe die Beklagte nicht.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz nach §§ 8, 9, §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG i.V. mit § 242 BGB, § 1 UWG a.F. nicht zu, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Mit Blick auf das im Laufe des Rechtsstreits in Kraft getretene neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist hinsichtlich der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zwischen dem Unterlassungsanspruch einerseits und dem Auskunfts- und Schadensersatzanspruch andererseits zu unterscheiden. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Gefahren gerichtet ist, ist eine Klage nur dann begründet, wenn auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, da es anderenfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt. Demgegenüber kommt es bei der Feststellung der Schadensersatzpflicht und der Verpflichtung zur Auskunftserteilung auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Begehung an. Nachdem die Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in § 4 Nr. 9 UWG lediglich die gesetzlichen Grundlagen, nicht aber den Inhalt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes geändert hat (, GRUR 2005, 166, 167 = WRP 2005, 88 - Puppenausstattungen; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/1487, S. 18), ist eine Differenzierung nach neuem und altem Recht nicht erforderlich (, GRUR 2007, 795 Tz. 19 = WRP 2007, 1076 - Handtaschen).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das Produkt von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Dabei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (, GRUR 2007, 339 Tz. 24 = WRP 2007, 313 - Stufenleitern; Urt. v. - I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 Tz. 14 = WRP 2007, 1455 - Gartenliege).

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Schreibtisch der Modellreihe "ICON" über wettbewerbliche Eigenart verfügt.

aa) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 984 Tz. 16 - Gartenliege). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Es hat angenommen, der Schreibtisch verfüge über gestalterische Besonderheiten, die sein Erscheinungsbild prägten. Diese lägen in der Anbringung der Tischplatte, die einen "schwebenden" Eindruck vermittele und in der parallelen Ausrichtung der Längsseite der rechteckigen Tischfüße zur Längsseite der Tischplatte. Der Schreibtisch verfüge über eine klare Linienführung, die noch durch den waagerechten Querbalken verstärkt werde, der die Tischbeine verbinde. Die Kombination dieser Gestaltungsmerkmale sei geeignet, dem Schreibtisch gegenüber vergleichbaren Modellen der Konkurrenz ein individuelles Erscheinungsbild zu verleihen und so auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen.

Dagegen wendet sich die Revisionserwiderung ohne Erfolg mit der Begründung, es handele sich um allgemein übliche Gestaltungsmerkmale, die zur Kennzeichnung der Herkunft des Schreibtisches nicht geeignet seien. Den maßgeblichen Verkehrskreisen seien verdeckt gelagerte Tischplatten und schlicht-elegante Gestaltungen von Schreibtischen bekannt. Davon unterscheide sich das Modell der Klägerin nicht so deutlich, dass der Verkehr aus der Kombination der Einzelmerkmale auf die betriebliche Herkunft schließe.

bb) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass auch die als neu empfundene Kombination bekannter Gestaltungselemente eine wettbewerbliche Eigenart begründen kann (vgl. , GRUR 1998, 477, 478 = WRP 1998, 377 - Trachtenjanker; Urt. v. - I ZR 151/02, GRUR 2006, 79 Tz. 26 = WRP 2006, 75 - Jeans I). Diese Neuartigkeit der Kombination der Gestaltungselemente und des dadurch entstandenen Gesamteindrucks des in Rede stehenden Schreibtisches, der sich von den im Jahre 2003 auf dem Markt befindlichen Modellen deutlich abhebt, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.

d) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings in dem angegriffenen Modell der Beklagten keine Nachahmung des Produkts der Klägerin i.S. von § 4 Nr. 9 lit. a UWG gesehen.

aa) Eine Nachahmung setzt voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war (vgl. , GRUR 2002, 629, 633 unter II 1 d (3) a.E. = WRP 2002, 1058 - Blendsegel). Liegt diese Kenntnis nicht vor, sondern handelt es sich bei der angegriffenen Ausführung um eine selbständige Zweitentwicklung, ist schon begrifflich eine Nachahmung ausgeschlossen. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass für die Zuerkennung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG - anders als nach § 1 UWG a.F. (hierzu BGHZ 117, 115, 117 f. - Pullovermuster) - das Vorliegen eines subjektiven Unlauterkeitstatbestands nicht erforderlich ist (vgl. BGHZ 163, 265, 270 - Atemtest; 171, 73 Tz. 21 - Außendienstmitarbeiter). Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat nach Vernehmung der Zeugen S. und R. festgestellt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Entwicklung ihres Schreibtischmodells keine Kenntnis von dem in Rede stehenden Schreibtisch der Klägerin hatte.

bb) Die Revision macht dagegen geltend, die Frage einer Nachahmung sei rein objektiv zu bestimmen, wobei nicht auf den Zeitpunkt der Herstellung, sondern denjenigen der Markteinführung des angegriffenen Produkts abzustellen sei. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz knüpft in sämtlichen Varianten des § 4 Nr. 9 lit. a bis c UWG an die wettbewerbsrechtlich unlautere Übernahme des fremden Leistungsergebnisses an. Davon ist bei einer Eigenentwicklung der angegriffenen Gestaltung unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Markteinführung nicht auszugehen.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht auf eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 9 lit. a UWG nach Art. 6 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Zwar ist während des Revisionsverfahrens die für die Umsetzung dieser Richtlinie gesetzte Frist abgelaufen (Art. 19 Satz 1). Nach Art. 19 Satz 3 der Richtlinie wären die Vorschriften, die zu ihrer Umsetzung erforderlich sind, spätestens ab dem anzuwenden. Der Senat ist deshalb jedenfalls seit dem gehalten, das innerstaatliche Recht richtlinienkonform auszulegen (vgl. , Slg. 2006, I-6057 = NJW 2006, 2465 Tz. 115 und 124 - Adeneler/ELOG; , Tz. 9 - Millionen-Chance). Daraus kann die Klägerin aber schon deshalb keine für sie günstige Rechtsfolge ableiten, weil das Verhalten der Beklagten auch schon im Zeitpunkt der Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein muss (hierzu II 1 a). Zur Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten kann die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht herangezogen werden, weil die für die Umsetzung der Richtlinie vorgesehene Frist erst während des Revisionsverfahrens abgelaufen ist und jedenfalls eine zeitlich frühere richtlinienkonforme Auslegung vorliegend nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu BGHZ 138, 55, 60 f. - Testpreis-Angebote).

cc) Das Berufungsgericht hat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte ihr Schreibtischmodell zu einem Zeitpunkt entworfen hat, zu dem das Erzeugnis der Klägerin weder auf dem Markt war noch der Beklagten auf andere Weise bekannt geworden war. Es hat angenommen, der Zeuge S. habe Mitte 2002 ein Schreibtischmodell mit zwei Schreibtischfüßen und einem Sideboard entworfen. Dieses habe die Beklagte auch mit vier Schreibtischfüßen gefertigt. Zur Verminderung der bei dem Modell auftretenden Schwingungen sei die Gestaltung des Schreibtisches im November 2002 geändert worden. Es sei die Stellung der Schreibtischfüße mit der Längsseite parallel zur Schreibtischplatte geplant worden. Das Berufungsgericht hat diesen Hergang des Entwicklungsprozesses des Schreibtisches der Beklagten zusätzlich zu den Aussagen der Zeugen S. und R. aus den vier Zeichnungen einer Zulieferfirma vom gefolgert, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Schreibtischfüße in der Anordnung zeigen, wie sie in dem Schreibtischmodell der Beklagten verwirklicht worden ist. Diese Beweiswürdigung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision stand.

Soweit die Revision geltend macht, entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts seien den vier Zeichnungen die in Rede stehende Stellung der Schreibtischfüße und die gegenüber den ursprünglichen Zeichnungen aus Juli 2002 erfolgten Änderungen nicht zu entnehmen, erläutert sie diese den tatrichterlichen Feststellungen widersprechende Schlussfolgerung nicht näher. Auf die Handskizze hat das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt. Auf die Ausführungen der Revision zu dieser Skizze kommt es daher nicht an. Das Berufungsgericht hat auch anhand der Zeugenaussagen nachvollziehbar den Grund für die Drehung der Schreibtischfüße mit einer Ausrichtung der Längsseite parallel zur Längsseite des Schreibtisches festgestellt. Die von der Klägerin im Anschluss an die Beweisaufnahme vorgelegte Darstellung des zeitlichen Ablaufs spricht ebenfalls nicht gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts und gegen eine Eigenentwicklung des Schreibtischmodells der Beklagten.

2. Das Verhalten der Beklagten ist auch nicht wettbewerbswidrig nach § 3 UWG, § 1 UWG a.F.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Vorwurf der Unlauterkeit nach § 3 UWG auch daran anknüpfen kann, dass ein Produzent mit einem selbständig hergestellten, aber verwechselbaren Produkt zeitlich nach einem Konkurrenten auf den Markt kommt, weil dadurch der Markterfolg des Erstanbieters ausgenutzt werden kann. Da eine Nachahmung vorliegend nicht gegeben ist, hat das Berufungsgericht das Hinzutreten besonderer Unlauterkeitsmerkmale für notwendig angesehen, deren Vorliegen es verneint hat. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand. Zu Unrecht meint die Revision, die Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten ergebe sich im Streitfall daraus, dass die Beklagte, die erst Anfang 2004 mit ihrem Modell auf den Markt gekommen sei, keinen genügenden Abstand zu dem bereits im Herbst 2003 eingeführten Produkt der Klägerin eingehalten habe. Dieser Umstand kann für sich eine Unlauterkeit i.S. von § 3 UWG nicht begründen.

b) In der Rechtsprechung des Senats ist zwar anerkannt, dass die Aufzählung der Fallgruppen in § 4 Nr. 9 UWG nicht abschließend ist und eine unlautere Behinderung im Zusammenhang mit der Nachahmung eines Produkts wettbewerbswidrig sein kann. Liegt keiner der Fälle des § 4 Nr. 9 lit. a bis c UWG vor, kann mit Blick auf die grundsätzlich bestehende Nachahmungsfreiheit aber nur in Ausnahmefällen das Nachahmen eines fremden Produkts wettbewerbswidrig sein (vgl. BGH GRUR 2007, 795 Tz. 50 f. - Handtaschen). Da vorliegend schon nicht von einer Nachahmung des Produkts der Klägerin auszugehen ist, reichen allein eine etwaige Herkunftstäuschung oder eine Rufausbeutung i.S. von § 4 Nr. 9 lit. a oder b UWG nicht aus, um eine Unlauterkeit zu begründen. Umstände, aus denen sich eine unlautere Behinderung der Klägerin ergibt, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt.

Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte keine generelle Pflicht zur Abstandswahrung traf. Zwar hat der Senat in der Entscheidung "Buntstreifensatin II" (Urt. v. - I ZR 130/66, GRUR 1969, 292, 294) angenommen, dass einen Wettbewerber auch bei einer selbständigen Entwicklung eine Pflicht zur Prüfung treffen kann, ob er einen ausreichenden Abstand zum wettbewerblichen Umfeld wahrt. Diese Pflicht ist aber mit den Besonderheiten jenes Falls begründet worden, in dem der Wettbewerber sich an den bahnbrechenden Erfolg der Klagepartei angelehnt hatte. Eine allgemeine wettbewerbsrechtliche Pflicht, einen ausreichenden Abstand vom wettbewerblichen Umfeld zu halten, besteht dagegen nicht. Denn derjenige, der unabhängig von einem fremden Erzeugnis ein eigenes Produkt selbst entwickelt hat oder entwickeln lässt, hat ein berechtigtes Interesse, es auf den Markt zu bringen (vgl. , GRUR 1961, 581, 582 = WRP 1961, 343 - Hummelfiguren II). Dies gilt in besonderem Maße, wenn das Produkt zu einer Zeit entwickelt worden ist, zu der das andere Erzeugnis noch nicht auf dem Markt oder sonst bekannt war und deshalb im Rahmen der Entwicklungsphase ein Abstand zu diesem Erzeugnis ohnehin nicht eingehalten werden konnte.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
DB 2008 S. 2529 Nr. 46
NJW-RR 2008 S. 1726 Nr. 24
ZAAAC-95196

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja