BGH Beschluss v. - XII ZB 182/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs.

Instanzenzug: OLG Naumburg vom

Gründe

I.

Die Klägerin, eine GbR mit Sitz in B. , hat rückständige Mieten für ihr in M. gelegenes Gewerbeobjekt geltend gemacht. Sie ist im Rechtsstreit vor dem Landgericht M. von ihrem in H. ansässigen Hausanwalt vertreten worden. Das Verfahren ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit einem Vergleich beendet worden, in dem sich die Beklagte verpflichtet hat, von den Kosten des Rechtsstreits 89,1 % zu tragen.

Die Klägerin hat beim Landgericht gegen die Beklagte Festsetzung von Kosten in Höhe von 4.318,93 € beantragt, darunter u.a. Reisekosten ihres Prozeßbevollmächtigten zum Prozeßgericht. Das Landgericht hat die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten mit 2.443 € festgesetzt. Dabei hat es die von der Klägerin geltend gemachten Anwaltsgebühren um 10 % reduziert und die Reisekosten des Rechtsanwalts nicht anerkannt. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stelle die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ZPO dar. Eine Ausnahme könne aber dann eingreifen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststehe, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein werde. Dies komme in Betracht bei gewerblichen Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung, die die Sache bearbeite. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Ort des Prozeßgerichts könne ferner zur Kostenersparnis zumutbar sein, wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Rechtsstreit um eine Geldforderung die Gegenseite versichere, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber der Klage keine Einwendungen zu erheben. Dieser Rechtsprechung sei zuzustimmen. Auch hier scheide ein weitergehender Erstattungsanspruch der Klägerin aus, weil der Rechtsstreit aus dem geschäftlichen Tätigkeitsgebiet der Klägerin herrühre. Zwar habe die Klägerin ihren Sitz in B. . Im Hinblick auf die Lage des Verwaltungsobjekts in M. und den regelmäßig daraus folgenden Gerichtsstand sei es geboten, insoweit einen Prozeßbevollmächtigten am Ort des Mietobjektes zu beauftragen. Die Tätigkeit der Grundstücksgemeinschaft bedinge zwangsläufig auch eine Anwesenheit vor Ort. Zu der Frage, ob in einem solchen Fall die dargelegten Grundsätze uneingeschränkt Anwendung fänden, habe der Bundesgerichtshof noch keine Entscheidung getroffen.

2. Diese Ausführungen halten einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht stand.

Ein Abschlag von 10 % der Anwaltsgebühren gemäß Art. I Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Einigungsvertrag kommt schon aus den Gründen der Entscheidung des - NJW 2003, 1532 ff.) nicht in Betracht.

Im übrigen ist das Beschwerdegericht zwar von dem zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt ausgegangen, daß die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei oder in der Nähe ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ZPO anzusehen ist ( - FamRZ 2003, 441). Es hat weiter auch richtig gesehen, daß eine Ausnahme von diesem Grundsatz dann eingreifen kann, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird, wie etwa bei einem gewerblichen Unternehmen, das über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, die die Sache bearbeitet hat. Richtig ist auch, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Prozeßgericht zur Kostenersparnis zumutbar sein kann, wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Streit um eine Geldforderung die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben ( aaO).

Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht jedoch insoweit, als es eine weitere Ausnahme von der Erstattungspflicht dann annehmen will, wenn sich die Mietsache, die Anlaß für den Rechtsstreit ist, am Sitz des Prozeßgerichts befindet und sich der Kläger deshalb gelegentlich zur Verwaltung dort aufhält. Der vom Bundesgerichtshof anerkannten Erstattungspflicht der Kosten des nicht am Sitz des Prozeßgerichts ansässigen Rechtsanwalts liegt die Überlegung zugrunde, daß eine ihre Belange vernünftig und kostenbewußt wahrnehmende Partei für das zur Verfolgung ihrer Interessen notwendige persönliche Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt den für sie einfacheren und naheliegenderen Weg wählen kann und darf, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort oder in der Nähe ansässigen Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten zu beauftragen ( aaO 443, 444). Eine Ausnahme ist nur anzuerkennen, wenn schon zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch am Sitz des Rechtsanwalts für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird. Davon kann aber nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil das Mietobjekt am Ort des Prozeßgerichts gelegen ist und sich der Kläger zu dessen Verwaltung gelegentlich dort aufhält. Die - nicht ständige - Anwesenheit des Geschäftsführers der Klägerin bedeutet nämlich keineswegs, daß für einen konkreten Rechtsstreit kein Bedarf an einem eingehenden Mandantengespräch bestünde. Ist aber eine Informationsreise erforderlich, so kann dem Kläger nicht zugemutet werden, diese zu einem Rechtsanwalt am Ort des Mietobjekts durchzuführen, nur weil er sich zur Verwaltung des Grundstücks mitunter am Ort des Prozeßgerichts aufhält. Vielmehr darf er - ohne Kostennachteile - den in seiner Nähe ansässigen Vertrauensanwalt beauftragen.

3. Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zur Wahrnehmung der Termine beim Landgericht M. zustehenden Reisekosten getroffen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren können diese Feststellungen nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V. mit § 559 ZPO). Der angefochtene Beschluß ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
FAAAC-06067

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein