BGH Beschluss v. - X ZB 45/03

Leitsatz

[1] Wenn der Rechtsbeschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt worden ist, liegt ein Zulassungsgrund im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO vor.

Gesetze: ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: AG Hamburg-Harburg

Gründe

I. Nachdem gegen die Klägerin im ersten Rechtszug Versäumnisurteil ergangen war und sie hiergegen Einspruch eingelegt hatte, im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch aber erneut niemand für die Klägerin erschienen war, hat das Amtsgericht Hamburg-Harburg durch Zweites Versäumnisurteil vom ihren Einspruch verworfen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom rechtzeitig Berufung eingelegt. In demselben Schriftsatz hat sie ausführlich dargelegt, daß ihr Prozeßbevollmächtigter sowohl den Verhandlungstermin, in dem das erste Versäumnisurteil erging, als auch den Termin zur Verhandlung über den Einspruch ohne sein Verschulden versäumt habe.

Das Landgericht Hamburg als Berufungsgericht hat durch Beschluß vom die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen mit der Begründung, daß die Berufungsfrist nach gewährter Verlängerung am abgelaufen, eine Berufungsbegründung aber nicht eingegangen sei. Gegen diesen ihr am zugestellten Beschluß hat die Klägerin am Rechtsbeschwerde eingelegt.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Mit Recht rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG). In einem solchen Fall ist ein Zulassungsgrund im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO immer gegeben.

Der Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör folgt aus der unrichtigen Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe keine Berufungsbegründung eingereicht.

Die Klägerin hatte bereits in ihrer Berufungsschrift vom eine Begründung gegeben. Die Kombination von Berufungsschrift und Berufungsbegründung ist im Gesetz ausdrücklich anerkannt (§ 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die Begründung in der Berufungsschrift entsprach auch inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO; sie bezeichnete insbesondere die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben soll (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Ein Zweites Versäumnisurteil unterliegt der Berufung nur insoweit, als sie auf fehlendes Verschulden an der Versäumung gestützt wird (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hierzu enthält die Berufungsbegründung ausführliche Darlegungen.

Wenn das Berufungsgericht gleichwohl vom Fehlen einer Berufungsbegründung ausgegangen ist, so läßt dies nur den Schluß zu, daß es - möglicherweise irregeführt durch den späteren Antrag des klägerischen Prozeßbevollmächtigten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - die schon in der Berufungsschrift der Klägerin enthaltene Berufungsbegründung nicht zur Kenntnis genommen hat. Darin liegt ein Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör.

Infolge dieses Grundrechtsverstoßes ist die Rechtsbeschwerde nicht nur zulässig, sondern zugleich begründet.

Der angefochtene Verwerfungsbeschluß ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Berufung an das Landgericht Hamburg zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Der Verzicht auf Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgt wegen der unrichtigen Sachbehandlung durch das Berufungsgericht (§ 8 Abs.1 Satz 1 GKG in der bis zum geltenden Fassung).

Fundstelle(n):
EAAAC-04819

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein