BGH Beschluss v. - 2 StR 224/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 60 Ziff. 1; StPO § 247; StPO § 338 Nr. 3; StPO § 338 Nr. 5; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4

Instanzenzug: LG Mainz vom 04.01.2007

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs eines Kindes, sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 50 Fällen und Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge und mit Verfahrensrügen. Die rechtliche Nachprüfung des Urteils hat auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO und die Rüge der vorschriftswidrigen Gerichtsbesetzung sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Die Rüge der Verletzung der §§ 247, 338 Nr. 5 StPO führt hingegen zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 53 der Urteilsgründe.

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten für die Dauer der Vernehmungen der Zeugin Linda B. und der Nebenklägerin Johanna K. von der Hauptverhandlung ausgeschlossen, er wurde aus dem Sitzungssaal entfernt.

1. Während der Vernehmung der Nebenklägerin kam es in Abwesenheit des Angeklagten ausweislich der Sitzungsniederschrift zu folgendem Verfahrensvorgang: "Die Zeugin ruft auf ihrem Handy SMS des Angeklagten auf, die am 10.03.06, 18.12 Uhr, Tel.: , am 13.03.06, 16.27 Uhr, Tel.: und am 09.03.2006, 01.57 Uhr, Tel.: gesendet wurden. Sie wurden von den Prozessbeteiligten in Augenschein genommen".

2. Hinsichtlich der Zeugin Linda B. weist die Sitzungsniederschrift folgende Verfahrensvorgänge aus: "Die Zeugin fertigt eine Skizze von den Räumlichkeiten des Verkaufslokals " ", die als Anlage IV zum heutigen Protokoll genommen wurde, die Skizze wurde mit allen Prozessbeteiligten in Augenschein genommen". Der Vorsitzende entschied sodann in Abwesenheit des Angeklagten, dass die Zeugin gemäß § 60 Ziff. 1 StPO unvereidigt bleibe.

II.

1. Die Rüge, das Landgericht habe die von der Nebenklägerin auf ihrem Mobiltelefon aufgerufenen SMS nicht in Abwesenheit des Angeklagten in Augenschein nehmen dürfen, ist nicht in zulässiger Weise erhoben worden, weil die Revision den Inhalt der SMS nicht mitteilt. Der Senat vermag deshalb nicht zu beurteilen, ob es sich bei der Inaugenscheinnahme der SMS um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, naheliegend einen Teil der Beweisaufnahme, gehandelt hat. Der Beschwerdeführer hätte hierzu unschwer Angaben machen können, da sein Verteidiger, der die Revision begründet hat, an der Hauptverhandlung teilgenommen und demgemäß die SMS selbst in Augenschein genommen hat.

2. Die Rüge, das Landgericht habe die von der Zeugin Linda B. gefertigten Skizzen nicht in Abwesenheit des Angeklagten in Augenschein nehmen dürfen, hat hingegen Erfolg. Auf die Frage, ob der Vorsitzende über die Nichtvereidigung der Zeugin in Abwesenheit des Angeklagten entscheiden durfte (so BGHSt 51, 81 für die Vereidigungsentscheidung nach § 59 StPO), kommt es daher nicht an.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich hätte vortragen müssen, dass keine Heilung des Verfahrensfehlers durch eine Wiederholung der Augenscheinseinnahme in Anwesenheit des Angeklagten erfolgt ist. Zur ordnungsgemäßen Rügeerhebung gehört hier allein der Vortrag der Tatsachen, die den Verfahrensfehler belegen. Dass dieser nicht im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung geheilt worden ist, muss hingegen nicht dargelegt werden, wenn dies tatsächlich nicht geschehen ist.

Bei der Skizze von den Verkaufsräumen des " " handelte es sich um eine solche des Tatorts im Fall 53 der Urteilsgründe. Die Erhebung des Sachbeweises in Abwesenheit des Angeklagten war vom Beschluss über seine Ausschließung für die Dauer der Vernehmung der Geschädigten nicht gedeckt. Ein Teil der Hauptverhandlung fand somit in Abwesenheit einer Person statt, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt (§ 338 Nr. 5, § 247 StPO). Dieser absolute Revisionsgrund führt zur Aufhebung des Urteils in diesem Fall der Urteilsgründe, ohne dass es darauf ankommt, ob das Urteil tatsächlich darauf beruhen kann. Hingegen werden die anderen Fälle von dem Fehler nicht berührt. Insoweit handelt es sich um abtrennbare Teile der angefochtenen Entscheidung, auf die sich der Gesetzesverstoß nicht auswirken konnte (vgl. BGH StV 1981, 3). Die Aufhebung des Schuldspruchs führt auch zur Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelfreiheitsstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
IAAAC-58273

1Nachschlagewerk: nein