BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2177/07

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 12 Abs. 1; GG Art. 33 Abs. 2

Instanzenzug: BGH NotZ 4/07 vom OLG Stuttgart 22 Not 169/06 (Br) vom

Gründe

A.

Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde ist die Besetzung einer neu geschaffenen Nurnotarstelle in B.

I.

1. Nach § 3 der Bundesnotarordnung (BNotO) werden Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung (§ 3 Abs. 1 BNotO) oder als Notare zu gleichzeitiger Amtsausübung neben dem Beruf des Rechtsanwalts (§ 3 Abs. 2 BNotO) bestellt. Im badischen Rechtsgebiet bestehen staatliche Notariate, welche mit Notaren im Landesdienst besetzt sind. Nach dem durch Gesetz vom (BGBl I S. 2188) eingeführten § 115 Abs. 1 BNotO können im badischen Rechtsgebiet auch Notare nach § 3 Abs. 1 BNotO bestellt werden.

§ 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO bestimmt, dass sich die Reihenfolge bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern nach der persönlichen und fachlichen Eignung richtet unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen.

Nach § 7 Abs. 1 BNotO soll in der Regel zur hauptberuflichen Amtsausübung als Notar (§ 3 Abs. 1) nur bestellt werden, wer einen dreijährigen Anwärterdienst als Notarassessor geleistet hat und sich im Anwärterdienst des Landes befindet, in dem er sich um die Bestellung bewirbt.

Gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 BNotO stehen Notare im Landesdienst, die sich um eine Bestellung zum Notar nach § 3 Abs. 1 BNotO bewerben, Bewerbern gleich, die einen dreijährigen Anwärterdienst als Notarassessor geleistet haben und sich im Anwärterdienst des Landes Baden-Württemberg befinden.

2. Das Bewerbungsverfahren zum Notar im badischen Rechtsgebiet regelt § 2 der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom (VwV - Die Justiz 2005, S. 358). Die hier relevanten Passagen lauten:

(1) Bewerbungen von Notaren im Landesdienst sind auf dem Dienstweg an das Justizministerium zu richten; ...

(2) Bewerbungen anderer Bewerber sind innerhalb der Bewerbungsfrist der Landesjustizverwaltung vorzulegen; ihre Berücksichtigung erfolgt nach Maßgabe des § 115 Abs. 2 BNotO.

(3) Die Bewerbung soll enthalten ...

Bei einer zeitgleichen Bewerbung auf mehrere Stellen sind die Bewerbungen in eine Rangfolge zu bringen. ...

(4) ...

II.

1. Ab dem hat das Justizministerium Baden-Württemberg erstmals 25 Notarstellen zur hauptberuflichen Amtsausübung im badischen Rechtsgebiet ausgeschrieben. Auf diese Ausschreibung gingen insgesamt 655 Bewerbungen von 102 Bewerbern ein, davon 47 für den Amtssitz B. Das Bewerberfeld bestand zur knappen Hälfte aus im badischen Rechtsgebiet bestellten Notaren im Landesdienst. Darüber hinaus bewarben sich im badischen Rechtsgebiet bestellte Notarvertreter, in anderen Ländern bestellte Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung, in anderen Ländern ernannte Notarassessoren, Rechtsanwälte, sonstige Bewerber mit der Befähigung zum Richteramt, Bezirksnotare ohne Befähigung zum Richteramt und württembergische Notarassessoren außerhalb des Landesdienstes.

2. Der Beschwerdeführer ist Notar im Landesdienst und wurde im April 2003 als Justizrat beim Notariat R. ernannt. Von Juni 1998 bis Juni 2001 war er als Notarassessor in Sachsen tätig. Er bewarb sich auf alle ausgeschriebenen Notarstellen.

Mit Bescheid vom teilte das Justizministerium dem Beschwerdeführer mit, dass seine Bewerbung um eine der drei mit Amtssitz in M. ausgeschriebenen Stellen Erfolg habe. Hinsichtlich seiner von ihm als vorrangig gegenüber dem Amtssitz M. angegebenen Bewerbung für den Amtssitz K. wurde ihm mitgeteilt, dass ihm dort drei Bewerber vorgingen, die diesen Amtssitz jedoch ihrerseits nicht als vorrangig angegeben hätten. Sofern diese Bewerber bei den von ihnen angegebenen Präferenzen blieben, komme die Bestellung des Beschwerdeführers zum Notar in K. in Betracht. Für den Amtsitz B. gingen dem Beschwerdeführer ebenfalls drei Bewerbungen im Rang vor. Es sei beabsichtigt, diese Stelle mit dem Bewerber B. zu besetzen.

Wie sich aus dem genannten Bescheid ergibt, hat das Justizministerium für die Besetzungsentscheidung in einem ersten Schritt das gesamte Bewerberfeld unabhängig von einem bestimmten Amtssitz unter Auswertung der für jeden Bewerber erstellten Einzelprofile in eine Reihenfolge gebracht. Hierin seien insbesondere folgende Kriterien eingeflossen:

Ergebnisse der beiden juristischen Staatsprüfungen, insbesondere das Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung;

Beurteilungen im Rahmen der notariellen Tätigkeit;

Ausmaß berufspraktischer Erfahrungen;

Quantitative Arbeitsergebnisse;

Notarspezifische Qualifikationsmerkmale (Fortbildungs-, Vortrags-, Dozenten- oder Veröffentlichungsaktivitäten, notarspezifische Promotion);

Verdienste im Rahmen des beruflichen Werdegangs als Notar im Landesdienst einschließlich Erreichen von Beförderungsstufen sowie etwaiger Zusatzqualifikationen.

Bei Erstellung der Rangliste sei zu berücksichtigen gewesen, dass es sich bei den auf Platz 1 bis 18 der Liste stehenden Bewerbern aus dem Kreis der im badischen Rechtsgebiet bestellten Notare um so qualifizierte Bewerber handele, dass für sie der Regelvorrang des § 115 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 BNotO eingreife. Hinsichtlich der Plätze 19 bis 33 sei dann eine Reihung aus den übrigen Bewerbern gebildet worden. In dem angefochtenen Bescheid werden die Leistungsprofile der ersten 33 Bewerber dargestellt und ein Vergleich des jeweils rangschlechteren Bewerbers mit dem rangbesseren vorgenommen. Aufgrund des gewählten Verfahrens sei der jeweils rangbessere Bewerber nicht nur relativ im Verhältnis zum jeweiligen rangschlechteren Bewerber besser qualifiziert, sondern absolut im Vergleich zu allen, ihm gegenüber nachrangigen Bewerbern. Der Beschwerdeführer nehme hierbei den 15. Rang, der für den Amtssitz B. ausgewählte Bewerber B. den siebten Rang ein. Die Besetzung der jeweiligen Stellen sei beginnend mit dem besten aller Bewerber vorgenommen worden, sodann mit dem zweitbesten und so fort. Dabei sei bei Mehrfachbewerbungen der seitens des jeweiligen Bewerbers präferierte Amtssitz ausgewählt worden, soweit an diesem in dem Zeitpunkt, zu dem der Bewerber an der Reihe gewesen sei, noch eine Stelle frei gewesen sei.

Den gegen diesen Bescheid gerichteten Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Oberlandesgericht zurück. Auch die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb vor dem Bundesgerichtshof ohne Erfolg. Die Bewertung der um eine ausgeschriebene Stelle konkurrierenden Bewerber sei keineswegs zwangsläufig nur über ein Punktesystem zu erreichen. Unverzichtbar sei lediglich eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls, die in einen umfassenden Eignungsvergleich münde. Es sei nicht zu beanstanden, wenn das Justizministerium angesichts des äußerst inhomogenen Bewerberkreises und der hohen Zahl von Bewerbern und Bewerbungen von einer vorherigen abstrakten Einstufung Abstand genommen habe, weil ihm die verschiedenen, nicht in allen Gruppen vorhandenen Eignungsmerkmale dafür nicht geeignet erschienen seien. Die von dem Beschwerdeführer behauptete uneinheitliche Anwendung der Bewertungskriterien stelle das Auswahlmodell nicht grundsätzlich in Frage. Damit könne allenfalls die Rechtmäßigkeit der im Einzelfall getroffenen Auswahl bezweifelt werden. Auch diese sei im vorliegenden Fall jedoch nicht zu beanstanden. Die besseren Qualifizierungen der dem Beschwerdeführer bei der konkreten Stellenbesetzung im Rang vorgehenden Mitbewerber vermöge der Beschwerdeführer nicht auszugleichen. Dies gelte auch mit Blick auf das von dem Beschwerdeführer absolvierte Notarassessoriat. Über § 115 Abs. 2 Satz 2 BNotO sei ein badischer Notar im Landesdienst so zu behandeln, als ob er einen dreijährigen Anwärterdienst durchlaufen hätte. Ein beachtlicher Vorteil könne dem Beschwerdeführer aus seiner besonderen Ausbildung daher nicht erwachsen.

Zum Aktenzeichen 2 BvR 1825/07 hat unter anderem der Beschwerdeführer eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Justizministeriums Baden-Württemberg eingelegt, neben den bestehenden Amtsnotarstellen 25 Nurnotarstellen neu zu schaffen. Gerügt wurde hier in erster Linie eine Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht. Diese Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des nicht zur Entscheidung angenommen.

III.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG als verletzt.

Bereits in der Gestaltung des Ausschreibungsverfahrens liege eine Grundrechtsverletzung. Die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 2 VwV sei unklar gefasst. Insbesondere ergäben sich hieraus keine Anhaltspunkte dafür, welche Kriterien das Justizministerium bei der Bewerberauswahl berücksichtigen werde. Die angegriffenen Entscheidungen würdigten nicht ausreichend, dass der Beschwerdeführer einen dreijährigen Anwärterdienst als Notarassessor abgeleistet habe. Darüber hinaus fehle entgegen Art. 33 Abs. 2 GG jegliche Auseinandersetzung mit der persönlichen Eignung des Beschwerdeführers für das Amt des hauptberuflichen Notars. Hierfür wäre die Durchführung von Vorstellungsgesprächen geboten gewesen. Die Bewerberrangliste sei in einem unlogischen und intransparenten Verfahren zustande gekommen. Die dabei im Vordergrund stehende individuelle Eignungsprognose komme nur in Betracht, wenn bewertete bzw. benotete Leistungen nicht zur Verfügung stünden. Der von dem Justizministerium vorgenommene Vergleich eines Bewerbers nur mit dem ihm im Rang vorgehenden Bewerber sage außerdem nichts über sein Verhältnis zu den übrigen Bewerbern aus. Eine genauere Betrachtung der Rangliste und ihrer Begründung ergebe, dass bei der Gewichtung von Eignungsmerkmalen erhebliche Ungleichbehandlungen aufgetreten seien. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die verschiedenen Eignungskriterien jeweils so gewichtet worden seien, dass sie die ursprünglich getroffene Bewerberauswahl tragen könnten.

Schließlich sei festzuhalten, dass bei einem konkreten Leistungsvergleich zwischen dem ausgewählten Bewerber und dem Beschwerdeführer letzterer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte vorgezogen werden müssen. Dies gelte insbesondere aufgrund der von dem Beschwerdeführer abgeleisteten Ausbildung zum Notarassessor in Sachsen. Eine derartige notarspezifische Ausbildung könne sein Mitbewerber nicht aufweisen.

IV.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Justizministerium Baden-Württemberg, die Bundesnotarkammer, der Deutsche Notarverein, die Notarkammer Baden-Württemberg, der Badische Notarverein und der weitere Beteiligte des Ausgangsverfahrens Stellung genommen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits entschieden (vgl. BVerfGE 110, 304 <320 ff.>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Verfassungsbeschwerde wurde nach Erschöpfung des Rechtswegs fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet. Auch das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers ist zu bejahen.

1. Dem Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses steht es nicht entgegen, dass die Bewerbung des Beschwerdeführers um eine der neu geschaffenen Nurnotarstellen in M. erfolgreich war und ihm auch für den Amtssitz in K. eine Notarstelle zugesagt wurde, soweit die mit ihm konkurrierenden Bewerber an den von ihnen angegebenen örtlichen Präferenzen festhalten. Der Beschwerdeführer durfte sich auf mehrere parallel ausgeschriebene Notarstellen bewerben. Er kann dabei verlangen, dass jede ihn betreffende Besetzungsentscheidung in Einklang mit seinen Grundrechten steht. Dies gilt unabhängig davon, welche seiner Bewerbungen der Beschwerdeführer als vorrangig angegeben hat und ob eine oder mehrere dieser Bewerbungen Erfolg hatten.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers scheitert auch nicht daran, dass er unter dem Aktenzeichen 2 BvR 1825/07 Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Justizministeriums eingelegt hat, 25 neue Nurnotarstellen zu schaffen. Der Beschwerdeführer verfolgt seine sich widersprechenden Anliegen nicht kumulativ - was sein Rechtsschutzbedürfnis in Frage stellen würde - sondern alternativ. Da sein Angriff gegen den Wechsel des Notariatssystems keinen Erfolg hatte, kann er nunmehr verlangen, innerhalb des neuen Systems angemessen berücksichtigt zu werden.

II.

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG.

Bei der Auswahl unter den Bewerbern und in den diese Auswahl bestätigenden Gerichtsentscheidungen sind die Anforderungen beachtet worden, die aus der von Verfassungs wegen gebotenen chancengleichen Bestenauslese folgen. Insbesondere ist das gewählte Verfahren hinreichend transparent gewesen. Auch die getroffene Auswahlentscheidung selbst ist nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 und des § 115 Abs. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 BNotO in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ausgerichtet an der persönlichen und fachlichen Eignung der Bewerber.

1. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass die Verwirklichung der Grundrechte auch eine dem Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung erfordert (vgl. BVerfGE 52, 380 <389 f.>; 53, 30 <65 f.>; 73, 280 <296>). Dies gilt auch und gerade für die Wahrung der Rechte der Notarbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG. Durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens wird unmittelbar Einfluss auf die Konkurrenzsituation und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen. Deshalb muss das Verfahren, soll es den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen, unter allen Bewerbern Chancengleichheit herstellen und gewährleisten, dass von allen potentiellen Bewerbern derjenige gefunden wird, der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. BVerfGE 73, 280 <296>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 819/01 und 1 BvR 826/01 -, DNotZ 2002, S. 891 <892>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 152/02 -, DNotZ 2002, S. 889 <890 f.>).

a) Diesen Anforderungen wurde vorliegend genügt. Die Notarstellen wurden entsprechend § 1 VwV im Internet auf der Homepage des Justizministeriums ausgeschrieben. Eine nicht zu beanstandende Bewerbungsfrist wurde festgesetzt. Aus § 2 VwV ergibt sich eindeutig, welche Unterlagen der Bewerbung beizufügen waren.

b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers fehlt es dem Auswahlverfahren auch nicht an Transparenz. Für die Auswahl unter den Bewerbern um ein Notaramt ist eine transparente und an nachvollziehbaren Kriterien ausgerichtete Verfahrensweise unabdingbar (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 152/02 -, DNotZ 2002, S. 889 <890 f.>). Entscheidend ist dabei, dass durch die Art und Weise der Ausschreibung eine sachwidrige Verengung des Bewerberkreises vermieden und gewährleistet wird, dass die Auswahl tatsächlich unter allen potentiellen Bewerbern erfolgen kann (vgl. BVerfGE 73, 280 <296>). Dies setzt allerdings nicht voraus, dass die Landesjustizverwaltung hier bereits bei der Ausschreibung der Notarstellen mitteilen muss, nach welchen genau bestimmten Kriterien und mit welcher Gewichtung der einzelnen Anforderungen die Auswahl unter mehreren Bewerbern getroffen werden soll. Das Justizministerium durfte vielmehr abwarten, wie sich der Bewerberkreis nach Ablauf der Bewerbungsfrist darstellen würde, um erst dann einen genauen Modus für die Bewerberauswahl festzulegen. Zumindest in einem Bestellungsverfahren wie dem vorliegenden, in dem einerseits die Zusammensetzung des Bewerberkreises noch nicht von vornherein eindeutig feststand, andererseits aber unterschiedliche Qualifikationsmuster zu erwarten waren, ist ein solches Vorgehen vor dem Hintergrund des bei der Besetzung von Notarstellen zu beachtenden Prinzips der chancengleichen Bestenauslese nicht zu beanstanden. In dieser besonderen Konstellation hätte ein bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung festgelegtes detailliertes Anforderungsprofil zu der Gefahr einer sachwidrigen Verengung des Bewerberfeldes führen können, weil möglicherweise Personen von einer Bewerbung Abstand genommen hätten, die dieses Eignungsprofil nicht erfüllten, trotzdem aber aufgrund bei ihnen vorliegender besonderer Qualifikationen für das Amt des Notars gut geeignet gewesen wären.

c) Unter dem Gesichtspunkt der Nachprüfbarkeit einer Auswahlentscheidung ist allerdings zu fordern, dass die zugrunde gelegten Kriterien und deren Gewichtung fixiert sind. Dem ist durch die zusammenfassende Übersicht genügt, die dem Bescheid des Justizministeriums vom beigefügt war. In ihr sind nicht nur die abstrakten Maßstäbe dokumentiert, sondern auch deren Bewertung und Maßgeblichkeit für die Qualifikation der einzelnen Bewerber.

2. Auch die von dem Justizministerium getroffene Besetzungsentscheidung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Bei der Anwendung der Art. 12 Abs. 1 GG genügenden Auswahlmaßstäbe des § 6 Abs. 3 BNotO (vgl. BVerfGE 110, 304 <322 ff.>) durfte sich das Justizministerium für einen alle Bewerber einbeziehenden individuellen Eignungsvergleich im Gegensatz zu einem abstrakten Bewertungsschema, etwa in Form eines Punktesystems, entscheiden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist in der gegebenen Konstellation weder die eine noch die andere Auswahlmethode zwingend geboten.

aa) In der Entscheidung vom (BVerfGE 110, 304) hat das Bundesverfassungsgericht die auf Punktesystemen basierenden Auswahlmaßstäbe verschiedener Bundesländer im Bereich des Anwaltsnotariats für verfassungswidrig erklärt, weil die um der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit willen gebotene chancengleiche Bestenauslese nicht gewährleistet war. Solange weder die erworbenen theoretischen Kenntnisse der Bewerber um ein Anwaltsnotariat noch deren praktische Erfahrungen bewertet seien, sei eine individuelle Prognose über die Eignung des Bewerbers im weiteren Sinne zu treffen (vgl. BVerfGE 110, 304 <336>). In dieser Entscheidung wurde damit zwar die Notwendigkeit einer individuellen Eignungsprognose betont. Sie enthält aber keine Festlegung dahingehend, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen nur eine Auswahlentscheidung auf der Grundlage eines konkreten Leistungsvergleichs oder aber eines abstrakten Bewertungsschemas zulässig sei (in diesem Sinne auch Görk, in: Schippel/Bracker, Bundesnotarordnung, 8. Aufl. 2006, § 6 Rn. 31; Schmitz-Valckenberg, in: Eylmann/Vaasen, Bundesnotarordnung, 2. Aufl. 2004, § 6 Rn. 47 j).

bb) In den Bundesländern werden für die unterschiedlichen Notariatssysteme nach wie vor beide Auswahlmethoden praktiziert. Vorteil eines Punktesystems ist, dass es ein Auswahlverfahren nach objektiven, nachvollziehbaren und transparenten Bewertungsmerkmalen ermöglicht. Der einzelne Bewerber kann sich auf feste und für ihn durchschaubare Kriterien einstellen. Der Landesjustizverwaltung erlaubt das Punktesystem eine verlässliche Sichtung des Bewerberfelds.

Allerdings bergen die Ausrichtung auf ein Punktesystem und die darauf beruhende Einordnung von fachlichen Qualifikationsmerkmalen die Gefahr in sich, dass den Besonderheiten des Einzelfalls nicht immer ausreichend Rechnung getragen und das Maß der Eignung des einzelnen Bewerbers nicht vollständig ermittelt wird. Der Entscheidung des (BVerfGE 110, 304) folgend wird daher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch bei Anwendung eines Punktesystems bei der Besetzung einer Notarstelle eine Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, die in einen umfassenden individuellen Eignungsvergleich mündet, als unverzichtbar angesehen (vgl. -, NJW 2005, S. 212 <213>; -, veröffentlicht in JURIS; -, ZNotP 2006, S. 37 <38>; -, NJW-RR 2007, S. 1135 <1136>).

cc) Voraussetzung für eine sinnvolle Anwendung eines Punktesystems ist außerdem eine gewisse Homogenität des Bewerberfeldes. Die einzelnen Leistungsmerkmale der potentiellen Bewerber müssen in wesentlichen Bereichen vergleichbar sein, damit ein abstraktes Bewertungsschema, das auf alle Bewerber gleichermaßen angewendet werden soll, verwertbare Ergebnisse zu erzielen vermag. Hiervon konnte das Justizministerium bei Ausschreibung der 25 neu geschaffenen Nurnotarstellen nicht ausgehen. Wie sich bei den auf die Ausschreibung eingegangen Bewerbungen gezeigt hat, fühlten sich hierdurch nicht nur die im badischen Rechtsgebiet bestellten Notare im Landesdienst angesprochen, sondern auch im badischen Rechtsgebiet bestellte Notarvertreter, in anderen Ländern bestellte Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung, in anderen Ländern bestellte Notarassessoren, Rechtsanwälte, sonstige Bewerber mit der Befähigung zum Richteramt, Bezirksnotare ohne die Befähigung zum Richteramt sowie württembergische Notariatsassessoren außerhalb des Landesdienstes. Es ergab sich somit eine ganz andere Situation als etwa im Bereich des Anwaltsnotariats, in der sich auf die ausgeschriebenen Notarstellen beinahe ausschließlich Rechtsanwälte bewerben, deren Qualifikationen über ein Punktesystem ohne weiteres verglichen werden können. Eine solche Vergleichbarkeit hätte sich aufgrund der Diversität des hier vorliegenden Bewerberfeldes und der nicht in allen Bewerbergruppen in vergleichbarer Weise vorhandenen Qualifizierungsmerkmale von vornherein kaum herstellen lassen.

b) Auch die nach einem individuellen Leistungsvergleich erstellte Rangliste als Grundlage für die Auswahl der Bewerber für die jeweiligen Notarstellen hält im Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.

Zutreffend ist allerdings der Hinweis des Beschwerdeführers, dass sich die von dem Justizministerium erstellte Rangliste und die dieser Liste zugrunde liegenden Einstufungen der Bewerber nicht aus sich selbst heraus erschließen. Dies ist jedoch Folge des von dem Justizministerium gewählten und - wie dargestellt - nicht grundsätzlich zu beanstandenden Auswahlkonzepts. Die Erstellung der Rangliste beruht nach diesem Konzept gerade nicht auf einem vorher abstrakt-generell festgelegten Bewertungsschema, sondern auf wertenden prognostischen Erkenntnissen der Landesjustizverwaltung. Aus der dem Bescheid vom beigefügten zusammenfassenden Übersicht der Auswahlkriterien ergibt sich im Zusammenhang mit dem dort ebenfalls ausführlich dargestellten Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern in noch hinreichend nachvollziehbarer Weise, welche Gesichtspunkte den Ausschlag für die genaue Reihenfolge unter den Bewerbern gegeben haben und wie die vorhandenen Qualifikationsmerkmale untereinander gewichtet wurden. Hierbei wird erkennbar, dass die unterschiedlichen spezifischen Fachkenntnisse der einzelnen Bewerber in angemessener Weise Berücksichtigung fanden und damit bei der Auswahl dem Schutz des wichtigen Gemeinschaftsgutes in Gestalt der vorsorgenden Rechtspflege bestmöglich gedient wurde.

Unabhängig davon hat der Beschwerdeführer seine eigene Platzierung in der Bewerberliste nicht gerügt. Ebenso wenig trägt er vor, dass ihm bereits durch die Aufstellung der Rangliste ein relevanter Nachteil entstanden sei. Auch die von dem Beschwerdeführer behauptete Ungleichbehandlung der Bewerber in Bezug auf die Gewichtung ihrer Leistungskriterien kann seiner Verfassungsbeschwerde deshalb nicht zum Erfolg verhelfen.

c) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die getroffene Auswahlentscheidung auch nicht deshalb zu beanstanden, weil kein Vorstellungsgespräch stattgefunden hat. Die Durchführung eines derartigen Gesprächs war im vorliegenden Fall für eine verfassungsgemäße Besetzungsentscheidung nicht zwingend. Zwar nennt Art. 33 Abs. 2 GG, der auch für den staatlich gebundenen Beruf des Notars gilt (vgl. BVerfGE 17, 371 <376 ff.>; stRspr), als ein zu berücksichtigendes Auswahlkriterium die "Eignung" des Bewerbers. Dies erfasst die gesamte Persönlichkeit des Bewerbers mit ihren körperlichen, psychischen und charakterlichen Eigenschaften (vgl. BVerfGE 92, 140 <151>), weshalb auch Einstellungsgespräche zur Feststellung der persönlichen Eignung beitragen können (vgl. BVerfGK 6, 28 <34 f.>). Es ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der persönlichen Vorstellung durch ein Gespräch als bloßer "Momentaufnahme" jedenfalls dann eine lediglich eingeschränkte Bedeutung zugemessen wird (vgl. -, NJW-RR 2004, S. 859 <860>; -, NJR-RR 2004, S. 1701), wenn andere aussagekräftige Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGK 6, 28 <35>). Damit waren hier Vorstellungsgespräche nicht geboten, denn für die Entscheidung zugunsten des Mitwerbers des Beschwerdeführers konnte das Justizministerium nicht nur auf dienstliche Beurteilungen beider Bewerber, sondern auch auf die Berichte über die Prüfung ihrer Amtstätigkeiten zurückgreifen.

d) Schließlich kann der Beschwerdeführer auch nicht als Verfassungsverstoß geltend machen, dass er im Vergleich zu dem ihm für die Notarstelle in B. vorgezogenen Mitbewerber B. besser qualifiziert sei und diesem daher hätte vorgezogen werden müssen.

aa) Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Rechtsprechung der Fachgerichte (vgl. -, DNotZ 1994, S. 318 <319>; -, ZNotP 2001, S. 403 <404>) von einer nur begrenzten gerichtlichen Überprüfung der Auswahlentscheidung der Landesjustizverwaltung ausgeht (vgl. BVerfGK 6, 28 <33>). Für die nach den Maßstäben des § 6 Abs. 3 BNotO vorzunehmende Auswahlentscheidung ist es geradezu kennzeichnend, dass sie eine Parallelwertung der Qualifikationen mehrerer Bewerber in einer konkreten Konkurrenzsituation erfordert. Der hierfür zur Verfügung stehende Beurteilungsmaßstab der persönlichen und fachlichen Eignung weist wegen seines hohen Abstraktionsgehalts nur eine begrenzte Steuerungskraft auf. Die Feststellung der Eignung enthält zudem ein deutliches prognostisches Element, weil eine vorausschauende Aussage darüber zu treffen ist, ob der Bewerber den Anforderungen des Amtes gewachsen sein wird (vgl. BVerfGE 110, 304 <325>). Es ist daher gerechtfertigt, der Landesjustizverwaltung insoweit einen Beurteilungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfGE 108, 282 <296 f.> für das Beamtenrecht).

Vor diesem Hintergrund sind weder die Auswahlentscheidung der Landesjustizverwaltung noch die diese bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen verfassungsrechtlich zu beanstanden. Insbesondere musste dem Beschwerdeführer - entgegen seiner Ansicht - nicht deshalb der Vorzug gegenüber dem Mitbewerber B. gegeben werden, weil er im Unterschied zu diesem einen dreijährigen Anwärterdienst als Notarassessor (§ 7 Abs. 1 BNotO) geleistet hat.

bb) Die insoweit maßgebende Vorschrift des § 115 Abs. 2 BNotO, nach der der Mitbewerber B. als Notar im Landesdienst im badischen Rechtsgebiet so zu behandeln ist, als hätte er ebenfalls einen dreijährigen Anwärterdienst durchlaufen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung führt zwar zu einem Regelvorrang zugunsten von badischen Amtsnotaren und beeinträchtigt damit die Berufsfreiheit anderer Bewerber um die neu geschaffenen Nurnotarstellen. Sie dient jedoch dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Rechtspflege und damit einem Gemeinwohlbelang, der namentlich bei Notaren einen Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann (vgl. BVerfGE 17, 371 <380>). Da im Land Baden-Württemberg kein Anwärterdienst nach § 7 Abs. 1 BNotO eingerichtet ist, kann beim Übergang auf das Nurnotariat für das badische Rechtsgebiet nur durch die Sonderregelung für badische Amtsnotare sichergestellt werden, dass Notare, die mit Blick auf die landesrechtlichen Besonderheiten hinreichend qualifiziert sind, in genügender Zahl zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellt werden können (vgl. BVerfGK 5, 205 <211> zu § 7 Abs. 1 BNotO). Damit ist es dem Land Baden-Württemberg möglich, bei der Umstellung des Notariatssystems für eine den Erfordernissen der geordneten Rechtspflege entsprechende Zahl von Notaren Sorge zu tragen, ohne dass die hohe Qualität des hauptberuflichen Notariats in Frage gestellt wird (vgl. BVerfGK 5, 205 <211 f.> zu § 7 Abs. 1 BNotO).

cc) Mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG verbietet sich allerdings eine schematische Berufung auf den Regelvorrang für badische Amtsnotare nach § 115 Abs. 2 BNotO. Vielmehr ist bei jeder einzelnen Auswahlentscheidung das Interesse an einer geordneten Rechtspflege in den Blick zu nehmen und zu überprüfen, ob dieses Gemeinwohlziel ein Festhalten an dem Regelvorrang rechtfertigen kann. Die öffentlichen Interessen sind im Hinblick auf die Grundrechte der Bewerber zu gewichten und mit verhältnismäßigen Mitteln durchzusetzen (vgl. BVerfGK 5, 205 <212> zu § 7 Abs. 1 BNotO). § 115 Abs. 1 BNotO ermöglicht die hiernach gebotene grundrechtsgeleitete Auslegung und Anwendung; denn die angeordnete Gleichstellung mit Bewerbern aus dem Vorbereitungsdienst des Landes führt gemäß § 7 Abs. 1 BNotO lediglich dazu, dass die Amtsnotare "in der Regel" den Vorzug erhalten.

Auch unter diesem Gesichtspunkt begegnet die getroffene Auswahl keinen Bedenken. Nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Bundesgerichtshofes ist das Justizministerium bei Erstellung der Rangliste in einem zweiten Prüfungsschritt in einen umfassenden und ausführlichen Leistungsvergleich eingetreten. Es hat sich demnach nicht auf eine schematische Handhabung des Regelvorrangs beschränkt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
HFR 2008 S. 172 Nr. 2
DAAAC-69279