BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2252/04

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 3

Instanzenzug: OLG Hamm 3 U 77/04 u. 3 U 97/04 vom

Gründe

I.

1. Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, nimmt als Forschungsinstitut Tierversuche überwiegend an Affen vor; dies erfolgt schwerpunktmäßig im Bereich der Reproduktionstoxikologie im Auftrag pharmazeutischer Unternehmen. Der Journalist M. war im Jahre 2003 etwa drei Monate in den Laboren der Beschwerdeführerin als Tierpfleger tätig und stellte in dieser Zeit mit einer verdeckten Kamera rund 40 Stunden Filmmaterial her, das die Haltung der Affen und den Umgang mit ihnen bei der Durchführung und nach der Durchführung von Versuchen wiedergibt.

Aus diesem Filmmaterial gefertigte Filmbeiträge wurden durch mehrere Rundfunkveranstalter im Dezember 2003 ausgestrahlt. Die Beschwerdeführerin wendet sich in mehreren Verfahren gegen die Verbreitung der Filmausschnitte.

2. Das Landgericht hat einem Antrag der Beschwerdeführerin auf Untersagung der Verbreitung der heimlich gedrehten Sequenzen durch den Journalisten und eine Tierschutzgegnerin, die diese Filmbeiträge im Rahmen einer Veranstaltung zeigen wollte, stattgegeben.

Das Oberlandesgericht hat mit den angegriffenen Entscheidungen den Verfügungsbeklagten untersagt, aus dem Filmmaterial geschnittene Filmbeiträge zu verbreiten. Es hat im Übrigen die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und damit grundsätzlich die Weitergabe des Filmmaterials für rechtlich unbedenklich erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ein allgemeines Persönlichkeitsrecht in der Form des Rechts am eigenen Bild für sich in Anspruch nehmen könne. Bei der Abwägung gegenüber dem Informationsinteresse des Journalisten M. an der Verbreitung der heimlich gedrehten Aufnahmen ergebe sich, dass die Weitergabe der unter Verwendung des Filmmaterials hergestellten Filmbeiträge unzulässig sei. Diese erweckten verfälschend und sachlich nicht zutreffend den Eindruck von Verstößen der Beschwerdeführerin gegen das Tierschutzgesetz und insbesondere gegen Grundsätze einer artgerechten Tierhaltung. Ein solcher Eindruck ließe sich aber an Hand des gedrehten und dem Senat vorgelegten Materials nicht bestätigen. Im Übrigen überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung durch Verbreitung des Filmmaterials die Interessen der Beschwerdeführerin.

3. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 GG durch die angegriffenen Urteile. Das Oberlandesgericht habe der Meinungs- und Pressefreiheit zu Unrecht ein Übergewicht gegenüber ihren durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten rechtlichen Interessen eingeräumt. Durch die Zulässigkeit der Weiterverbreitung des Filmmaterials bestehe die Gefahr weiterer verfälschender Filmbeiträge und damit einer weitergehenden Rufschädigung der Beschwerdeführerin. Um dieser Gefahr entgegenzutreten, hat sie zusätzlich zur Verfassungsbeschwerde den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Untersagung der Weitergabe des Filmmaterials gestellt.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob sie bereits wegen Nichterschöpfung des Rechtswegs unzulässig ist, denn jedenfalls bleiben die Rügen der Verletzung des in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechts am eigenen Bild und der Verletzung der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) erfolglos.

1. Die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts, die zwar einen Schutz des Rechts der Beschwerdeführerin am Bild grundsätzlich bejahen, hier aber dessen Verletzung verneinen, enthalten keinen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dieses Recht ist vorliegend nicht berührt. Es schützt nicht vor der Weitergabe der Filmaufnahmen, die in den Tierlaboren der Beschwerdeführerin gedreht worden sind.

a) Das grundsätzlich durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet den Schutz der Persönlichkeit hinsichtlich solcher Elemente, die nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen (vgl. BVerfGE 101, 361 <380>; stRspr). Es schützt insbesondere die Selbstbestimmung des Trägers über seine Person und ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit (vgl. BVerfGE 35, 202 <220 f.>; 63, 131; 101, 361 <380 f.>). Umfasst ist der Schutz des Rechtes am Bild (vgl. BVerfGE 38, 238 <246>; 35, 202 <220>; 87, 334 <340>; 97, 228 <268 f.>). Dieses gewährleistet dem Einzelnen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von Fotografien oder Aufzeichnungen seiner Person durch andere geht. Das besondere Schutzbedürfnis des Rechts am Bild ergibt sich vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren (vgl. BVerfGE 101, 361 <381>). Unbeschadet der Frage, ob ihr zivilrechtlich ein Abwehrrecht zusteht, kann die Beschwerdeführerin sich vorliegend nicht auf ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht am Bild berufen.

b) Keiner Entscheidung bedarf, wie weit das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer juristischen Person des Privatrechts zusteht, insbesondere ob dies über das Recht am Wort hinaus (dazu siehe BVerfGE 106, 28 <42 f.>) auch für das Recht am Bild anzuerkennen ist und was ein dem Bildnis einer natürlichen Person vergleichbares Bild einer juristischen Person sein könnte. Denn die angegriffenen Entscheidungen betreffen keine Bildnisse, die vom verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz erfasst sind.

Das Recht einer juristischen Person am Bild kann auf keinen Fall weiter reichen als das entsprechende Recht einer natürlichen Person. Eher dürfte der Schutz schwächer sein, da die juristische Person sich anders als die natürliche nicht auch auf den im allgemeinen Persönlichkeitsrecht mitumfassten Schutz der Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG berufen kann.

c) Der für eine natürliche Person entwickelte verfassungsrechtliche Schutz des Bildnisses bezieht sich auf die Abbildung der Person unter Einschluss der räumlichen Situation und sonstigen Umstände, mit denen sie durch die Abbildung in Bezug gesetzt wird. Der grundrechtliche Schutz setzt grundsätzlich eine Abbildung der Person selbst voraus. Davon ist das Bundesverfassungsgericht auch in seiner von der Beschwerdeführerin herangezogenen Entscheidung vom ausgegangen, in der es geprüft hat, wie der Bildnisschutz in bestimmten Räumlichkeiten ausgeprägt ist (vgl. BVerfGE 101, 361 <381 ff., 384 f.>). Dabei ging es ausschließlich um die Reichweite des Bildnisschutzes der Person im jeweiligen räumlichen Kontext. Ob ausnahmsweise bestimmte, etwa intime, Gegenstände einen derart engen Bezug zu einer Person haben, dass schon deren Abbildung allein das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, kann dahinstehen. Darum geht es vorliegend nicht.

Das Filmmaterial enthält vielmehr nur Bilder von der Betriebsstätte der Beschwerdeführerin sowie von Arbeitsvorgängen bei der Durchführung von Tierversuchen. Derartige Aufnahmen werden auch dann nicht vom Bildnisschutz erfasst, wenn das betroffene Unternehmen im Eigentum einer natürlichen Person steht.

Die auf den Aufnahmen zum Teil mitabgebildeten Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin können sich ihrerseits gegebenenfalls auf ein eigenes Recht am Bild, auch auf ein Recht am eigenen Wort, berufen. Dieses ist jedoch nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin selbst kann ein derartiges persönliches Recht ihrer Arbeitnehmer nicht als eigenes geltend machen. Eine mögliche Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten der auf den Filmaufnahmen abgebildeten Mitarbeiter hat das Oberlandesgericht im Übrigen durch die Anordnung der Anonymisierung der Mitarbeiter in den Filmbeiträgen ausgeschlossen.

d) Die Verneinung des im Persönlichkeitsrecht wurzelnden Schutzes einer bildlichen Aufnahme von Betriebsstätten bewirkt nicht eine Lücke im Grundrechtsschutz, die durch eine Ausweitung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschlossen werden müsste. Vielmehr enthält das Grundgesetz eine Reihe von Grundrechtsnormen, die Schutz auch im betrieblichen Bereich einräumen und auf die Auslegung und Anwendung des Zivilrechts ausstrahlen. So gewährleistet Art. 13 GG die Unverletzlichkeit der Wohnung unter Einschluss von Arbeitsräumen (vgl. BVerfGE 32, 54 <96 ff.>; 76, 83 <88>; 97, 228 <265>). Die Verletzung dieses Grundrechts hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht gerügt. Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) kommt auch gegenüber Verletzungen von Betriebsgeheimnissen in Betracht. Eine solche Beeinträchtigung hat das Oberlandesgericht verneint, ohne dass die Verfassungsbeschwerde sich dagegen richtet. Dieser Grundrechtsschutz kommt auch gegenüber der Verbreitung unzutreffender Aussagen über das Geschehen im Betrieb in Betracht. Dieser Schutz umfasst auch visuelle Aussagen. Das Oberlandesgericht hat eine Verbreitung der Filmbeiträge mit irreführenden Inhalten dementsprechend bereits untersagt. Dass diese Grundrechte den Schutz nicht in gleicher Weise gewähren wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, bewirkt für sich allein keine Notwendigkeit, die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Lücken durch eine Ausweitung des Persönlichkeitsrechts über den besonderen Bildnisschutz hinaus zu füllen. Die Abbildungen von Betriebsräumen und betrieblichen Vorgängen eines Unternehmens betreffen nicht solche Elemente, die um der individuellen Persönlichkeit willen eines besonderen Grundrechtsschutzes bedürfen.

2. Eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) haben die Gerichte mit nachvollziehbarer Begründung ausgeschlossen. Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen nicht in einer den Begründungsanforderungen (vgl. § 92 BVerfGG) genügenden Weise dargelegt, dass die Weitergabe der Filmaufnahmen die Freiheit von staatlichen Eingriffen in die wissenschaftliche Betätigung selbst beeinträchtigt.

3. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

4. Von einer weiter gehenden Begründung wird abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
PAAAB-85773