BGH Urteil v. - VIII ZR 122/03

Leitsatz

[1] Ein Berufungsurteil, das keine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthält, unterliegt im Revisionsverfahren grundsätzlich von Amts wegen der Aufhebung und Zurückverweisung.

Gesetze: ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug: LG Wiesbaden vom AG Idstein

Tatbestand

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Idstein vom abgeändert und die Klage abgewiesen. Zugleich hat es die Revision zugelassen. Das Berufungsurteil enthält weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil noch eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen; auch die Berufungsanträge gibt es nicht wieder. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin, unter Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils nach ihren Schlußanträgen in der Berufungsinstanz zu erkennen; hilfsweise beantragt sie, die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagten hätten die mit der Klägerin geschlossenen Vereinbarungen wirksam nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWiG widerrufen. Bei der Rheinland-Pfalz-Ausstellung 2001 habe es sich ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Veranstaltungsprogramms um eine Freizeitveranstaltung im Sinne dieser Regelung gehandelt.

II.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels jeder tatbestandlichen Darstellung und mangels Wiedergabe der Berufungsanträge eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht zuläßt.

1. Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozeßordnung in der seit dem geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht am geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß gilt für den Inhalt des Berufungsurteils § 540 ZPO. Danach bedarf dieses zwar keines Tatbestandes. An dessen Stelle muß das Berufungsurteil jedoch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthalten (§ 540 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Mangelt es daran, fehlt dem Berufungsurteil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach § 545, § 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage. In einem solchen Fall ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (, NJW-RR 2003, 1290, unter II 1 b m.w.Nachw.; ferner Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 540 Rdnr. 6; Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 540 Rdnr. 8). Von der Aufhebung und Zurückverweisung kann ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben. Damit gilt bei einer Verletzung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nichts anderes als nach bisherigem Zivilprozeßrecht in dem Fall, daß das Berufungsurteil entgegen § 543 ZPO a.F. keinen Tatbestand aufwies (vgl. dazu BGHZ 73, 248; , WM 1999, 871 unter I 1 m.w.Nachw.; ferner Senatsurteil vom - VIII ZR 205/02, NJW-RR 2003, 1006, Senatsurteil vom - VIII ZR 326/02, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 2; Senatsurteil vom - VIII ZR 360/02, jew.m.w.Nachw.).

Hier enthält das Berufungsurteil weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil noch eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen. Die tatsächliche Grundlage der Entscheidung ergibt sich auch nicht hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen. Diesen läßt sich bereits nicht entnehmen, was die Klägerin mit ihrer Klage begehrt und was Inhalt der nicht näher bezeichneten Vereinbarungen der Parteien ist. Eine revisionsrechtliche Nachprüfung des Berufungsurteils ist daher mangels tatbestandlicher Beurteilungsgrundlage nicht möglich. Letztlich bleibt auch unklar, was Gegenstand der Klageabweisung ist.

2. Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsurteil die Berufungsanträge nicht wiedergibt. § 540 ZPO macht dies nicht entbehrlich. Das trifft selbst dann zu, wenn das Berufungsurteil ordnungsgemäß auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug nimmt. Diese Verweisung kann sich nicht auf die in der zweiten Instanz gestellten Anträge erstrecken. Daher sind auch die Berufungsanträge wörtlich oder zumindest sinngemäß in das Berufungsurteil aufzunehmen (BGH, Senatsurteil vom - VIII ZR 262/02, NJW 2003, 1743, zur Aufnahme in BGHZ bestimmt; Senatsurteil vom - VIII ZR 340/02, nicht veröffentlicht, jew.m.w.Nachw.; Urteil vom - V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290 unter II 1 a).

Auch daran fehlt es hier. Das angefochtene Berufungsurteil gibt die Berufungsanträge der Parteien weder ausdrücklich noch sinngemäß wieder. Daher könnte über den Hauptantrag der Revision, unter Aufhebung des Berufungsurteils nach den Schlußanträgen der Klägerin in der Berufungsinstanz zu erkennen, selbst dann nicht entschieden werden, wenn das Berufungsurteil im übrigen eine ausreichende tatbestandliche Beurteilungsgrundlage bieten würde, was nach den vorstehenden Ausführungen (unter II 1) jedoch nicht der Fall ist.

Fundstelle(n):
ZAAAC-04008

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja