Oberfinanzdirektion Koblenz - S 0550 A - St 34 2 S 0550 A - St 44 1 S 7348 A - St 34 2 S 7348 A - St 44 1

§ 18 UStG; Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung in Insolvenzfällen

Die nachfolgenden Regelungen sind zum Widerruf und zur Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung in Insolvenzfällen zu beachten:

1 Allgemeine Grundsätze

Wurde eine Sondervorauszahlung gem. § 47 UStDV durch den Unternehmer entrichtet, so ist die Sondervorauszahlung in der Regel bei der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember anzurechnen (§ 48 Abs. 4 UStDV, Abschnitt 228 Abs. 6 UStR). Dies gilt grundsätzlich auch in Insolvenzfällen, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Unternehmereigenschaft des Insolvenzschuldners keinen Einfluss hat (vgl. , BStBl 2000 II S. 639). Unerheblich ist auch, dass dem Insolvenzverwalter aus insolvenzrechtlichen Gründen (Abgrenzung Insolvenzforderungen zu den Masseverbindlichkeiten) eine neue zweite (9000er) Steuernummer erteilt wird.

Die Anrechnung der Sondervorauszahlung auf die Steuerschuld des entsprechenden Voranmeldungszeitraums ist abgabenrechtlich nicht Teil des Steuerfestsetzungsverfahrens, sondern Teil des Erhebungsverfahrens. Die Abrechnung der Sondervorauszahlung ist ein eigenständiger Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO, der unabhängig von der Steuerfestsetzung mit eigenen Rechtsmitteln angegriffen werden kann und muss. Dies gilt sowohl für die Anrechnungsverfügung, aus der sich ergibt, inwieweit die festgesetzte Steuer bereits durch Zahlungen erloschen ist oder inwieweit ein Steuerpflichtiger einen Anspruch auf Erstattung von Überzahlungen hat, als auch für den Abrechnungsbescheid.

Der Abrechnungsbescheid kann denselben Inhalt wie die Anrechnungsverfügung haben, ergeht aber gem. § 218 Abs. 2 AO bei Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen (vgl. , BStBl 2002 II S. 705).

Nach gefestigter BFH-Rechtsprechung hat das Abrechnungsverfahren nach § 218 Abs. 2 AO Vorrang vor dem Einspruchsverfahren. Ein Einspruch ist regelmäßig als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO anzusehen, weil nur so eine Klärung der streitigen Fragen erreicht werden kann (, BStBl 1993 II S. 836 und vom VII R 141/92, BFH/NV 1994 S. 288).

Lediglich in Fällen, in denen der Steuerpflichtige ausdrücklich auf eine Entscheidung über den Einspruch besteht, wird man neben dem Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO auch noch ein Einspruchsverfahren (Verwerfung des Einspruchs als unzulässig) durchführen müssen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Abrechnungsbescheides entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch ( a.a.O. und , VII S 10/99, BFH/NV 2000 S. 1096).

2 Anrechnung der Sondervorauszahlung

2.1 Widerruf der Dauerfristverlängerung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Nach § 46 Satz 2 UStDV ist eine bereits gewährte Dauerfristverlängerung zu widerrufen, wenn der Steueranspruch gefährdet erscheint. In Insolvenzfällen ist eine Gefährdung des Steueranspruchs bereits dann gegeben, wenn dem Finanzamt bekannt wurde, dass der Unternehmer oder ein Dritter einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat. In derartigen Fällen ist der Widerruf unverzüglich durch die Umsatzsteuer-Voranmeldungsstelle (UV-Stelle) formlos gegenüber dem Unternehmer bekannt zu geben. Der Widerruf ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

Der Widerruf bewirkt, dass in dem Monat, in dem der Widerruf ausgesprochen wurde, die Sondervorauszahlung auf die Steuerschuld des entsprechenden Voranmeldungszeitraums angerechnet werden kann.

Beispiel 1:

Der Unternehmer U hat am einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Das Finanzamt hat am den Widerruf gegenüber dem Insolvenzschuldner bekannt gegeben. Das Insolvenzverfahren wurde am eröffnet.

Die Anrechnung der geleisteten Sondervorauszahlung ist im Monat 06/2002 vorzunehmen. Führt die Anrechnung zu einer Steuererstattung, besteht die uneingeschränkte Möglichkeit der Verrechnung mit anderen fälligen Steuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners.

Beispiel 2:

Der Unternehmer U hat am einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Das Finanzamt hat am den Widerruf gegenüber dem Insolvenzschuldner bekannt gegeben. Das Insolvenzverfahren wurde am eröffnet.

Die Anrechnung der geleisteten Sondervorauszahlung ist im Monat 08/2002 vorzunehmen. Obwohl in diesem Monat das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Voranmeldungszeitraum durch die Insolvenzeröffnung nicht unterbrochen wird, ist die Sondervorauszahlung ausschließlich auf Insolvenzforderungen anzurechnen. Insoweit haben die insolvenzrechtlichen Bestimmungen Vorrang vor den steuerrechtlichen Vorschriften (vgl. , BStBl 2000 II S. 639). Der Voranmeldungszeitraum ist insoweit zu begrenzen und umfasst den Zeitraum bis zum . Führt die Anrechnung zu einer Steuererstattung, besteht auch hier die uneingeschränkte Möglichkeit der Verrechnung mit anderen fälligen Steuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners.

Die Anrechnung steht, da der Widerruf vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen wurde, nicht für Zeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Verfügung. Insbesondere kommt eine Erstattung an die Insolvenzmasse nicht in Betracht. Werden gegen diese Verfahrensweise durch den Insolvenzverwalter Einwendungen erhoben, so ist ein Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 AO gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erlassen.

2.3 Kein Widerruf der Dauerfristverlängerung im Kalenderjahr der Insolvenzeröffnung

Wurde die Dauerfristverlängerung im Kalenderjahr der Insolvenzeröffnung nicht widerrufen, ist die festgesetzte Sondervorauszahlung bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum – also den Monat Dezember – des Besteuerungszeitraums anzurechnen (§ 48 Abs. 4 UStDV). Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG).

Ist die Sondervorauszahlung höher als die Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum, auf die sie gemäß § 48 Abs. 4 UStDV anzurechnen ist, kommt zwar ein Erstattungsanspruch in Betracht. Da die Sondervorauszahlung „für das jeweilige Kalenderjahr„ erfolgt (§ 48 Abs. 2 Satz 1 UStDV), kann der Insolvenzverwalter die Erstattung allerdings nur verlangen, soweit er die übrigen Vorauszahlungen für das Kalenderjahr gezahlt hat und nicht schuldig geblieben ist.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Ansprüche auf Erstattung von vor Eröffnung geleisteten Vorauszahlungen gehören zur Insolvenzmasse (vgl. a.a.O. und vom V II R 96/92, BFH/NV 1994 S. 287). Die Anrechnung der Sondervorauszahlung für den Monat Dezember führt nur dann zu einer Erstattung an den Insolvenzverwalter, wenn für das gesamte Kalenderjahr (also einschl. der Zeiträume bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) keine Umsatzsteuerrückstände bestehen. Anderenfalls ist ein möglicher Erstattungsbetrag des Monats Dezember auf rückständige Umsatzsteuern für dieses Kalenderjahr anzurechnen. Die Anrechnung erfolgt durch Umbuchung auf das Steuerkonto für Insolvenzforderungen – bisherige Steuernummer – und gegenüber dem Insolvenzverwalter durch eine entsprechende Aufrechnungserklärung.

Beispiel 3:

Über das Vermögen des Unternehmers U wurde am das Insolvenzverfahren eröffnet. U hatte eine Sondervorauszahlung in Höhe von 10.000 € entrichtet. Die Dauerfristverlängerung wurde nicht widerrufen. Für den Zeitraum bis zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen Umsatzsteuerrückstände von 50.000 € (unter der bisherigen Steuernummer), die zur Insolvenztabelle angemeldet wurden. Die vom Insolvenzverwalter für den Monat Dezember (neue – 9000er – Steuernummer) abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung weist nach Anrechnung der Sondervorauszahlung einen Erstattungsbetrag von 15.000 € aus. Der Insolvenzverwalter begehrt die Erstattung des gesamten Betrages.

In Höhe von 10.000 € (Anteil Sondervorauszahlung) besteht für den Insolvenzverwalter keine Erstattungsberechtigung, da für den Zeitraum bis zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Umsatzsteuerrückstände von 50.000 € bestehen. Die Sondervorauszahlung ist auf die Steuerrückstände anzurechnen. Die Überprüfung der Aufrechnung der restlichen 5.000 € bleibt hiervon unberührt.

Werden gegen diese Verfahrensweise Einwendungen durch den Insolvenzverwalter erhoben, ist gegenüber dem Insolvenzverwalter ein Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 AO zu erlassen (vgl. a.a.O.).

2.4 Widerruf der Dauerfristverlängerung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Wird die Dauerfristverlängerung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens widerrufen, so gelten die in Tz. 2.3 genannten Grundsätze entsprechend.

Beispiel 4:

Der Unternehmer U hat am einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Das Finanzamt hat am den Widerruf gegenüber dem Insolvenzschuldner bekannt gegeben. Das Insolvenzverfahren wurde bereits am eröffnet.

Die Anrechnung der geleisteten Sondervorauszahlung ist im Monat 09/2002 vorzunehmen.

3 Vordrucke

Der Vordruck InsO 6 (Insolvenzverfahren) wurde entsprechend überarbeitet.

4 Schlussbemerkung

Um den Widerruf der Dauerfristverlängerung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sicherzustellen, ist darauf zu achten, dass bei Kenntniserlangung eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (z.B. Vollstreckungsstelle) diese Information sofort an die UV-Stelle weitergeleitet wird. Die Aufrechnungserklärung sowie der Erlass eines ggf. erforderlichen Abrechnungsbescheides gem. § 218 Abs. 2 AO erfolgt durch die Finanzkasse.

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IAAAB-16019